Es gibt eine neue Forschungsarbeit zum Voynich-Manuskript – zur Abwechslung eine gute. Darin wird ein Verfahren erklärt, mit dem der Text des Voynich-Manuskripts generiert worden sein könnte.

Das Voynich-Manuskript ist nahezu das einzige verschlüsselte Dokument aus dem Mittelalter, das man nicht entschlüsseln kann. Generell waren die Verschlüsselungsverfahren der damaligen Zeit ziemlich schlecht, und so machen sie heutigen Codeknackern in aller Regel wenig Mühe. Umso erstaunlicher ist es, dass die große Ausnahme ein ganzes Buch füllt. So bietet das Voynich-Manuskript um Größenordnungen mehr Analysematerial als praktisch alle anderen verschlüsselten Dokumente aus dem Mittelalter (ein Beispiel sind die Trierer Teufelsverse).

Mit anderen Worten: Das Voynich-Manuskript müsste eigentlich längst entschlüsselt sein. Das ist es aber nicht.

Eine mögliche Erklärung: Der Text des Voynich-Manuskripts ist gar nicht durch eine Verschlüsselung entstanden, sondern durch eine sinnlose Aneinanderreihung von etwa 170.000 Buchstaben.

Voynich-1r

Dabei ist zu beachten: Die statistischen Eigenschaften des Voynich-Texts ähneln in vielerlei Hinsicht natürlicher Sprache. Es kann sich also nicht um gewürfelte Buchstabenfolgen handeln. Denkbar ist dagegen, dass der Autor einen Algorithmus anwendete. Verschiedene Möglichkeiten wurden bereits diskutiert:

  • Der Brite Gordon Rugg vermutet, dass der Text des Manuskripts einer einfachen Regel folgend aus einfachen, sinnlosen Textbausteinen zusammegesetzt ist. Ein einfaches Beispiel: Aus den Bausteinen DHF, SDKJ, DD und WEE ließe sich folgender Unsinstext zusammenstellen: DDWEE DHF SDKJ DD DHF.
  • Der deutsche Linguist Jürgen Hermes schlug folgende Methode vor: Jedes Wort steht für einen bestimmten Buchstaben, es kann mehrere Wörter geben, die den gleichen Buchstaben symbolisieren. Ein einfaches Beispiel: SAKSDJ=A, WQZRI=B, JKH=C, LFLL=D, DHKFK=E, WIQE=F, HSAD=G, WEIUW=H. Der Satz „LFLL SAKSDJ JKH WEIUW“ stünde also für das Wort DACH. Damit wäre der Text zwar nicht völlig bedeutungslos, hätte aber einen relativ geringen Informationsgehalt.

Wie man leicht sieht, liegen die beiden Hypothesen gar nicht so weit auseinander. Um sie zu testen, müsste man auf diese Weise generierte Texte mit den gleichen statistischen Methoden wie den Voynich-Text untersuchen und die Ergebnisse vergleichen. Diesbezüglich wurde bisher jedoch nur wenig gemacht (siehe meinen Artikel Voynich-Manuskript: Wo die Forschung ansetzen muss). Auch gibt es bisher nur wenige Forschungsarbeiten, die die Algorithmus-Theorie untersuchne. Schade, denn meiner Meinung nach ist dieser Ansatz äußerst viel versprechend.

Banner-Nicht-zu-knacken

Nun hat ein gewisser Torsten Timm (über den ich leider nichts weiß) eine neue Arbeit veröffentlicht. Deren Titel How the Voynich Manuscript was created erscheint mir zwar etwas übertrieben, aber interessant ist sie allemal. Timms Hypothese: Der Autor des Voynich-Manuskripts erfand zunächst eine Reihe unterschiedlicher Zeichenfolgen, die er anschließend immer wieder abschrieb. Dabei ließ er jeweils kleine Änderungen einfließen. Anstatt näher auf die Methode einzugehen, verweise ich lieber auf den Blog von Jürgen Hermes, der die Sache in einem Artikel sehr anschaulich erklärt.

Nach der Mexiko-Theorie und der Entschlüsselung von Stephen Bax erscheint mir die Arbeit von Torsten Timm deutlich gehaltvoller. Ob dessen Hypothese haltbar ist, wird sich zeigen, wenn man die statischen Eigenschaften eines auf diese Weise generierten Texts mit dem Voynich-Manuskript vergleicht. Es gibt auf jeden Fall noch viel zu tun.

Zum Weiterlesen:


Kommentare (24)

  1. #1 Ralf Bülow
    2. August 2014

    Dieser Voynich-Forscher könnte etwas zum geheimnisvollen Torsten Timm wissen: https://texperimentales.hypotheses.org/1076

    • #2 Klaus Schmeh
      2. August 2014

      Danke, werde Jürgen Hermes mal fragen.

