Silk-Road-Gründer Ross Ulbricht musste gerade sein achtes Weihnachtsfest hinter Gittern verbringen. Aus diesem Anlass will ich einen Blick auf weitere Krypto-relevante Personen werfen, die derzeit langjährige Haftstrafen verbüßen.
English version (translated with Deepl)
Ende 2020 habe ich einen c‘t-Artikel über Ross Ulbricht, den ehemaligen Betreiber der illegalen Online-Handelsplattform Silk Road, veröffentlicht.
Ulbricht (Jahrgang 1984) wurde 2015 von einem US-Gericht zu zweimal lebenslänglicher Haft zuzüglich 40 Jahren verurteilt.
Ross Ulbricht
Besonders hart: Ulbrichts Strafe wurde als „Life without Parole“ (LWP) ausgesprochen. Das bedeutet, dass der Verurteilte nicht vorzeitig auf Bewährung entlassen werden darf. Nur der US-Präsident kann ihn begnadigen.
Für den Artikel habe ich ein Interview mit Ulbrichts Mutter Lyn (links im Bild, rechts seine Schwester) geführt, das aus Platzgründen nicht in der c’t abgedruckt wurde:
Frage: Können Sie uns über Ihre und Ross‘ Aktivitäten in den sozialen Medien (z.B. auf Facebook und Twitter) berichten?
Lyn Ulbricht: Ross schickt seine Nachrichten per Post an jemanden, der der Familie nahesteht, und diese Person postet für ihn. Alle Veröffentlichungen sind originale Worte von Ross. Wer sie liest, bekommt ein gutes Gefühl dafür, wer Ross wirklich ist.
Frage: Der Familienname „Ulbricht“ klingt deutsch. Hat Ross Vorfahren aus Deutschland?
Lyn Ulbricht: Ja, ein Teil von Ross‘ Familie stammt aus Dresden. In den 1820er Jahren sind zwei Brüder namens Henry und Herman Ulbricht von dort aus gemeinsam nach Texas ausgewandert.
Frage: Was können die Menschen in Deutschland tun, um Ross zu unterstützen?
Lyn Ulbricht: Unterzeichnen Sie die Petition auf Change.org und machen Sie andere auf diese aufmerksam. Spenden Sie für unseren Freiheitsfonds, verbreiten Sie die Botschaft in sozialen Medien, oder helfen Sie uns direkt. Wer möchte, kann uns unter info@freeross.org kontaktieren.
Frage: Viele Deutsche kritisieren die USA dafür, dass es dort noch immer die Todesstrafe gibt. Die deutlich weiter verbreitete Strafe „Life without Parole“ („lebenslänglich ohne Aussicht auf Bewährung“) kennen die meisten dagegen nicht. Sollten Politiker, die Presse und Menschenrechtsgruppen in Deutschland diesem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken?
Lyn Ulbricht: Ja, auf jeden Fall. Ross sagt dazu: „‚Life without Parole’ ist wie ein Todesurteil. Es dauert nur länger.“
Zum neuen Jahr habe ich die neueste Ausgabe eines Newsletters erhalten, denn Lyn Ulbricht mit ein paar Anhängern regelmäßig verschickt.
Der Fall Ross Ulbricht zeigt wieder einmal die zahlreichen Absurditäten im US-Rechtswesen auf. Seltsam ist beispielsweise, dass Ulbrichts Quasi-Nachfolger Blake Benthall, der Silk Road 2 in ähnlicher Form und mit größeren Umsätzen betrieb, praktisch straffrei ausgegangen ist. Der Grund dafür ist wohl, dass den US-Behörden der Aufwand für einen Prozess zu groß war und sie Benthall lieber als Zeugen gegen andere nutzten.
Bisher konnte mir niemand sagen, wie oft es vorkommt, dass ein US-Präsident einen „Life-without-Parole“-Häftling begnadigt – auch Ross Ulbrichts Mutter wusste dies nicht. Ich konnte überhaupt nur einen einzigen Fall dieser Art ausfindig machen, was angesichts der Vielzahl dieser Urteile nicht gerade Hoffnung macht.
