In einem Buch aus dem Jahr 1783 ist eine kryptografische Übungsaufgabe abgebildet. Die Lösung ist nicht bekannt. Findet sie ein Leser?
Der Übergang zwischen Kryptologie und Magie war einst fließend. So versprach man sich bis in die Renaissance von einer Verschlüsselung oft eine magische oder religiöse Wirkung. Man glaubte, mithilfe verschlüsselter Botschaften mit Engeln und anderen spirituellen Wesen kommunizieren zu können.
Einen Höhepunkt fand die magische Kryptografie in Form des Buchs De occulta philosophia libri tres, das von dem bereits damals umstrittenen Gelehrten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535) verfasst wurde. Dieses Werk beschreibt (neben vielen nichtkryptografischen Dingen) diverse Geheimschriften, darunter die folgende:
Agrippa von Nettesheim hatte offenbar ein gewisses Verständnis für Kryptografie (wenn auch nur ein oberflächliches). Andererseits ist das Buch voll von esotrischem Ballast. Insgesamt wirkt De occulta philosophia libri tres recht kümmerlich, wenn man es mit einigen anderen Kryptografie-Büchern vergleicht, die in der Renaissance entstanden sind. Die besten Kryptologen gab es damals in Italien, und es dauerte eben seine Zeit, bevor deren Wissen über die Alpen nach Norden gelangte.
Neben dem Verschlüsseln galt oftmals auch das Codeknacken als eine esoterische Kunst. So mancher Dechiffrier-Experte gab vor, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. In Wirklichkeit knackte er Verschlüsselungen mit den heute noch gängigen Werkzeugen wie dem Zählen von Buchstaben oder dem Erraten von Wörtern.
Von derartigen Codeknacker-Scharlatanen berichtet der Mathematiker und Physiker Christlieb Benedict Funk (1736-1786) in seinem Buch Natürliche Magie oder Erklärung verschiedner Wahrsager- und Natürlicher Zauberkünste. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Kryptografie-Buch, sondern um ein Anti-Esoterik-Buch. Funk berichtet darin über Astrologie, Wünschelruten, Wahrsagerei und allerlei anderen esoterischen Unsinn und erklärt, welche profanen Erklärungen dahinter stecken. Als alter Skeptiker und GWUP-Mitglied finde ich es geradezu sensationell, wie Funk bereits vor über 200 Jahren allerlei Humbug entlarvte, der oftmals heute noch praktiziert wird.
Ein Kapitel in Funks Buch ist der “Dechifrirkunst” gewidmet.
Laut Funk ist das Dechiffrieren weder schwer zu erlernen, noch von besonderm Nutzen. Vor allem Letzterem möchte ich zwar widersprechen, aber ansonsten hat Funk natürlich Recht: Das Dechiffrieren hat nichts mit Magie zu tun, sondern beruht auf durchaus diesseitigen Techniken. Damit der Leser diese Techniken gleich einmal ausprobieren kann, gibt Funk einen verschlüsselten Text zum Selberlösen an. Hier ist er:
Findet ein Leser die Lösung? Die Aufgabe sollte nicht ganz so schwierig sein. Falls doch, hätte ich einen Tipp: Man versuche es mit Magie.
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Zum Weiterlesen: Wie ein Mathematiker das Rätsel des Buchs Soyga löste
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