1902 erschien im Evening Standard eine längere verschlüsselte Zeitungsanzeige. Es ist völlig unklar, wer mit diesem kodierten Text wem etwas mitteilen wollte.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Das Buch The Agony Column Codes & Ciphers von Tony Gaffney (alias Jean Palmer) ist eine wahre Fundgrube. Über 1.000 verschlüsselte Zeitungsanzeigen aus dem viktorianischen England sind darin aufgelistet. Viele davon hat Gaffney, ein wahrer Meister des Codeknackens, bereits dechiffriert. Dennoch bleiben mehr als genug Kryptogramme aus diesem Buch übrig, die noch auf ihre Lösung warten.
Auf eine besonders spannende verschlüsselte Zeitungsanzeige hat mich Tony Gaffney selbst vor ein paar Tagen hingewiesen. Sie ist am 14. Juli 1902 im Evening Standard erschienen und beginnt mit den Großbuchstaben ISTW, die vermutlich als Erkennungszeichen dienten. Im Gegensatz zu vielen anderen Anzeigen aus dem Buch enthält sie keinerlei Klartext. Tony Gaffney hat es nicht geschafft, den Code zu knacken. Hier ist das Kryptogramm:
ISTW ugfu wata fnsb tirq aqdf euom usar aipt eedq qmtn
yqyu xstu rruy oias daxo fixx znqd vthm edry zrtr oida
cnde yrno iawm eonu pvet iueo rdhm zpns trmr cnxd cmdk
dxor atec rhds qiua foui trol zure dxma qusq viww yxue
wwdf nedh xdhm kyxx vmxc znqf ndyz fzif unom rqou
utro idau xdrm wedk vdsv usoq vmut snid yptr rknu nsmr
ncns snia nueo ikwm neyv trwt fidu pdxx pvqh dnom yfue
mmhm sasg movm svxu iewm cuck vmrg dahd nlda paqq
viwp nevu ywmr dbuy rodr dqba riwv znhd nudy svns
mxmw rear wqua uwye zeud exiv dekd sqid yeto nzup
ynrm ensi anmt rasn iptr rapz iaad encn nemm qyeg idka
neas zmoi qpaq rmmn senc mnad ryxn rpmd hgsu hmgg
encn ntoo surr ptqx nued oqya pngy remw rugo ywur gyqu
wzdn oyeu nusd sorq vmrc sdvn moqu vdon.
Mit fast 600 Buchstaben bietet das Kryptogramm vergleichsweise viel Analysematerial. Das “n” ist mit über 8 Prozent der häufigste Buchstabe, das “j” mit unter 1 Prozent der seltenste. Für eine einfache Buchstabenersetzung erscheint die Häufigkeitsverteilung zu flach.
Die ungewöhnliche Notation in Vierergruppen würde zu einer paarweisen Ersetzung passen. Mein erster Gedanke war eine Playfair-Verschlüsselung, die um 1902 in Großbritannien bereits bekannt war (über eine Playfair-Verschlüsselung, die 46 Jahre später angewendet wurde, habe ich in Klausis Krypto Kolumne bereits berichtet). Allerdings kommen bei Playfair nur 25 Buchstaben zum Einsatz (meist wird I=J gesetzt), und es gibt keine gleichlautenden Buchstabenpaare. Um eine unveränderte Playfair-Verschlüsselung kann es sich also nicht handeln.
Hat jemand eine bessere Idee? Kann jemand das Rätsel lösen?
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Zum Weiterlesen: Die verschlüsselten Nachrichten eines Polarforschers
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