RAF-Terrorist Andreas Baader beschrieb zwei Verschlüsselungsverfahren und hinterließ eine verchlüsselte Nachricht, deren Lösung mir nicht bekannt ist. Kann ein Leser diese knacken?

English Version (translated with Deepl)

Eigentlich sollte meine Miniserie über die Verschlüsselungsverfahren der RAF nur zwei Teile haben. Doch Blog-Leser Rallinger hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem er mich auf eine sehr interessante Quelle aufmerksam gemacht hat: einen Text von RAF-Terrorist Andreas Baader, in dem es unter anderem um Verschlüsselung geht.

Quelle/Source: Fahndungsplakat

 

Ein Kassiber beschreibt Verschlüsselungsverfahren

Der besagte Text ist ein 30-seitiger Kassiber, den Baader im Januar 1974 im Gefängnis in Schwalmstadt-Ziegenhain verfasste. Er ist auf dem Social History Portal zugänglich. In diesem Schreiben werden zahlreiche Hinweise für das Leben im Untergrund gegeben. Es war anscheinend für Baaders noch in Freiheit befindliche RAF-Genossen gedacht. Ob es diese erreicht hat, ist mir nicht bekannt.

Auf Seite 9 betont Baader, wie wichtig das Verschlüsseln (“Vercoden”) im Untergrund ist und dass jeder bei der RAF zwei Verfahren (eines für alle und eines für den persönlichen Gebrauch) verwenden sollte:

Quelle/Source: Social History Portal

 

Verfahren 1

Die Chiffre für alle beschreibt Baader wie folgt:

Quelle/Source: Social History Portal

Leider ist mir nicht klar, was hier gemeint ist. Ich vermute, dass es um eine homophone Chiffre geht, wobei jeder Buchstabe durch Zeile und Position in der genannten Wortfolge angegeben wird. 32 (dritte Zeile, zweiter Buchstabe) wäre daher ein A. Da die meisten Buchstaben unterschiedlich kodiert werden können (12 steht unter anderem ebenfalls für das A), wird eine Häufigkeitsanalyse dem Codeknacker nicht viel bringen.

Sollte das Verfahren so gemeint sein, halte ich es für durchaus interessant. Es handelt sich quasi um eine Buch-Chiffre, wobei der Nutzer den “Buchtext” (acht Wörter in alphabetischer Reihenfolge) auswendig kennt. Kürzere Botschaften kann man damit recht sicher verschlüsseln. Eine Challenge zu dieser Methode wäre hilfreich, um dies genauer beurteilen zu können.

Doch vielleicht habe ich die Beschreibung falsch interpetiert. Weiß ein Leser mehr?

 

Verfahren 2

Das zweite Verfahren beschreibt Baader so:

Quelle/Source: Social History Portal

Vermutlich geht es hier um die gleiche Methode, allerdings mit einem anderen Schlüssel. In diesem Fall muss sich der Nutzer 26 Wörter merken, die alphabetisch sortiert sind. Kürzere Texte, die damit verschlüsselt sind, dürften erneut kaum zu knacken sein.

 

Ein Geheimtext

Besonders spannend an dieser Quelle ist, dass der Baader-Kassiber auch einen verschlüsselten Text enthält:

Quelle/Source: Social History Portal

Ich weiß leider nicht, ob der RAF-Terrorist hier eines der beiden oben genannten Verfahren verwendet hat. Den Schlüssel kenne ich ohnehin nicht.

Kann ein Leser dieses Kryptogramm lösen? Vielen Dank auf jeden Fall an Rallinger für den tollen Tipp.


Further reading: Codeknacker auf Verbrecherjagd – Schnelldurchlauf

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Kommentare (6)

  1. #1 The_Piper
    29. Januar 2021

    datenverarbeitung
    donnerkiel
    jahreszeit
    minensuchboot
    phoenix
    quarzphilter
    sommerfahrplan
    wickelgamasche

    Hm, ein “Y” kann er damit aber nicht codieren.
    Aber egal, wird im deutschen ja eh selten benutzt.

    Und wenn man sich die handschriftliche Nachricht ansieht, hat er wohl mit Null angefangen zu zählen.

    10 60 40 90
    und
    7, 6, also 07, 06

    Und aus der 8 157 würde ich erstmal 81 57 machen.

