Im Jahr 1860 erhielt ein Herr Lehmann in Saargemünd einen verschlüsselten Brief. Kann ein Leser diesen dechiffrieren?
English version (translated with DeepL)
Blog-Leser Alexandre aus Frankreich hat mir ein interessantes Krypto-Rätsel zur Verfügung gestellt. Um etwas über dessen Herkunft sagen zu können, musste ich wieder einmal Geografie-Unterricht nehmen. Dieses Mal führt mich die virtuelle Reise nach Saargemünd (auch als Sarreguemines bekannt), einer französischen Kleinstadt unmittelbar an der Grenze zum deutschen Bundesland Saarland.
Der verschlüsselte Brief
Alexandre hat vor Kurzem einen verschlüsselten Brief ersteigert, von dem er mir dankenswerterweise Scans zur Verfügung gestellt hat. Das folgende Bild zeigt die Vorderseite des Umschlags:
Soweit ich sehe, wurde der Brief 1860 in St. Louis abgestempelt. Diesen Ortsnamen gibt es in Frankreich mehrfach. Empfänger ist ein Monsieur Mayer Lehmann in Saargemünd. Wenn ich den Satz unten richtig verstehe (“se remette s’il vous plaît à M. Lion Lehmann), soll der Brief an einen Lion Lehmann weitergeleitet werden. Dies könnte der Sohn des Empfängers sein. Details wie Straße oder Hausnummer benötigte man im Jahr 1860 anscheinend noch nicht, um eine Person in Saargemünd zu adressieren.
Die Rückseite des Umschlags gibt leider nicht viel her:
Der Brief umfasst zwei Seiten. Hier ist die erste:
Hier ist die zweite Seite:
Die Schrift wirkt für eine Geheimschrift recht flüssig. Der oder die Schreiber müssen geübt darin gewesen sein. Ich habe mich zunächst gefragt, ob hier überhaupt eine Verschlüsselung vorliegt oder ob der Text lediglich in einer ungebräuchlichen Schrift verfasst wurde. Allerdings sieht keine Schrift, die ich kenne, so aus. Ich gehe also erst einmal von einer Verschlüsselung aus.
Der Brief besteht aus zwei Teilen, die von unterschiedlichen Personen unterschrieben wurden. Die eine Person war eine Caroline Brunselweg, die andere ein Mann namens Jacques. Mir ist nicht ganz klar, wie diese zwei Verfasser zu interpretieren sind. Vielleicht schickten Caroline und Jacques ihre Mitteilungen zusammen, um Geld zu sparen.
Transkription
Alexandre hat mir dankenswerterweise eine Transkription des Texts von Caroline zur Verfügung gestellt:
ABCDEF GHDA IBLN KDHEDLL GBJ MDGALNLLFHLNDF O PAF MDGADLL ADBBEB KLLN
DADBBLN MBLN GQLN CBLLDR IBJ IBLN SELN MDRALNC IBBLNSLL FHLLN DFLNT GFENTDR
GCBLN CLNLL IBBLN LNBBF GQLN IBLN MBF DRHLNFDR DBF MBLN DUHBLL GQLNUEDCDR
O NDGBLL GELNF ABJ SELN MDHLNJ ADGBLL IBLLN IBC ABLL GBBO DBF MLVG O
BAVLBLL GHBH CDEELN GJLNW GEBCDR GBJ MDGCDNG IBC BLL MLNJ MDHDW MDBLNC
EBCDJLNF SLNF MDFLNV ABJ MDRVLNF FDBBH FLNLLGD IBBLN IBLN SBJ IBLLN
CDFDE IBLLN ILNF ILNF GXDB IBBLN GELLQDR SLNF EDCLNF MLNQ MDGELNVAD
GXDB GHDA SLNF ABJ SELN ABCDEF IBLLN LBJLBJ DFDBE LNBF GLBA GXDN MBGCDEDC
???? DFDBE ADF O ILNH ILNJ DCBF MDHLCDR GCALN RVLNU ADF MDFLV
FHLLN MDFELNVADFHLLN O MLBQADF AVBLN GBJ RBHDLL MBBLN IBC ABQ MVDR O
ILNLL DCBF IBLN SELL MDRVLNC ABF SLL IBLLN MDRBBXHLN AVLNQDF IBBLN SD
DGVLR ADF SELN ABJ DGRVLNF LNBC DGGLLV ???? DADBE ADF MBBQ ZBAF
RBA O ADGBLL GXDB AD SELN MDQQLNV EBLL IBLN GCBLN CBALNF ZBLLN LNDE
DHBBLN LSHLNQ SLBF SELN DFLNV MDFAUDR IBLL ABF LNBC GABLL IBLLN GABLL MBBC
GLNV CD MBGCDEDC CGFDBE DERHDB DADEBLLDR SDF GBJ GCBLN LNELNW
GCLNV DGADLLLR DH??E LNF LNLF SELN GALNLDR ABCDEF GHDA CBLLDR ABJ
MBBLN IBLLN EBBC MBLN GRLNC LNBALNJ ADCHLLN SELN MDRALNC IBBLN SLJ IBLLN
EDRHLLN ADF MLN FHLLN MDBBAU MBGCDEDC DFHLLF LNBF MLN HSBLN MLNQ SLAR
ADJBLN AVBLN SJ IBB MDJJLNW IBBLN O MADR IBLLN CBLLDR DGDG LNBC
SELN IBLN DQQBV IBLN MVDR IBBLN O GELLF GQABF LNBC MDHDAFUADQ
DADBBLN MBF DRHLNFDR DCF MBLN DGADLL MDFBBAU ADGBLL GELLF SHLLN AVBLN
ADGCDLL DBBAGDR
Der Text dürfte auf Französisch verfasst sein. Der Ausdruck “la même” kommt darin im Klartext vor. Das “I”, das als O transkribiert wurde, markiert wohl das Ende eines Satzes. Einige Einzelsymbole stehen möglicherweise für Buchstaben-Paare. Alexandre hat für die Transkription beispielsweise LN und LL verwendet.