Brian Regan
Der Ulbricht-Newsletter war für mich ein Anlass, zu überlegen, welche Krypto-relevanten Leute derzeit noch eine längere Haftstrafe in den USA absitzen. Dabei kommt mir zunächst der wegen versuchter Spionage verurteilte Brian Regan in den Sinn. Dieser nutzte verschiedene Verschlüsselungsverfahren, die das FBI teilweise vor einige Probleme stellten.
Informationen zu Brian Regan und seinen Verschlüsselungsverfahren gibt es in diesem Focus-Online-Artikel von mir sowie in dem äußerst lesenswerten Buch The Spy Who Couldn’t Spell von Yudhijit Bhattacharjee.
Brian Regan wurde 2001 verhaftet und hat soeben sein 20. Weihnachten im Gefängnis erlebt. Im Gegensatz zu Ross Ulbricht hat er keine Unterstützer, die eine Webseite betreiben oder Unterschriften für seine Begnadigung sammeln.
Auch Regan wurde zu „Life without Parole“ verurteilt, muss also damit rechnen, den Rest seines Lebens im Geängnis zu verbringen. Sein (gescheiterter) Versuch, Staatsgeheimnisse an Lybien oder den Irak zu verkaufen, war zwar reichlich dämlich, dennoch finde ich die Strafe zu hart.
Robert Hanssen
Im Gegensatz zum Möchtegern-Spion Brian Regan hat Robert Hanssen (Jahrgang 1944) als Geheimnisverräter einen enormen Schaden angerichtet. 22 Jahre lang verkaufte der FBI-Mitarbeiter und Spionageabwehr-Spezialist geheime Informationen an den russischen Geheimdienst und lieferte dabei zahlreiche US-Agenten ans Messer. Dafür kassierte Hanssen 1,4 Millionen Dollar sowie eine nicht genau bekannte Anzahl von Diamanten.
Als praktizierender Katholik und Familienvater erregte Hanssen lange keinen Verdacht, zumal er sehr vorsichtig agierte und mit dem vielen Geld, das er erhielt, sparsam umging. 2001 wurde er schließlich doch enttarnt. Seine Verhaftung ist auf einem kurzen Video festgehalten:
Hanssen wurde zu einer 15-fachen lebenslänglichen Hafstrafe (ebenfalls „Life without Parole“) verurteilt. Vor seiner Verhaftung gelang es den FBI-Ermittlern, verschlüsselte Daten auf Hanssens Handheld-Computer zu dechiffrieren, was wichtiges Beweismaterial lieferte.
Seltsam finde ich, dass Robert Hanssen seine Strafe im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis in Florence (Colorado) absitzen muss. Dort sind sonst vor allem gewalttätige Schwerverbrecher und Bandenmitglieder inhaftiert. Vielleicht wollte man den Spion durch diese Maßnahme zusätzlich demütigen.
Harold Nicholson
Im gleichen Gefängnis wie Hanssen sitzt auch der Spion Harold Nicholson, obwohl auch dieser nie als gewalttätig aufgefallen ist. Über Nicholsons verschlüsselte Postkarten habe ich 2016 gebloggt.
Im Vergleich zu anderen Spionen hatte Nicholson Glück – er kam mit einer 23-jährigen Haftstrafe davon. Im November 2023 soll er entlassen werden.
Ted Kaczynski
Ein weiterer Insaße des Hochsicherheitsgefängnis in Florence ist Ted Kaczynski, besser bekannt als Unabomber. Zwischen 1978 und 1995 verschickte Kaczynski zahlreiche Paketbomben, womit er drei Menschen tötete und 23 verletzte. 1998 wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe („Life without Parole“) verurteilt.
Über Kaczinskis Verschlüsselungsverfahren habe ich 2016 gebloggt. Kaczinski war vor seiner Kriminellen-Karriere ein angesehener Mathematiker, was man seinen Verschlüsselungen durchaus anmerkt. Kaczinski lernte an der Universität Harvard fließend Deutsch, was er zu Briefkontakten mit deutschsprachigen Personen nutzt.
Mit einer Begnadigung kann der inzwischen 78-jährige Unabomber wohl nicht rechnen. Er bis hat bis heute keine Reue gezeigt.
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Further reading: Zwei US-Spione werden nach 30 Jahren aus dem Gefängnis entlassen
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