Der Gelehrte John Dee, der auch mit dem Voynich-Manuskript in Verbdindung gebracht wird, hinterließ einen verschlüsselten Text. Richard Bean gelang es, diesen zu dechiffrieren.

English version (translated with DeepL)

Vor ein paar Tagen machte mich Elonka Dunin auf einen Online-Artikel aufmerksam, in dem die Dechiffrierung eines 400 Jahre alten verschlüsselten Texts beschrieben wurde. Bevor ich diesen Artikel las, schaute ich erst einmal, wer ihn geschrieben hatte. Als erster Autor wurde Richard Bean genannt. Damit war für mich auch schon klar, dass es sich um eine seriöse Veröffentlichung handeln musste. Richard Bean, ein Cipherbrain-Leser aus Australien, ist schließlich schon seit Jahren als hervorragender Codeknacker bekannt.

Quelle/Source: Bean

Zu Richards größten Erfolgen gehören das Knacken einer IRA-Verschlüsselung und das Lösen der zweiten Challenge des Parapyschologen Robert Thouless. Über beide Dechiffrierungen, die ausgesprochen schwierig waren, habe ich ausführlich auf Cipherbrain berichtet.

Neben Richard wurden noch zwei weitere Personen als Autorinnen des Artikels genannt: Sarah Lang und
Megan Piorko. Auch diese Namen kamen mir bekannt vor. Die beiden waren mit einem Beitrag über ein ungelöstes Kryptogramm bei der diesjährigen HistoCrypt vertreten. Diese Veranstaltung fand zwar Corona-bedingt nicht statt – lediglich eine Online-Kurzversion wurde abgehalten -, doch der Konferenzband wurde veröffentlicht.

Schnell wurde mir klar: Richard Bean hatte den HistoCrypt-Beitrag der beiden Autorinnen gelesen und das Kryptogramm gelöst. Zweck des Artikels, den alle drei zusammen schrieben, war es, diese Lösung vorzustellen.

 

Das Kryptogramm

Das Kryptogramm, um das es geht, ist ein Manuskript des englischen Gelehrten John Dee (1527-1608), an dem auch dessen Sohn Arthur Dee (1579-1651) mitarbeitete.

Quelle/Source: Sloane MS 1902, Folio 13v, British Library

John Dee ist sicherlich vielen Lesern dieses Blogs bekannt, da er möglicherweise das Voynich-Manuskript besaß und an Kaiser Rudolf II. verkaufte. Dee galt sogar als möglicher Autor des Voynich-Manuskripts, was jedoch seit der Radiokarbon-Datierung des Pergaments auf das frühe 15. Jahrhundert als unwahrscheinlich gilt.

Lang und Piorko vermuteten, dass die verschlüsselte Botschaft ein Rezept für den sagenumwobenen Stein der Weisen enthielt. Dieser sollte unter anderem die Fähigkeit verleihen, Gold aus unedlen Metallen herzustellen.

Die Überschrift des Texts, “Hermeticae Philosophiae medulla”, ist im Klartext verfasst, der Rest ist verschlüsselt. Dem Kryptogramm ist eine Ersetzungstabelle beigefügt, die etwa so aussieht:

AB ABCDEFGHIKLN
   OPQRSTUWXYZM
CD ABCDEFGHIKLO
   PQRSTUWXYZMN
EF ABCDEFGHIKLP
   QRSTUWXYZMNO
GH ABCDEFGHIKLQ
   RSTUWXYZMNOP
IK ABCDEFGHIKLR
   STUWXYZMNOPQ
LM ABCDEFGHIKLS
   TUWXYZMNOPQR
NO ABCDEFGHIKLT
   UWXYZMNOPQRS
PQ ABCDEFGHIKLU
   WXYZMNOPQRST
RS ABCDEFGHIKLW
   XYZMNOPQRSTU
TV ABCDEFGHIKLX
   YZMNOPQRSTUW
WX ABCDEFGHIKLY
   ZMNOPQRSTUWX
YZ ABCDEFGHIKLM
   NOPQRSTUWXYZ

Dabei handelt es sich anscheinend um eine Chiffriertabelle, wie sie der Italiener Giovan Battista Bellaso im 16. Jahrhundert vorgeschlagen hat. Dessen Tabelle bestand aus elf Doppelzeilen, denen jeweils zwei Buchstaben voranstehen:

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Um mit der Bellaso-Tabelle einen Text (beispielsweise NOVEMBER) zu verschlüsseln, benötigt man ein Schlüsselwort (beispielsweise TEST):

  • Den ersten Buchstaben, N, ersetzt man mithilfe derjenigen Doppelzeile, der das T, also der erste Buchstabe im Schlüsselwort voransteht. Dort finden wir über dem N ein L, und das ist der zugehörige Geheimtext-Buchstabe.
  • Als nächstes verschlüsseln wir das O. Dazu verwenden wir die Doppelzeile, der das E voransteht. Dort steht über dem O das C.
  • Nun wir das V verschlüsselt. Die maßgebliche Doppelzeile ist diejenige, vor der das S steht. Dort steht über dem U/V (die beiden Buchstaben werden nicht unterschieden) das F.
  • Und so weiter.

