Verschlüsseln Frauen anders als Männer? Diese Frage ist meines Wissens bisher noch nie genauer untersucht worden. Dabei könnte das eine oder andere ungelöste Verschlüsselungsrätsel von einer Frau stammen.
Frauen spielen in der aktuellen Kryptologie eine bedeutende Rolle. Deutsche Kryptologinnen wie Tanja Lange oder Birgit Pfitzmann haben weltweit beachtete Forschungsarbeiten veröffentlicht. Bereits etwas früher konnte die US-Amerikanerin Elizebeth Friedman (1892-1980) als Codeknackerin Erfolge feiern. Auch im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg mischten Frauen in der Kryptologie mit. Bekannte Herrscherinnen wie Maria Stuart oder Marie-Antoinette verschlüsselten ebenfalls.
Heute sollen uns jedoch Frauen interessieren, die sich eigene Verschlüsselungsverfahren ausdachten, ohne besonders dafür qualifiziert zu sein. Beispiele dafür gibt es einige:
- Die Frauen-Geheimorganisation “Association of Maiden Unity and Attachment” ließ 1835 und 1850 je ein verschlüsseltes Buch drucken (Nummer 00006 und 00007 in meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Anne Lister (1791-1840), die “erste moderne Lesbe”, führte ein teilweise verschlüsseltes Tagebuch (Nummer 0034 in meiner meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Elisabeth Van Lew (1818-1900) führte ebenfalls ein verschlüsseltes Tagebuch (Nummer 00048 auf meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Die Kinderbuch-Autorin Beatrix Potter führte ein verschlüsseltes Tagebuch (Nummer 00020 auf meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Eine Frau namens Loretta verschlüsselte ihr Tagebuch (Nummer 00024 auf meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Die Großmutter von Janna Holm verschlüsselte Gebete.
- Ein britisches Mädchen verschlüsselte ihr Tagebuch (Nummer 00047 auf meiner Liste der verschlüsselten Bücher).
- Die rätselhafte Isdal-Frau verschlüsselte ihre Aufzeichnungen.
In allen Fällen geht es um Frauen, die Tagebuchaufzeichnungen oder andere persönliche Informationen verschlüsselten, um sie vor ihrer unmittelbaren Umgebung zu schützen. Die angewendeten Verschlüsselungen waren oft primitiv und leicht zu knacken.
Eine Frage drängt sich nun auf: Verschlüsseln Frauen anders als Männer? Falls ja, sollte man ungelöste Kryptogramme wie das Voynich-Manuskript oder den Codex Rohonci einmal unter diesem Aspekt untersuchen – schließlich könnte die Verschlüsselung von einer Frau stammen. Allerdings hat sich bisher meines Wissens niemand mit dieser Frage beschäftigt.
Die obigen Beispiele reichen sicher nicht für eine genaue Untersuchung aus. Einige Dinge fallen jedoch auf: Die Bücher der “Association of Maiden Unity and Attachment” sind mit einer Methode verschlüsselt, die nicht eineindeutig ist (das sollte ein verschlüsselungsverfahren eigentlich sein). Außerdem sehen diese Werke für einen unbedarften Betrachter wie fremdsprachige Romane aus – dies dürfte eine bewusste Tarnung sein. Beatrix Potter hat für ihre Verschlüsselungsmethode ein eigenes (recht eigenwilliges) Alphabet erfunden. Weder Lister noch Potter noch Van Lew verwendeten eine Kurzschrift, was ansonsten bei verschlüsselten Tagebüchern in dieser Zeit recht häufig vorkam (dies dürfte daran liegen, dass Kurzschriften damals nicht zum üblichen Bildungsrepertoire von Frauen gehörte).
Fällt sonst jemandem etwas auf? Kennt jemand weitere Verschlüsselungen von Frauen, die in diesem Zusammenhang interessant sind? Über entsprechende Hinweise im Diskussionsforum würde ich mich freuen.
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Zum weiterlesen: Verschlüsselte Zeitungsanzeigen, Teil 4: Mysteriöse Anzeige aus der Times entschlüsselt
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