In den Dreißiger-Jahren benötigte ein Eisenbahn-Ingenieur einen Arier-Nachweis. Auf einer Notiz dazu findet sich eine Botschaft in Kurzschrift, deren Inhalt man nur versteht, wann man das Gabelsberger-System beherrscht.
“Meine Großeltern schrieben sich gegenseitig Kurznachrichten in Gabelsberger-Steno, wenn nicht jeder (vor allem die Kinder), das Geschriebene sofort lesen können sollte”, schrieb mir vor Kurzem Blog-Leser Gert Brantner. Ein Beispiel hat mir Herr Brantner gleich mitgeschickt.
Brantner-Kurzschrift-2
Weiter schreibt Herr Brantner:
Mein Großvater war Ingenieur bei der Deutschen Reichsautobahn und lebte zuerst in Görlitz, dann bis 1937 in Dresden. Weil er und seine Frau Beamte waren und bleiben wollten, mußte er einen Arier-Nachweis für beide erbringen. Die Notizen oben befassen sich mit den Vorfahren seiner Frau in Freiberg/Mähren und Mährisch-Trübau. Unter einem Trennstrich findet sich die scheinbar hastig geschriebene Notiz:
Eichwalde bei Berlin
Spree Straße 7

Meinen Recherchen nach muss es sich dabei um den ehemaligen Bahnhof Eichwalde handeln, der die Görlitzer Bahn an das Berliner S- & Straßenbahn-Netz anschloß. Die Spreestraße liegt in Niederschöneweide
(per S-Bahn erreichbar). Darunter eine Notiz in Gabelsberger-Kurzschrift, die ich leider nicht entziffern kann.

Leider kann ich die Kurzschrift selbst auch nicht lesen. Kann ein Leser mit Gabelsberger-Kenntnissen weiterhelfen?

Zum Weiterlesen: Ungelöste Verschlüsselung aus dem 19. Jahrhundert: Bibliothek bietet 1000 Dollar Belohnung

Kommentare (13)

  1. #1 GabyRottler
    22. Oktober 2015

    Schwierig.
    Ich vermute:
    Arbeitstelle, … für … …forschung (?: es ist allerdings eher geschrieben als ge-vor-schung, daher ist meine Interpretation recht zweifelhaft).

    Vielleicht kann ja jemadn anderer mehr damit anfangen.

  2. #2 Gert Brantner
    Berlin
    22. Oktober 2015

    Vielen Dank für die Veröffentlichung! Gabelsberger Steno war schon zu der Zeit außer Gebrauch, in der die Notiz enstand. Gelehrt wurde sie noch um WK I und der Zwischenkriegszeit. Es ist eine kursive Schrift, was auch immer das im Bezug zu Kurzschriften bedeuten mag. Es gibt 4 Linienhöhen.. es ist ja nicht so, daß ich es nicht versucht hätte, aber ich komme da nicht weiter.
    Was ich herausfinden konnte:
    – Was wie ein zu groß geratenes Komma aussieht, könnte ein “f” sein.
    – Der Unterstrich könnte “ee” bedeuten.
    Angaben ohne Gewähr.. würde mich sehr über Hilfe freuen.

  3. #3 Gert Brantner
    Berlin
    22. Oktober 2015

    @GabyRottler: Das klingt schon mal sehr interessant. Das Gebäude Spreestraße 7 grenzt direkt an ein riesieges ehemaliges Industriegelände an. Zu DDR-Zeiten war es ein Walzwerk, was vorher dort passiert ist, konnte ich bislang nicht eruieren. Vielleicht saß da eine Forschungsabteilung für irgendwelche Baumaterialien.
    Mein Großvater war lt. Arbeitszeugnissen in der Bauleitung für den Abschnitt Dresden-Berlin zuständig, er war Brückenbau-Ingenieur, Trassenführung, Fahrbahnbelag etc.. Nachprüfen lässt sich das alles nur schwer, weil die RAB Behörde es nach dem WKII geschafft hat, Ihre Dokumentation beinahe vollständig “verschwinden” zu lassen.

  4. #4 Finn
    Fürth
    22. Oktober 2015

    Schade, dass meine Steno-Kenntnisse nicht so weit sind :/

  5. #5 GabyRottler
    22. Oktober 2015

    Ich bin zunächst mit meinen normalen Steno-Kenntnissen darangegangen ( so ganz verschieden ist es nicht).
    Hier habe ich eine Entzifferungsliste gefunden:
    https://db.biblhertz.it/noack/steno.xml
    Wenn ich etwas mehr Zeit habe, versuche ich mich noch einmal daran. Aber vielleicht hilft Ihnen die Liste ja bereits weiter.

  6. #6 fj
    blog.effjot.net
    22. Oktober 2015

    In der Facebook-Gruppe (Sorry!) „Stenos“ könnte vielleicht jemand weiterwissen.

    Oder mal bei der Forschungsstätte Bayreuth nachfragen.

  7. #7 GabyRottler
    22. Oktober 2015

    Gelöst:

    “Arbeitstelle für Sudetendeutsche Familienforschung”

    Beleg:
    “Im Jahre 1937 vorübergehend ansässig in Zeuthen-Miersdorf, Lindenring 32 (nahe Berlin) 23, fand die Familie erst in Eichwalde, Kreis Teltow, Spreestraße 7, einen Wohnsitz. Er errichtete und führte in Eichwalde die “Arbeitsstelle für Sudetendeutsche Familienforschung”
    https://www.sudetendeutsche-familienforscher.de/wp-content/uploads/2013/03/SFF-1983-Jahresheft.pdf

    • #8 Klaus Schmeh
      25. Oktober 2015

      Vielen Dank!!! Damit wäre das Rätsel gelöst. Ich frage mich, warum der Verfasser ausgerechnet “Arbeitstelle für Sudetendeutsche Familienforschung” in Kurzschrift geschrieben hat. Vermutlich einfach deshalb, weil es sich um einen langen, umständlichen Begriff handelt.

  8. #9 Gert Brantner
    Berlin
    23. Oktober 2015

    Danke! Also war es doch die andere Spreestraße und der Grund die nicht ganz freiwillige “Familienforschung”. Die Liste hatte ich auch, aber damit bin ich nicht weitergekommen.

  9. #10 GabyRottler
    26. Oktober 2015

    @Klaus Schmeh:
    Gern geschehen!
    Was die Kurzschriftzeile betrifft, vermute ich auch, dass es Bequemlichkeit war, da es in Sütterlin ausgeschrieben definitiv sehr viel länger gewesen wäre. Aber wer weiß, vielleicht steckt ja doch zusätzlich ein wenig Geheimniskrämerei dahinter. 😉

  10. #11 Gert Brantner
    Berlin
    26. Oktober 2015

    Meine Vermutung ist, daß der Schreiber mit der Familienforschung und dem Ausflug nach Berlin keine rechte Freude gehabt hat. Das Schriftbild ist viel hastiger als sonst, vielleicht wurde die Information am Telefon durchgegeben, und der Satz hätte sonst nicht mehr auf den Zettel gepasst.
    Es gibt im Nachlass noch Postkarten, die interessanteren Inhaltes sein dürften. Vielleicht erlerne ich es ja noch.

    • #12 Klaus Schmeh
      27. Oktober 2015

      >Es gibt im Nachlass noch Postkarten, die interessanteren Inhaltes sein dürften.
      Ich hätte nichts dagegen, noch die eine oder andere davon in diesem Blog zu veröffentlichen.

  11. #13 Jokep
    28. Oktober 2015

    Allen Steno-Interessierten kann ich übrigens noch diesen Link ans Herz legen: https://steno.tu-clausthal.de