Schon vor 1.000 Jahren wurde in Deutschland verschlüsselt. Das zeigt die verschlüsselte Signatur des Abts Ellinger vom Tegernsee.
Das Mittelalter zählt normalerweise nicht zu den spannendsten Epochen der Kryptologie-Geschichte. Zwar wurde in dieser Zeit durchaus bereits verschlüsselt, doch die damals verwendeten Verfahren waren schwach und zeugen von wenig Sachverstand. Erst in der Renaissance nahm die Kryptologie so richtig Fahrt auf.
Stößt man im Internet oder in der Fachliteratur auf Verschlüsselungen, dann stammen diese zu schätzungsweise 99 Prozent aus der Zeit nach dem Mittelalter. Dies liegt zum einen daran, dass damals noch eher wenig verschlüsselt wurde, zum anderen ist aus dieser Zeit weniger erhalten geblieben als aus späteren Jahrhunderten.
Trotz allem bin ich in einem US-Blog namens Manuscript Road Trip kürzlich auf ein Beispiel für mittelalterliche Verschlüsselung gestoßen. Sie stammt von Ellinger von Tegernsee (um 978-1056).
Ellinger von Tegernsee wurde laut dem Ökumenischen Heiligenlexikon 1017 Abt des Benediktinerklosters Tegernsee. Er führte das Kloster zu großer Blüte. Er erneuerte die Schule, die Bibliothek und die Schreibstube und war außerdem selbst als Schreiber und Buchmaler tätig. 1041 wurde er ins Kloster Niederaltaich verbannt, wo er weiter kunstvolle Handschriften fertigte sowie als Buch- und Freskenmaler tätig war. Ellinger wurde 1236 seliggesprochen.
Ellinger beschäftigte sich auch mit dem Thema Verschlüsselung. Dies verwundert nicht, denn in der Kryptologie-Geschichte wimmelt es nur so von vielseitig interessierten und begabten Gelehrten, die sich nebenbei auch für die Verschlüsselungstechnik interessierten. Allerdings ist Ellingers (erhalten gebliebener) Beitrag zur Kryptologie nicht besonders umfangreich und besteht gerade einmal aus einer verschlüsselten Signatur. Diese sieht wie folgt aus:
Ich würde das so transkribieren:
fllknghr scrlpsmn nstbm glqsem
Der besagte Artikel auf Manuscript Road Trip gibt nicht an, wie sich dieses Kryptogramm entschlüsseln lässt. Per Google fand ich dann allerdings andere Web-Seiten, auf denen der folgende Klartext gegeben wird:
Ellinger scripsit istam glossam
Dies bedeutet “Ellinger schrieb dieses seltsame Wort”. Leider ist mir nicht ganz klar, wie Ellinger beim Verschlüsseln vorgegangen ist. Einige Buchstaben hat er wohl unverändert gelassen, andere im Alphabet um ein paar Stellen verschoben. Gibt es eine Regel, die er genutzt hat, oder war das alles willkürlich? Vielleicht kann ein Leser mehr erkennen.
Interessant ist auch die Frage, warum Ellinger diesen Satz verschlüsselte. Wollte er, dass seine Urheberschaft nicht unmittelbar erkennbar ist? War die Verschlüsselung nur eine Spielerei? Oder versprach sich Ellinger – wie viele andere im Mittelalter – vom Verschlüsseln eine magische Wirkung?
Ellinger von Tegernsee wurde zwar selig, bisher aber nicht heilig gesprochen. Ich finde, auf Grund seiner Verdienste um die Kryptologie sollte die katholische Kirche eine Heiligsprechung in Erwägung ziehen 😉
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Zum Weiterlesen: Wer knackt die verschlüsselte Botschaft eines dänischen Generals?
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