Das Deutsche Museum in München besitzt seit über 100 Jahren ein Verschlüsselungswerkzeug, dessen Funktionsweise nicht klar ist. Jetzt hat das Museum auf seiner Web-Seite um Unterstützung bei der Untersuchung dieser Vorrichtung gebeten.

Das Deutsche Museum in München beherbergt eine der größten Kryptologie-Sammlungen in Europa. Ich war schon mehrfach dort und habe dabei auch das folgende Verschlüsselungswerkzeug fotografiert, das den Tarnnamen “Kästchen mit Rechenstäben” trägt:

Deutsches-Museum

Bisher habe ich mir über diese Vorrichtung wenig Gedanken gemacht, zumal man viele Details des Ausstellungstücks nicht erkennen kann.

Offenbar weiß man im Deutschen Museum nicht so recht, wie dieses Werkzeug verwendet wurde. In einem Blogartikel mit dem Titel “Codeknacker gesucht” hat Museumsmitarbeiter Benjamin Mirwald nun einen Aufruf gestartet (danke an Ralf Bülow für den Hinweis): Wer sich auf die Funktionsweise der “Rechenstäbchen” (die in Wirklichkeit wohl “Verschlüsselungsstäbchen” sind) einen Reim machen kann, der möge sich melden.

Unter anderem heißt es in dem Artikel: “Der Kasten besitzt 24 Fächer, die jeweils 6 Holzstäbe aufnehmen können. Damit ist Platz für 144 Stäbe, allerdings sind nur 143 vorhanden. Die Stäbe sind jeweils auf beiden Seiten mit Papier beklebt. Ganz oben ist ein Buchstabe des Alphabets vermerkt, darunter dann die folgenden Buchstaben mit je einer Zahl versehen. Es sind jeweils sechs identisch codierte Stäbchen für jeden Buchstaben vorhanden. Die Buchstaben J und U fehlen, vermutlich wurden J und I sowie U und V gleichbedeutend behandelt. Ebenso fehlen die Umlaute. Die Stäbchen sind alphabetisch nach den 24 Buchstaben geordnet im Holzkasten einsortiert.”

Selbstverständlich würde ich über Klausis Krypto Kolumne dem Deutschen Museum gerne Amtshilfe leisten. Falls also ein Leser eine Idee hat, wie das Gerät funktioniert, würde ich mich über entsprechende Kommentare freuen.

Zum Weiterlesen: Kuriose Verschlüsselungsmaschinen, Folge 7: Die rätselhafte Schwester der Enigma

Kommentare (22)

  1. #1 Schenk T.
    Berlin
    25. Juni 2015

    Altlatain 24 Buchstaben ca.1700
    Der Rest ist wie Schiffeversenken 🙂 also
    A1-6, B1-6 C1-6 u.s.w

    Von rechts nach links so würde ich es machen.

  2. #2 Jakub
    25. Juni 2015

    Könnte mir vorstellen, dass es einfach 24 Schlüssel gibt, wo jeweils 6 gleiche Schlüssel einsortiert sind.(monoalphabetische Substitution)

    Der Kasten ist eine Truhe, wo alle Schlüssel gelagert wurden.

  3. #3 Max Baertl
    25. Juni 2015

    Vielleicht sollen die Stäbchen eine Vigenere Verschlüsselung erleichtern, indem die Stäbchen entsprechend dem Schlüsselwort aneinander gelegt werden, und man so weiß welches Verschlüsselungsalphabet für den jeweiligen Klartextbuchstaben zu Verwenden ist.

  4. #4 joe
    Berlin
    25. Juni 2015

    Guten Tag, stark anzunehmen ein Vigenere. 24 Fächer mit Stäbchen auf denen 24 Buchstaben samt Substitutions- Additionsziffern stehen. Das Schlüsselwort für das Vigenere wird maximal 24 Zeichen lang sein und die entsprechenden Fächer beschreiben. Es besteht auch die Möglichkeit das auch einige Buchstaben nicht substituiert werden. Also das Vigenere enthält Klartextelemente. Z. B. bei einem Schlüsselwort von 20 Zeichen/Buchstaben.

  5. #5 Jakub
    25. Juni 2015

    Wenn es ein Vigenere Verschlüsselung ist, müssten doch mehrere solcher Kästen existieren…

  6. #6 Jakub
    25. Juni 2015

    Ok müssten nicht, man könnte halt immer ein 6 Zeichen langes Wort verwenden, als Bsp.

    Eine Nachricht braucht halt immer einen Sender und einen Empfänger. Deshalb wäre es auch Interessant zu wissen, ob es die einzige Truhe ist.