  2. #3 wolftrommler
    2. August 2014

    “Ein einfaches Beispiel: SAKSDJ=A, WQZRI=B, JKH=C, LFLL=D, DHKFK=E, WIQE=F, HSAD=G, WEIUW=H. Der Satz „DHKFK SAKSDJ JKH WEIUW“ stünde also für das Wort DACH.”

    Nein, es stünde für “EACH”. Am Anfang müsste LFLL stehen, nicht DHKFK. 🙂

    • #4 Klaus Schmeh
      2. August 2014

      Stimmt, wollte meine Leser nur testen 😉

  3. #5 FreddyE
    2. August 2014

    Die im Artikel genannten Theorien klingen zwar plausibel aber haben für mich einen Haken. Wenn man den Umfang des Manuskripts betrachtet und die Zeichnungen wäre das recht viel Aufwand um nur eine Art mittelalterlicher “Hoax” zu sein.

    • #6 Klaus Schmeh
      2. August 2014

      Trotzdem halte ich es für möglich. Für ein geheinisvolles Buch konnte man schon damals viel Geld verlangen. Und wenn jemand so ein Buch gefälscht hat, musste er es ja irgendwie füllen.

  4. #7 roel
    *****
    2. August 2014

    @Klaus Schmeh Soviel Aufwand für Unsinn?

    Zu Torsten Timm: https://www.kereti.de/index.html

    • #8 Klaus Schmeh
      2. August 2014

      Danke für den Hinweis. Torsten Timm ist wohl nicht besonders mitteilsam, was Informationen zu seiner Person anbelangt.

  5. #9 Rich SantaColoma
    https://proto57.wordpress.com/
    2. August 2014

    FreddyE & roel: The idea that a large effort means that it cannot be gibberish is not historically supported. Many of the greatest works of art and literature are pure fantasy. People will expend tremendous time, money and effort producing items with may have no monetary return.

    That being said, the Voynich was thought by Wilfrid to be worth over $100,000 in 1921. That is the equivalent of about $1,600,000 in our time. And if we accept that it was sold for 600 Ducats to Rudolf, value was clearly placed on it back then.

    So not only is such effort often expounded for no gain, there was clearly a long held belief that this work had sufficient value to cover great effort.

    Furthermore, the way that many hoaxes have been revealed is through meaningful content… content which then gives away the ruse. It is hard to get it all correct enough to pass the test of scholars. Better to obscure the content, if possible, so no scholar can get “a toe in the door”.

  6. #10 roel
    *****
    2. August 2014

    @Rich SantaColoma What you discribe makes sence and would not be a senseless succession of letters or fantasy words. But nevertheless, I think there is more to it than just a kind of business or art. Many simple things did take a long time to be developed. A wheel was not impossible because it took thousand of years to be invented. And though the key to voynich maybe easy but different to find. I think it can be solved by identifying the drawings. But I do not have any voynich background.

  7. #11 jhermes
    Köln
    3. August 2014

    Bezüglich Torsten Timm kann ich auch nicht viel mehr sagen, als seine Webseite zum Diskos von Phaistos und eben sein Paper zur Entstehung des VMS hergeben. Außer, dass man mit ihm nett über das VMS plaudern kann.

    • #12 Klaus Schmeh
      3. August 2014

      Torsten Timm hat mir freundlicherweise eine E-Mail geschrieben. Vielleicht kann ich in den nächsten Tagen noch mehr zu seiner Arbeit veröffentlichen.

  8. #13 Chris
    7. August 2014

    per zufall, dh. durch einen roman, wurde ich auf das voynich manuskript aufmersam. eine faszinierende sache, wie ich finde. sicher war dem autor der inhalt sehr wichtig, sonst hätte er den text nicht so fest verschlüsselt.
    meine frage an den kryptologie-experten:
    könnte es sein, dass der text 2x nacheinander mit unterschiedlicheln schlüsseln “übersetzt” wurde?
    kann man dieses zb. durch entsprechende edv-programme feststellen? wurde diese möglichkeit bereits untersucht?
    kann man doppelt verschlüsselte texte “rückübersetzen”?

    lg chris

    • #14 Klaus Schmeh
      9. August 2014

      >könnte es sein, dass der text 2x nacheinander mit unterschiedlicheln schlüsseln “übersetzt” wurde?
      Das ist durchaus denkbar, allerdings gibt es zwei Argumente dagegen:
      – Einen Text doppelt zu verschlüsseln, ist recht aufwendig. Es gibt viele weitere verschlüsselte Bücher (https://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/klaus-schmehs-list-of-encrypted-books/). Alle anderen mit einer vergleichbaren Textmenge sind reltativ simpel verschlüsselt, da der Autor sonst zu viel Arbeit hätte investieren müssen.
      – Die statistischen Eigenschaften des Voynich-Texts ähneln denen natürlicher Sprache. Bei einer doppelten Verschlüsselung wäre das wohl nicht in dieser Form der Fall.

