Nach dem Zweiten Weltkrieg verschenkten die Briten erbeutete Enigma-Exemplare nach Israel. Sie wussten, wie man die Enigma knackt.

Die Briten knackten im Zweiten Weltkrieg die deutsche Chiffriermaschine Enigma – das dürfte den meisten Lesern bekannt sein. In der Literatur kann man außerdem folgendes nachlesen: Nach dem Krieg verscherbelten die Briten erbeutete Enigma-Exemplare an verschiedene Staaten in Afrika und dem nahen Osten. Natürlich spekulierten sie darauf, dass sie die damit verschlüsselten Funksprüche dechiffrieren konnten.

Enigma-2

Während des Krieges waren den Briten etwa 170 Enigma-Exemplare in die Hände gefallen, eventuell kamen nach Kriegsende weitere dazu (da insgesamt etwa 30.000 Enigmas gebaut wurden, überrascht diese hohe Zahl nicht). Es dürfte der britischen Regierung daher nicht schwergefallen sein, genügend Maschinen für die Lieferungen nach Afrika und Nahost aufzubringen. Zwei Dinge haben mich an dieser Geschichte allerdings immer irritiert:

  • In Museen, bei Sammlern und in Auktionsangeboten ist mir noch nie eine Enigma aufgefallen, die aus Afrika oder dem nahen Osten stammt. Dabei werden heute für Enigmas aberwitzige Preise bezahlt (im April erzielte ein Gerät bei einer Auktion einen Preis von 269.000 US-Dollar). Hatte man in den betreffenden Ländern alle Enigmas entsorgt, bevor sie wertvoll wurden?
  • Mir ist nicht klar, wie die Briten nach dem Krieg das Knacken einer Enigma-Nachricht bewerkstelligten. Schließlich ließ Winston Churchill bei Kriegsende alle Knackmaschinen (Turing-Bomben) demontieren und alle Unterlagen vernichten – so wird jedenfalls berichtet. Ohne diese Maschinen und das schriftlich festgehaltene Know-how dürfte es den Briten schwergefallen sein, Enigma-Funksprüche zu dechiffrieren. Haben die Briten vielleicht doch einige Turing-Bomben behalten? Existieren diese vielleicht sogar heute noch?

Nach einem Hinweis des Blog-Lesers George Lasry bin ich nun wenigstens im ersten Punkt etwas schlauer. Laut einem Bericht der israelischen Online-Zeitung Ynet verschenkten die Briten nach dem Krieg 30 Enigma-Exemplare nach Israel. Laut George Lasry sind einige dieser Enigmas in israelischen Miliär-Einrichtungen öffentich ausgestellt. Dies ist das erste Mal, dass ich etwas über den Verbleib einer Afrika- oder Nahost-Enigma erfahre.

Anscheinend ging der britische Plan, den Israelis unsichere Enigmas unterzujubeln, nicht auf. Schuld daran war ein britischer Jude namens Joseph Gillis (1911-1993), der während des Kriegs in Bletchley Park an der Entschlüsselung der Enigma mitgearbeitet hatte. 1948 wanderte er nach Israel aus. Dort bekam er Wind vom britischen Geschenk und warnte die israelischen Behörden. Die Enigma kam dadurch in Israel nie zum Einsatz.

Joseph Gillis zählt heute zu den bekanntesten israelischen Computer-Pionieren. Dass er sich durch seine Warnung um die israelische Kryptografie verdient gemacht hat, ist weniger bekannt.

Zum Weiterlesen: Enigma-Nachricht entschlüsselt, die kurz nach Hitlers Tod versendet wurde

Kommentare (4)

  1. #1 Krypto
    3. Juni 2015

    Das ist doch eine schöne Anekdote zur Evolution des Trojaners 🙂

  2. #2 CM
    3. Juni 2015

    Ich habe mich gefragt: Hätten die Briten selbst mit den alten Knackmaschinen effizient Enigma-Codes knacken können? Die alte Manschaft war aufgelöst, das effiziente Knacken beruhte vor allem auf Fehler in der Handhabung (z. B. Wiederholung von Tages-Phrasen, zu wenig Walzentausch, etc.). Wenn neue Anwender auch nur etwas cleverer zu Werke gingen, wäre das Knacken von Enigma-Codes mit den Mitteln der 50er doch extrem schwer geworden, oder?

  3. #3 joe
    Berlin
    4. Juni 2015

    Oh Sorry:

    > Als die Briten unsichere Enigmas nach Israel verschenkten.

    Kann man sichere Enigmas erwerben?

    Jörg

  4. #4 maunz
    6. Juni 2015

    > Kann man sichere Enigmas erwerben?

    Nein, aber man kann das Steckbrett verbessern, was angeblich die Russen mit den von ihnen erbeuteten Enigmas gemacht haben.