Insgesamt erhalten wir mit der Bellaso-Tabelle für NOVEMBER den Geheimtext LCFTONTC. Die im Dee-Manuskript enthaltene Tabelle, so war zu vermuten, sollte auf die gleiche Weise verwendet werden. Allerdings brauchte man zum Entschlüsseln das Schlüsselwort.

 

Die Lösung

Nun kam Richard Bean ins Spiel. Wie er das Kryptogramm löste, wird im Artikel nur recht kurz beschrieben. Dies liegt wohl daran, dass er ziemlich schnell auf die richtige Lösung kam.

Richard ging davon aus, dass der Text von Dee auf Latein verfasst war. Dafür sprach unter anderem die lateinische Klartext-Überschrift. Er führte mehrere statistische Analysen durch, merkte jedoch schließlich, dass er diese gar nicht brauchte. Das Schlüsselwort stand nämlich auf der Rückseite der Tabelle. Es bestand aus 45 Buchstaben:

SIC ALTER IASON AUREA FELICI PORTABIS UELLERA COLCHO

Das bedeutet: “Wie ein neuer Jason wirst du das Goldene Vlies von dem glücklichen Kolchos wegtragen.”

Tatsächlich ließ sich der Text damit entschlüsseln. So einfach kann es manchmal sein. Der Klartext ist im Artikel leider nicht angegeben.

Die anfängliche Hypothese von Lang und Piorko bestätigte sich. Der verschlüsselte Text war tatsächlich ein alchemistisches Rezept. Ob die drei Autoren damit Gold herstellen konnten, ist leider nicht bekannt.

Auch wenn diese Entschlüsselung für Richard Bean wohl eher eine leichte Lübung war, gratuliere ich ihm herzlich zu diesem Erfolg!

Ich hoffe, die drei Autoren werden demnächst eine etwas ausführlichere Beschreibung veröffentlichen, in der die Dechiffrierung genauer beschrieben und der Klartext abgedruckt wird. Die HistoCrypt 2022, die in Amsterdam staffinden soll, wäre eine gute Gelegenheit. Der Call for Papers ist gerade angelaufen.


Further reading: Ungelöste Verschlüsselungen in einem 300 Jahre alten Manuskript

Linkedin: https://www.linkedin.com/groups/13501820
Facebook: https://www.facebook.com/groups/763282653806483/

Subscribe to Blog via Email

Enter your email address to subscribe to this blog and receive notifications of new posts by email.

Kommentare (8)

  1. #1 Magnus Ekhall
    Borensberg
    24. Oktober 2021

    Well done Richard!

  2. #2 Hias
    24. Oktober 2021

    „Dort steht über dem E das C“

    Müsste „…über dem O das C“ heißen.

  3. #3 Klaus Schmeh
    24. Oktober 2021

    @Hias:
    Danke, habe ich korrigiert.

  4. #4 Richard Bean
    Brisbane
    24. Oktober 2021

    Thanks! I didn’t actually have access to this key “sic alter…” or the correct Porta table, so it’s not that I saw the key elsewhere in the manuscript – I only found out about that later. It is certainly interesting that the key is enciphered with the key though …

    If I’d known the key length for sure and that it was a Porta cipher, I could have used a hill climbing approach as in Norbert Biermann’s Cryptologia paper in 2018: “Analysis of Giouan Battista Bellaso’s cipher
    challenges of 1555”.

  5. #5 George Lasry
    25. Oktober 2021

    Richard: First, congrats, well done.

    If you did not use the key, nor knew it was a Porta cipher, what techniques did you use? Did you first look for some periodicity (although detecting a period of 45 in a short text is not trivial)?

  6. #6 Kerberos
    25. Oktober 2021

    “” Ob die drei Autoren damit Gold herstellen konnten, ist leider nicht bekannt. “”

    Irgendwie ist mir das bekannt:=)

  7. #7 Richard Bean
    Brisbane
    26. Oktober 2021

    George: thanks. Because of the table, the assumption was always that it was Porta or a variant. I looked at what letter frequencies in the ciphertext I’d see with English/Latin key/plaintext (4 possibilities) and it did look like Latin/Latin was a strong possibility. The main difficulty was the key length. But the main breakthrough was with the longer words – there’s only so many Latin words a long ciphertext word can map to. I’ll have to write it up for Histocrypt 2022!

  8. #8 Klaus Schmeh
    26. Oktober 2021

    @Richard Bean:
    Thanks for the clarification. Apparently, this cryptogram was more difficult to solve than I thought.