  9. […] Klaus Schmeh stellt in seinem Science-Blog Klausis Krypto Kolumne eine neue Theorie zum geheimnisumwitterten Voynich-Manuskript vor, und zwar die des deutschen […]

  10. #16 Achim Imlau
    Essen
    10. August 2014

    Ich dachte, das VM sei längst entschlüsselt! Das behauptet jedenfalls dieser Sukhwant Singh:

    • #17 Klaus Schmeh
      10. August 2014

      Es gibt schon mindestens 30 “Entschlüsselungen”. Keine davon wird von den Experten bisher anerkannt.

  11. #18 Chris
    11. August 2014

    DANKE für deine antwort 🙂
    diese liste ist beeindruckend. broken bedeutet entschlüsselt bzw. gelöstes rätsel?
    es sind dann trotz der rel. simplen verschlüsselung noch einige unbrokene darunter.
    die statistischen spracheigenschaften wären doch bei einer einmaligen vigenère-verschlüsselung auch schon gestört?
    ich finde, es lohnt sich noch nach einer lösung zu suchen, nach den spracheigenschaften kann man optimistisch sein, dass diese irgendwann entdeckt wird.

  12. #19 Mario
    12. August 2014

    Ein interessanter Punkt:
    Der Entstehungszeitpunkt des Textes passt zeitlich mit der Ankunft der aus Nordindien stammenden Roma zusammen.

    Eine (vielleicht simple) Hypothese:
    Die Roma nehmen auf ihrer Wanderung sowohl nordindische Schriftzeichen als auch Ayurveda-Wissen mit.
    Allerdings erfahren die Schriftzeichen während der langen Zeit eine gewisse Abwandlung, eine Art Dialekt.
    Zu den natürlichen Veränderungen bei der Weitergabe kommen Beeinflussungen durch jeweils regionale Elemente, zuletzt durch die Lateinschrift.
    Desweiteren gab es in dieser Zeit noch keine verbreiteten Standards für die Rechtschreibung.
    Nicht einmal innerhalb eines Textes hielten sich manche Autoren an eine Konvention.
    In Italien angekommen bringt schließlich einer von ihnen die überlieferten Lehren zu Papier, angereichert mit vielen sprachlichen und inhaltlichen Zutaten, die auf der langen Reise durch viele Länder und Kulturen angesammelt wurden.

    https://www.academia.edu/7144268/Voynich_Manuscript_Roma_Sindhi_Mahajans_Reference_Book_in_Landa_Khojki_scripts

  13. #20 Sukhwant Singh
    25. August 2014

    The first time I saw Chinese script, I was baffled. I am sure If “Experts” see some scripts which they have no clue about, they are baffled too. A University doctorate doesn’t make a person know a language which they never heard of. The point is that, so called experts haven’t been able to state a single word only because they are trumping on their wrong path. With due respect, University knowledge nor life’s experience would make a person smart, if they are unaware of what is on the other side. There are No real experts on Voynich. Expert I would call someone who is aware of other cultures around the world, sitting in front of a mac doesn’t bring the knowledge to anyone. It’s something like people used to think moon is an individual satellite around a plant, until science discovered that here are many moons revolving around other planets and then there are systems with more than one sun. This holy man’s book is a detailed one and if you study history about that region ( Sindh/Kutch/Nara desert in Pakistan) and huge swaths of northern India, you would find similar books in the hands of holy mahajan families. In Varanasi ( India ) there are still records kept with detail astrological charts about many generations of people to whom the mahajans used to visit. I have given detailed explanation along with matching scripts and words what they mean. I am not imagining here.
    With due respect to scientists. Sometimes a step back and reconsideration of the path helps a person to get on the right track. Voynich is in Landa Khojki script as I have explained.

  14. #21 Görgen
    kürten
    27. August 2014

    Mir ist aufgefallen , dass die Seitentexte immer mit dem gleichen Zeichen anfangen,auch die Abschnitte,genauer gesagt mit zwei Zeichen ie “Großbustaben ” aussehend.
    Das kann aber nicht sein, selbst bei einer Bustabenverschlüsselung ergäben sich nie immer der gleiche Bustabe auf jeder Seite am Anfang des Text.
    Nehmen wir mal an der Cäsar C ode wäre das im Text, nur ,dass nicht jeder Bustabe eine bestimmte Stelle vorgerückt steht , sagen wir mal 5 Stellen im ABC sondern der erst Bustabe 4 Stellen , der zweite Bustabe 6 Stellen ,der dritte Bustabe 2 Stellen usw , nach einem vorher festgelegten System.Das erste Zeichen am anfang des Text zeigt an ob vor oder zurück gelesen werden muss biszum nächsten Zeichen , dann ist die Versetzung der bustaben umgekehrt usw..
    Auf die Art gibt es dauernd neue Verschlüsselungen der Stellenwerte der Bustaben.
    Die Verschlüsselung muss vorher aufgeschrieben werden und kan dann flüssig ins Reine geschrieben werden.
    Daher ist es fast unmöglich diesen Cäsarcode zu knacken , da die Bustabezahl immer zu kurz ist um ein Muster zu erkennen.
    Man braucht den Schlüssel.
    Bei den Zeichnungen ist es ähnlich.