  2. #2 The_Piper
    1. Februar 2021

    Das scheint ziemlich unknackbar zu sein, man schaue sich die Häufigkeit der Zahlen an:

    05 1
    06 1
    07 1
    08 1
    10 1
    11 1
    13 1
    15 1
    16 1
    17 2
    18 2
    24 1
    26 1
    31 1
    32 1
    33 1
    34 1
    35 1
    38 3
    40 1
    43 1
    44 2
    47 1
    50 1
    53 2
    55 1
    56 1
    59 2
    60 3
    62 1
    63 1
    66 1
    69 1
    70 1
    71 2
    72 1
    73 1
    75 1
    78 1
    82 1
    83 1
    85 1
    87 1
    88 1
    90 2
    99 1
    157 1

    8 157 am Anfang könnte auch bedeuten
    8 Worte als Schlüssel
    157 Prüfsumme. Dagegen spricht, daß er weiter hinten im Text sich korrigiert und die 13 geschrieben hat… Oder er hat am Anfang einfach Platz gelassen und die Prüfsumme nachher eingetragen.
    Die Summe aller Zahlen (ohne die ersten beiden) ist 2904. Modulo irgendwas wäre dann 157.

  3. #3 The_Piper
    1. Februar 2021

    Korrektur: Die Prüfsumme ist 2739…

    Den Schlüssel raten.

    Nehmen wir an, die zweistelligen Zahlen bezeichnen Zeile und Spalte, also 63 = Zeile 6, Spalte 3, beginnend bei 0/0.

    Dann muß der Schlüssel aus 10 Worten bestehen und mindestens so aussehen:

    00 – XXXXXXX
    01 – XXXXXXXX
    02 – XXXXXX
    03 – XXXXXXXX
    04 – XXXXXXX
    05 – XXXXXXXXX
    06 – XXXXXXXXX
    07 – XXXXXXXX
    08 – XXXXXXXX
    09 – XXXXXXXXX

    Die einzelnen Worte sind mindestens so lang, wie oben dargestellt, können bzw. sind warscheinlich aber länger.

    Und wenn im Schlüssel solche Worte wie “quarzphilter” drin sind, oder sowas wie “abcdefgh”, “pqrstuvwxyz”, ist ein Angriff mit einem Wörterbuch ein wenig schwerer, aber nicht ganz unmöglich.

    Und wenn man sich den Schlüssel so anschaut, und auch Baaders Beispiel, stellt man fest, daß die einzelnen Worte des Schlüssel lang sind.

    Das heißt, nähme man sich eine Wortliste, fallen die meisten Worte wie Auto, Tür, Uhr, Haus, Hand, Fuss, Auge, Ohr, Hose, Arm, Bein, etc weg, da sie einfach zu kurz sind. Somit wirds schon wieder einfacher.

  4. #4 Max Baertl
    1. Februar 2021

    Für mich sieht es so aus als ob man bei den Schlüsselwörtern datenverarbeitung, donnerkiel, jahreszeit usw. einfach jeden Buchstaben durchnummeriert vom ersten Buchstaben des ersten Wortes bis zum letzten Buchstaben des letzten Wortes also 1 = D, 2 = A, 3 = T, usw. bis man beim letzten Buchstaben des letzten Wortes angelangt ist. Diese Vorgehensweise würde die einstelligen Zahlen erklären. Wenn die Schlüsselwörter lang genug sind wären sogar dreistellige Zahlen möglich.

  5. #5 The_Piper
    2. Februar 2021

    @Max Baertl
    Das ist aber etwas schwieriger durchzuführen, die andere Methode mit Zeile/Spalte kann man notfalls sogar im Kopf durchführen.

  6. #6 Tareq
    26. Mai 2021

    Baader: “Bücher oder Zeitschriften sind (…) unsicher” –
    vgl. Kapitel 34 in Aust “Baader Meinhof-Komplex”, wo BKA-Beamter Alfred Klaus einen in einem Brief verwendeten Zahlencode entschlüsselt, indem er sich eine zeitlich passende Ausgabe des “Spiegel” besorgt. Leider ist die Codierungstechnik nicht klar beschrieben: “In einer Zahlenreihe von 1 bis 119 markierte jede Ziffer einen Buchstaben.”