Olga Romanova, die Tochter des letzten Zaren, nutzte einen “Geheimcode” für ihr Tagebuch. In der Literatur zur Kryptologie-Geschichte wird dieser nirgends erwähnt.
Verschlüsselte Tagebücher sind ein spannendes Thema. Der Brite Samuel Pepys (1633-1703) zum Beispiel schrieb neun Jahre lang täglich seine Erlebnisse verschlüsselt nieder. Seit dieses Tagebuch im 19. Jahrhundert geknackt wurde, zählt es zu den Klassikern der englischen Literatur und ermöglicht einen faszinierenden Einblick in den Alltag der damaligen Zeit.
In meiner Encrypted Book List sind etwa zwei Dutzend weitere verschlüsselte Tagebücher enthalten. Beispielsweise hat die Kinderbuch-Autorin Beatrix Potter ein solches verfasst. Weitere Beispiele sind der Schwede Clas Livijn und der Italiener Antonio Marzi.
Bei einer Google-Suche nach weiteren Autoren verschlüsselter Tagebücher bin ich auf eine ziemlich prominente Kandidatin gestoßen: die Zarentochter Olga von Russland (1895-1918).
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Bitte vormerken: Am 8. Juni 2016 bin ich an einer spannenden Veranstaltung in Soest beteiligt: DIE CODEKNACKER.
Der Abend steht unter dem Motto “Faszinierend – Atemberaubend – Unterhaltsam”.
Hier gibt es die Details.
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Wie Sie sicherlich im Geschichtsunterricht gelernt haben, wurde der letzte Zar Nikolaus II. sowie seine Frau und seine fünf Kinder im Jahr 1918 von den Bolschewisten ermordet. Vier der Kinder waren Mädchen, nur der Jüngste (der designierte Thronfolger Alexei) war männlich.
Von den fünf Zarenkindern ist heute Anastasia die bekannteste. Dies liegt auch daran, dass später eine ehemalige polnische Fabrikarbeiterin mit einem gewissen Geschick behauptete, Anastasia zu sein und als einzige den Mord an der Zarenfamilie überlebt zu haben. Dass die angebliche Anastasia kein Russisch sprach, war nur eine von vielen Ungereimtheiten an dieser Geschichte, die 1995 mit einer DNA-Untersuchung endgültig als Schwindel entlarvt wurde.
Anastasias Schwester Olga war die älteste der fünf Kinder. Sie schrieb schon mit neun Jahren ein Tagebuch. Dieses ist für Historiker heute naturgemäß eine äußerst interessante Quelle.
Auf einer Webseite zur letzten Zarenfamilie steht folgendes:
When she wanted to write something private, Olga Romanov used a special code she devised – this is an example of this code. The Grand Duchess first started using these codes in her 1911 diary.
Nun frage ich mich: Handelt es sich hier wirklich um eine Verschlüsselung im kryptologischen Sinne, oder sind mit “Secret Code” nur ein paar Abkürzungen oder ungewöhnliche Formulierungen gemeint? Leider kann ich kein Russisch. Aber vielleicht kann mir ein Leser helfen. Gibt es vielleiccht sogar andere Quellen zum Geheimcode der Zarentochter Olga? In der gängigen Literatur zur Kryptologie-Geschichte gibt es dazu keine Informationen.
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Zum Weiterlesen: Das verschlüsselte Tagebuch eines Eremiten
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