Tanzende Schweine stehen für eines der größten Probleme in der Verschlüsselungstechnik. Weil viele Internet-Nutzer es nicht schaffen, ihren inneren Schweinehund zu überwinden.
Nehmen wir einmal an, Sie browsen durchs Internet und plötzlich bekommen Sie folgende Meldung angezeigt:
Sie haben also die Möglichkeit, ein paar tanzende Schweine zu bewundern, was etwas Abwechslung in den grauen Computer-Alltag bringt. Sie klicken auf “OK”, und danach kommt folgendes Fenster:
Es besteht also eine gewisse Gefahr, dass die tanzenden Schweine einen Virus oder sonst etwas Schadhaftes enthalten. Klicken Sie die Schweine weg? Oder wollen Sie sich die kurze Tanzshow nicht entgehen lassen.
Viele Anwender ignorieren eine solche Warnung und gönnen sich die tanzenden Schweine. Dies ist symptomatisch für eines der größten Probleme in der Kryptografie (und der IT-Sicherheit allgemein): Sicherheitsmaßnahmen werden oft als lästig empfunden, und selbst für eher unwichtige Dinge nehmen viele Sicherheitsrisiken in Kauf. Man spricht hierbei auch vom “Dancing-Pig-Phänomen”. Der Begriff wurde von Edward Felten und Gary McGraw geprägt und später von Krypto-Papst Bruce Schneier übernommen.
Meines Wissens hat es bisher noch nie einen empirischen Versuch gegeben, der das Dancing-Pig-Phenomen belegt – aber es dürfte klar sein, dass etwas Wahres dran ist. Sollte das Dancing-Pig-Phänomen eines Tages genauer untersucht werden, dann schlage ich vor, das Experiment zusätzlich auch in etwas abgewandelter Form durchzuführen. Ich würde (beispielsweise beim Hochfahren des PCs) ein Fenster mit folgendem Inhalt einblenden lassen:
Der Anwender kann sich also zwischen wichtigen Sicherheitshinweisen und tanzenden Schweinen entscheiden. Ich wette um den Inhalt eines Sparschweins, dass die meisten Anwender den Schweinetanz bevorzugen.
Letztendlich zeigen die tanzenden Schweine, dass psychologische und ergonomische Aspekte in der IT-Sicherheit immer noch vernachlässigt werden. Zwar gibt es längst Verschlüsselungsverfahren, die eine Sicherheit bis zum Ende des Universums bieten, doch diese nützen wenig, wenn sie nicht oder nicht richtig eingesetzt werden. Diese Tatsache kann man sogar als Grundlagenkrise der Kryptografie bezeichnen – ich habe schon einmal darüber berichtet (Teil 1, Teil 2). Und was schließen wir daraus: Wenn Computer-Anwender ihren inneren Schweinehund nicht überwinden können, müssen es die Entwickler von IT-Sicherheitslösungen tun und der Psychologie einen breiteren Raum einräumen.
Follow @KlausSchmeh
Zum Weiterlesen: Der folgenschwerste Laptop-Diebstahl der Geschichte
Kommentare (11)