Die britische Autorin und Politikertochter Lady Gwendolen Gascoyne-Cecil verschlüsselte eine (offensichtlich brisante) Passage in Ihrem Tagebuch. Der Klartext ist nicht bekannt.
Der britische Premierminister Robert of Salisbury (1830-1903) war mir zugegebenermaßen bisher kein Begriff. Daher wusste ich auch nicht, dass seine Tochter Lady Gwendolen Gascoyne-Cecil (1860–1945) ein Buch über ihn schrieb und dadurch zu einer gewissen Bekanntheit als Autorin kam. Ganz so bekannt dürfte sie aber doch nicht gewesen sein, denn ich konnte nur ein einziges Bild von ihr finden (Lady Gwendolen ist links dargestellt).
Blog-Leser Ralf Bülow hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass Lady Gewndollen ein interessantes Kryptogramm hinterlassen hat, das noch auf seine Lösung wartet. Die Quelle dafür ist das Buch Wilhelm II. des britischen Historikers John C. G. Röhl (hier ist die entsprechende Stelle).
Der verschlüsselte Tagebuch-Eintrag
Im Jahr 1888, das als Dreikaiserjahr in die Geschichte einging, schrieb Lady Gwendolen in ihrem (ansonsten unverschlüsselten) Tagebuch über eine Person, die sie als “465113, 49359” bezeichnete. Diese Person teilte Gwendolens Vater etwas Wichtiges mit, worauf dieser laut Tagebucheintrag wie folgt reagierte: “S[alisbury] konnte das kaum glauben und war noch mehr schockiert, als ihm klar wurde, dass 535611 58955.” Der Eintrag schließt mit den Worten: “S[alisbury] denkt 48355 36946 unfähig 497316 424219 & 47651–539620.”
Es ist nicht bekannt, was diese verschlüsselten Wörter bedeuten.
Als Lady Gwendolen diesen Tagebuch-Eintrag schrieb, war Kaiser Wilhelm I. (der erste der drei in diesem Jahr regierenden Kaiser) bereits verstorben. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich III. starb wenig später an Kehlkopfkrebs. War es die Nachricht über die schwere Krankheit des neuen Kaisers, die Salisbury schockierte? Das könnte passen, allerdings war Friedrich III. zum Zeitpunkt seines Amtsantritts bereits so schwer erkrankt, dass er nicht mehr sprechen konnte. Sein Leiden war daher eigentlich kein Geheimnis mehr. Im verlinkten Buch von Röhl findet man etwas mehr zu den Hintergründen.
Ist die Verschlüsselung lösbar?
Nach Lage der Dinge könnte Lady Gwendolen zum Verschlüsseln ein Codebuch verwendet haben. Dafür spricht (neben der Tatsache, dass Codebücher damals sehr verbreitet waren) die Tatsache, dass die Zahlenkolonnen für eine Buchstaben-Ersetzung recht kurz wirken. Vermutlich steht daher jede Zahl für ein ganzes Wort oder einen Ausdruck aus mehreren Wörtern. Das folgende Codebuch zeigt, wie dies damals gemacht wurde (statt Zahlengruppen enthält es Buchstabengruppen).
Vermutlich wird man das Gwendolen-Kryptogramm nur lösen können, wenn man das Codebuch findet. Oder hat jemand eine andere Idee?
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Zum Weiterlesen: Soldaten-Tagebuch nach 150 Jahren entschlüsselt
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