  7. #7 Joe
    Jena
    25. Juni 2015

    @Jakup: Lies mal den Blogartikel. Das Museum besitzt zwei Exemplare!
    So viele Details scheint es auch nicht zu geben. Ich hatte mir bei den abgebildeten herausragenden Stäbchen auch schon wirre Mechaniken vorgestellt, die irgendwie aus einem Buchstaben einen anderen machen. Aber das “Kästchen” ist scheinbar nur zur Aufberwahrung da.
    Wichtig ist das zweite Foto im angegebenen Blog mit einem Beispiel der Stäbchen X.
    Den Hinweis im Blog des Deutschen Museums, der sich auf den damaligen Papiermangel bezieht, finde ich wichtig. Von 6 identischen Stäben pro Buchstabe auf eine festgelegte Schlüsselwortlänge von 6 zu schließen, ist allerdings nicht sinnvoll. Das hieße, der Konstrukteur hätte auch für Fälle vorgesorgt, in denen das Schlüsselwort aus 6 mal demselben Buchstaben bestünde. Diese einfache Verschlüsselung versucht das Kästchen ja gerade zu ersetzen.
    Für wahrscheinlicher halte ich die Variante, dass ein Schlüsselwort nur unterschiedliche Buchstaben enthalten sollte, damit man es mit den obersten Buchstaben der Stäbe 6 mal hintereinander legen konnte (falls doch ein Buchstabe doppelt vorkam, dann hätte es nur noch 3 mal geklappt). Danach hätte man die Stäbe senkrecht so verschoben, dass der Originaltext in einer Zeile steht (quasi ein Vorläufer der M-138). Davon (oder von einer beliebigen Spalte darüber oder darunter) hätten man die Zahlen aufschreiben können. (Das Zahlen sich besser tarnen lassen, haben wir ja erst kürzlich gelesen, siehe 12.6.15 Donald Hill Tagebuch). Da 6 Sätze von Stäben zur Verfügung stehen, kann man bei einem Schlüsselwort mit 10 Buchstaben 60 Zeichen verschlüsseln ohne neu aufzubauen. Dieser Ansatz hat zwei Vorteile: er spart Papier und vermeidet Fehler.

  8. #8 Norbert
    25. Juni 2015

    Es wäre toll, wenn Benjamin Mirwald noch Fotos von ein paar anderen Stäben veröffentlicht – damit man sieht, ob die Zuordnung Buchstaben/Zahlen gleichbleibt oder je nach Schlüssel verändert wird.

    Ich denke, wer so etwas herstellt, der verschlüsselt im großen Stil (Regierungen/Feldherren), oder? Seltsam, dass man nicht mehr darüber weiß.

    Und ich würde #1 zustimmen, dass ein 24buchstabiges Alphabet eigentlich deutlich älter sein müsste als ca. 1850 (was Herr Mirwald als Herstellungsdatum angibt). Bin aber kein Fachmann in diesen Dingen.

  9. #9 Tobias Schrödel
    25. Juni 2015

    Hallo Klaus,

    die Kisten erinnern mich sehr an zwei Kupferstiche in Caspar Schotts “Schola Steganographica” aus dem Jahr 1665. Da sind die Kisten zwar leer, es gibt aber weitere Kupferstiche mit vergleichbaren “Stangen”. Die Schola Steganographica behandelt u.a. die Vigenère Verschlüsselung.

    Sollte das passen, habe ich das Buch hier und kann es auch mal ins Deutsche Museum bringen.

    Viele Grüße,
    Tobias

    Habe die Kupferstiche mal abfotografiert:
    https://sichere.it/download/schott_1.jpg
    https://sichere.it/download/schott_2.jpg
    https://sichere.it/download/schott_3.jpg

    • #10 Klaus Schmeh
      28. Juni 2015

      Vielen Dank Tobias, das sieht nach der richtigen Lösung aus.
      Wer es noch nicht weiß: Tobias Schrödel ist der wohl bedeutendste Experte überhaupt für historische Kryptografie-Bücher. Seine Web-Seite zum Thema ist eine wahre Fundgrube: https://www.sichere.it/crypto_books.php.

  10. #11 Joe
    Berlin
    25. Juni 2015

    Hallo Tobias,

    passt.

    !!