  15. #22 Peter
    2. September 2014

    Ich befasse mich nun auch schon über 5 Jahre mit dem VM. Genauso habe ich mich mit verschiedenen Schlüsseln und Techniken, der Schrift gewidmet.
    Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Art Latein. Latein aus dem 1500 Jahrhundert, irgendwo aus den Alpen von jemanden der es in seiner Ortssprache ( vulgär ) geschrieben hat. Oder möglicher weise, eine Art Esperanto. ( siehe Wiki )
    Oder einfach mal….
    https://de.wikipedia.org/wiki/Konstruierte_Sprache

    Gerne könnt Ihr auch mal bei mir reinsehen, möglich das es für den einen oder anderen was neues gibt.

    https://www.facebook.com/groups/voynich.yahoogroups/

  16. #23 Sukhwant Singh
    Berlin
    23. Juni 2015

    https://www.youtube.com/watch?v=wmvmSCd2Jg0

    Please spend 10 minutes on this. Truth is out.

  17. #24 Wolfgang Wilhelm
    24. August 2015

    @Peter: nach fünf Jahre halten Sie es für Latein? Ich denke, man ist beim VM viel schneller mit dem Latein am Ende…
    2. tiu teksto ne estas en artefarita lingvo kiel Esperanto. Gucken Sie sich doch mal die Analysen von Jürgen Hermes an, warum das so ist. Die einzige Gemeinsamkeit ist das Quantum Verrücktheit, das man braucht, wenn man sich mit Esperanto auf der einen bzw. dem VM auf der anderen Seite beschäftigt. [1]

    In diesem blog steht viel interessantes https://voynich.tamagothi.de/
    Oder im Buch von Peter Roitzsch [2]

    Meiner Ansicht nach läuft die Verschlüsselungs-Theorie ins Leere, wenn der Text vor allem nach ästhetischen Gesichtspunkten [3] gestaltet wurde. Nach dieser Erkenntnis gehe ich davon aus, dass das VM nicht von der Person aufgeschrieben wurde, welche den Voynich-Text erfunden hatte:

    Was hier (und auf jeder anderen Seite des Manuskriptes) deutlich wird, das sind zwei Erscheinungen, die in dieser Kombination unerwartet sind. Zum Einen wurde beim Schreiben des Manuskriptes sehr schnell und deshalb auch unsauber vorgegangen; der Schreiber hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit einem Lineal ein paar Linien vorzuzeichnen. Zum Anderen aber wirkt die Glyphenfolge selbst in der Schlampigkeit dieses Schreibens noch sehr geschwungen, ausgewogen, ästhetisch ansprechend.

    Das verwendete Schriftsystem erzeugt also ein »schönes« Schriftbild, so mein Fehlschluss.

    Es war ein Fehlschluss. Es ist völlig ausreichend, einen beliebigen Text in einer beliebigen Sprache mit dem Zeichensatz EVA Hand 1 zu setzen, um zu sehen, dass der ästhetisch ansprechende Eindruck seine Ursache nicht nur im verwendeten Schriftsystem hat:

    Die gesamte, im Manuskript sehr ausgewogene Wirkung des Schriftsystemes wird also zerstört, wenn im gleichen Schriftsystem andere Zeichenfolgen gesetzt werden. Tatsächlich ist das Ergebnis sogar ausgesprochen hässlich, wenn man es mit typischem Voynich-Text vergleicht:

    Anmerkungen:
    [1] das kann man auch mit Humor nehmen:
    10 Punkte – als Startkapital für jeden, der sich aus völlig unverständlichen Gründen für länger als eine Woche mit diesem »verdammten Manuskript« befasst.

    https://voynich.tamagothi.de/2009/07/05/vbi-der-voynich-bullshit-index/

    [2] Roitzsch, P: Voynich-Manuskript
    978-3-86991-133-5, es kostet 37,50 €
    Bestellbar in jeder guten Buchhandlung (und auch in meiner, falls ich diese Werbung machen darf: http://www.7sb.de )

    [3] https://voynich.tamagothi.de/2008/10/03/wie-sich-eine-theorie-bildet/