Auf Basis dieser Hypothesen hat Alexandre seine Transkription verfeinert:
ABCDEF GHDA IBO GBJ MDGAOYFHODF PAF MDGADY ADBBEB KLO
DADBBO MBO GQO CBYDR IBJ IBO SEO MDRAOC IBBOSY FHLO DFOT GFENTDR
GCBO COY IBBO OBBF GQO IBO MBF DRHOFDR DBF MBO DUHBY GQOUEDCDR
NDGBY GEOF ABJ SEO MDHOJ ADGBY IBLO IBC ABY GBB DBF MLVG
BAVLBY GHBH CDEEO GJOW GEBCDR GBJ MDGCDNG IBC BY MOJ MDHDW MDBOC
EBCDJOF SOF MDFOV ABJ MDRVOF FDBBH FOYGD IBBO IBO SBJ IBLO
CDFDE IBLO IOF IOF GXDB IBBO GEYQDR SOF EDCOF MOQ MDGEOVAD
GXDB GHDA SOF ABJ SEO ABCDEF IBLO LBJLBJ DFDBE OBF GLBA GXDN MBGCDEDC
DFDBE ADF IOH IOJ DCBF MDHLCDR GCAO RVOU ADF MDFLV
FHLO MDFEOVADFHLO MLBQADF AVBO GBJ RBHDY MBBO IBC ABQ MVDR
IOY DCBF IBO SEY MDRVOC ABF SY IBLO MDRBBXHO AVOQDF IBBO SD
DGVLR ADF SEO ABJ DGRVOF OBC DGGYV DADBE ADF MBBQ ZBAF
RBA ADGBY GXDB AD SEO MDQQOV EBY IBO GCBO CBAOF ZBLO ODE
DHBBO LSHOQ SLBF SEO DFOV MDFAUDR IBY ABF OBC GABY IBLO GABY MBBC
GOV CD MBGCDEDC CGFDBE DERHDB DADEBYDR SDF GBJ GCBO OEOW
GCOV DGADYLR OF OLF SEO GAOLDR ABCDEF GHDA CBYDR ABJ
MBBO IBLO EBBC MBO GROC OBAOJ ADCHLO SEO MDRAOC IBBO SLJ IBLO
EDRHLO ADF MO FHLO MDBBAU MBGCDEDC DFHYF OBF MO HSBO MOQ SLAR
ADJBO AVBO SJ IBB MDJJOW IBBO MADR IBLO CBYDR DGDG OBC
SEO IBO DQQBV IBO MVDR IBBO GEYF GQABF OBC MDHDAFUADQ
DADBBO MBF DRHOFDR DCF MBO DGADY MDFBBAU ADGBY GEYF SHLO AVBO
ADGCDY DBBAGDR
Für den Brieftext von Jacques liegt mir noch keine Transkription vor.
Lösungsansätze
Die Entstehungszeit und die Beteiligten (es handelt sich anscheinend um Privatpersonen) lassen vermuten, dass hier kein besonders anspruchsvolles Verschlüsselungsverfahren zum Einsatz gekommen ist. Am wahrscheinlichsten ist eine einfache Buchstaben-Ersetzung (MASC), eventuell mit einigen Zusätzen, wie einem speziellen Symbol für das Satzende.
Ungewöhnlich ist, dass im transkribierten Tex keine Zwei-Buchstaben-Wörter auftauchen, obwohl diese im Französischen sehr häufig sind (LE, LA, UN, …). Ist es vielleicht doch eine andere Sprache?
Kann ein Leser mehr zu diesem umgewöhnlichen Brief sagen? Alexandre und ich freuen uns auf interessante Kommentare.
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