  11. #12 JensL
    Chemnitz
    25. Juni 2015

    Man sieht ja leider nicht genau wie auf den anderen Stäben die Buchstaben Zahlen haben. Meine Idee dazu wäre wenn ich zB das MUSEUM verschlüsseln will, einfach wahllos Stäbe auf dem Kasten der Anzahl der Buchstaben nach zu nehmen, also 6 (zB ABCDEF) und dann die Buchstaben einfach nach dem Wort codieren mit dem „Stabbuchstabe“ und der Zahl des zu codierenden Buchstaben:

    Beispiel:

    MUSEUM

    A3 B6 C22 D7 C12 D21 E17 F8

    Was natürlich nicht stimmt, da ich die Zahlen der Buchstabenstäbe nicht kenne. Schön ist auch, dass man gleiche Buchstaben auch eliminiert.

    Das decodieren würde dann halt umgedreht gehen. Man nimmt den Stab des Buchstaben-Codes und schaut nach der Zahl um den Buchstaben der Nachricht zu erhalten.

    Nur so eine Idee 🙂

  12. #13 Max Baertl
    25. Juni 2015

    Tobias Idee scheint zu Stimmen, dieses Bild aus der “Schola Steganographica” hat große Ähnlichkeit mit den Stäbchen aus der Kiste des Deutschen Museums.
    Link: https://www.collaborations.com/Ebay/stegano10.jpg

  13. #14 Max Baertl
    25. Juni 2015

    Wenn die Kiste tatsächlich mit der “Scholar Steganographica” zu tun hat ist die Kiste samt Inhalt wohl viel älter als von Herrn Mirwald angenommen.

  14. #15 Ralf Bülow
    26. Juni 2015

    Vielleicht mal dem Deutschen Museum Bescheid sagen – das hat nämlich die “Schola Steganographica” in seiner Bibliothek (Signatur 3000/1927 A 560 libri rara)

  15. #16 Jakub
    26. Juni 2015

    Mir gefällt die Idee von Tobias.
    Fotos von weiteren Stäbchen wären echt cool.

    Gegen “Mitnehmschlüssel” spricht dagegen, dass fast alle Stäbchen vorhanden sind (vielleicht ist das fehlende Stäbchen, dass wichtigste^^) und es mehrere Kisten gibt.

    @Max: Was gegen ein hohes Alter sprechen würde, ist der Schlüssel auf dem “Rechenapparat 143” steht. Würde es jemand als Rechenapparat tarnen wollen, müssten Rechenapparate schon geläufig sein. Die ältesten Serien in Europa (google suche) dürften erst in den 1870er eine nennenswerte Zahl an produzierten Rechnern erreicht haben.
    https://history-computer.com/CalculatingTools/gadgets.html

    Ich glaube, dass es erst später als 1850 (wie vom Museum vermutet) produziert worden ist und da es 1905 ans Museum übergeben wurde, nicht lange im Einsatz war.

  16. #17 Richard SantaColoma
    27. Juni 2015

    I also think that Tobias may have found the proper device. It would be interesting to hear what the museum thinks of this connection.

  17. #18 Benjamin Mirwald
    München
    29. Juni 2015

    Liebe Kollegen,

    danke für die vielen wertvollen Hinweise! Tatsächlich gleichen unsere Stäbe und der Kasten sehr stark den in Schotts Schola Steganographica oft gezeigten Spalten aus Chiffrieralphabeten. Zwei weitere Bilder zur Illustration:
    https://www.dropbox.com/sh/m7fqhex8u0frm6v/AABeiO5i6WItsQ5TVKd_yRnaa?dl=0

    Schotts Werk konnte ich in unserer Bibliothek einsehen, habe aber leider nicht die Zeit, alle relevanten Passagen zu übersetzen. Die Volltexte sind immerhin digitalisiert, die Tafeln fehlen aber in allen von mir gefundenen PDFs. So habe ich es verstanden: Er bezieht sich in Kap. II und III (Classis Secunda und Tertia) auf Verschlüsselungsmethoden, die er von Athanasius Kircher übernommen hat. In Classis Secunda beschreibt Schott das Ersetzen von Buchstaben durch vereinbarte Kurztexte. Auch dafür schlägt er schon einen Kasten mit Stäben darin (“ARCA GLOTTOTACTICA”) vor (Abbildung = ICONISMUS I zu S. 27).In Classis Tertia wird dann die Verschlüsselung mit verschobenen Alphabeten vorgestellt (“Cryptographia per Abacum Numeralem”)
    Die aus meiner Sicht am wahrscheinlichsten zu unserern Stäbchen gehörigen Vorlagen für Chiffrierstäbe sind abgebildet auf “TABULA STEGANOGRAPHICA INDISSECTA” (zu S. 88), wobei für die Stäbe wieder ein Setzkasten (“ARCA STEGANOGRAPHICA Ponatur è regime pag. 91”, zu S. 91) genutzt werden kann.
    Die Benutzung beschreibt Schott auf S. 91-104. Ebenso wird hier gezeigt, wie verschlüsselte Botschaften durch das Nebeneinanderlegen von Stäben zu lesen sind (S. 111-116 und “Tabella Steganographica variè combinata” zu S. 114)
    Ich vermute stark, dass dies das Verfahren ist, für das die Stäbe hergestellt wurden!

    Ein Geheimtext wurde demnach mit Hilfe der Stäbe so verschlüsselt dass er einen gleich langen Text ergab, den der Sender erfand. Dieser irreführende Text wurde übermittelt, zusätzlich mussten den einzelnen Buchstaben entsprechende Zahlen (also der Schlüssel, den der Sender mit den Stäben ermittelt hatte) irgendwo in der Nachricht versteckt werden. Schott empfiehlt, die Zahlen etwa als Datumsangaben oder als Mitteilung astronomischer Koordinaten zu tarnen. Das Lesen der Nachricht funktionierte nur dann, wenn dem Empfänger die gleichen Chiffrierstäbchen zur Verfügung standen.Schott beschreibt in weiteren Kapiteln noch einmal kompliziertere Verschlüsselungs- und Versteckverfahren. Bei diesen sind die Zahlen aber etwas unregelmäßiger in den Alphabetspalten gereiht als auf den Stäben von Inv.-Nr. 1474.

    Ich hoffe dass ich das Verfahren trotz der begrenzten Zeit, die ich Schott widmen konnte, hier einigermaßen richtig beschrieben habe. Falls hier aus dem Leserkreis Verbesserungen vorgeschlagen werden, freue ich mich aber sehr darauf!Meinen Blogartikel werde ich dann zu gegebener Zeit natürlich etwas überarbeiten.

    Soweit die besten Grüße aus München,
    Benjamin Mirwald

  18. #19 Norbert
    18. Dezember 2015

    Zwei ergänzende Anmerkungen:

    Erfinder der Arca Steganographica war nicht Schott, sondern Athanasius Kircher, der sie 1663 in “Polygraphia nova” beschrieb. Bereits im selben Jahr wurden Exemplare davon für Herzog August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel hergestellt. Caspar Schott bezog sich in “Schola Steganographica” von 1665 unmittelbar auf Kirchers Arbeiten, was kaum verwundert, denn er war laut Wikipedia dessen Mitarbeiter und Bewunderer 🙂 Siehe

    https://www.hab.de/ausstellungen/kircher/elemente/v2-002.jpg

    https://books.google.de/books?id=83jbPkVkldAC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q=Arca%20Steganographica&f=false

    Ebenfalls interessant: ein weiteres Exemplar der Arca Steganographica, welches demjenigen im Deutschen Museum ausgesprochen ähnlich sieht, befindet sich im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig (Kos 1456).

  19. #20 michanya
    27. Oktober 2016

    … das System erinnert mich an das ORGELSPIELEN – hier muss man auch die REGISTER wie STÄBE ziehen damit der richtige Ton raus kommt …

    … der Ton macht die Musik – biotec4u

  20. #21 michanya
    5. November 2016

    … hier gibt es einen JOHN NAPIER Anno 1617 – der mit seinen RECHENSTABEN – siehe auch NEPERIANISCHER RECHENSTABEN Ulm 1714 – Landesmuseum Baden-Württemberg. Ein Herr Wilhelm Schickard Anno 1592 Tübingen hat hier seine RECHENMASCHINE weiter entwickelt.

    Gerne geholfen – biotec4u

  21. #22 michanya
    5. November 2016

    … übrigens auch INTERESSANT – wen man die jahreszahl 1617 vertauscht zu 1716 – dann kommt man zu dem BERNSTEINZIMMER des zaren peter I. – hier gibt es ja auch viele vermutungen – wo es versteckt ist.

    Und BERNSTEIN – ist ja das ERSTE ELECTRON – albert einstein stehen ja die haare zu berge und Hollundermark kugel werden angezogen beim reiben mit katzenfell.

    Und mister leonard BERNSTEIN war ja musiker und klavier virtuose mit vielen kompinationen – auch klassik CATS.

    Und der ARONstab war auch der GRÜNE lebendige stab in der Bundeslade. GOTTES Batteriekiste als geheime ladestation – und in der GENETIK wird ja auch die sequenz mit mikrostrom zum LEBEN erweckt.

    Rechnen ist auch LEBEN mit ABAKUS – biotec4u