Der Brite Floe Foxon hat in einem Cryptologia-Artikel eine detaillierte Analyse des Rilke-Kryptogramms veröffentlicht.

English version (translated with DeepL)

Am 30. November und 1. Dezember wird erstmals seit zehn Jahren wieder eine Voynich-Manuskript-Konferenz stattfinden. Diese wird unter dem Titel “Voynich Conference 2022” von der Universität Malta veranstaltet und findet online statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 50 Euro.

 

Voynich Conference 2022

Das Programm der Voynich Conference 2022 ist leider noch nicht veröffentlicht. Ich kann aber schon jetzt verraten: Zusammen mit Elonka Dunin werde ich mit einem Vortrag vertreten sein.

Der Titel unserer Präsentation lautet “The Voynich Manuscript Compared with Other Encrypted Books”. Unser Beitrag basiert auf meiner Encrypted Book List, auf der inzwischen etwa 120 Bücher enthalten sind. Wir klassifizieren diese Werke und vergleichen sie mit dem Voynich-Manuskript. Daraus ziehen wir Schlüsse über den Verwendungszweck und andere Eigenschaften des Manuskripts. Unsere Arbeit ähnelt der eines Profilers, der ein ungeklärtes Verbrechen analysiert, indem er es mit anderen Fällen vergleicht. Elonka hat sogar einen echten Profiler befragt, der uns ein paar Tipps gegeben hat.

Vorab werden Elonka und ich unseren Vortrag am 30. Oktober online im ICCH-Forum halten. Die Teilnahme ist kostenlos, den Link verschicke ich gerne auf Anfrage. Da wir bei der Voynich Conference nur 20 Minuten Zeit haben, es im ICCH-Forum dagegen kein Zeitlimit gibt, werden wir in letzterem etwas ausführlicher auf verschlüsselte Bücher eingehen.

Zur Voynich Conference wird es übrigens einen Konferenzband geben, in dem alle Vorträge als etwa zehnseitige Aufsätze vertreten sind.

Außer meinem eigenen Vortrag weiß ich bisher nicht, was bei der Voynich Conference geboten sein wird. Ich bin sehr gespannt.

 

Das Rilke-Kryptogramm

Auf meiner Encrypted Book List (Nummer 00063) findet sich auch ein Dokument, das mir vor einigen Jahren Blog-Leser Karsten Hansky zur Verfügung gestellt hat. Es handelt sich um ein Exemplar des Buchs “Rainer Maria Rilke” von Gert Buchheit. Die Ausgabe, um die es hier geht, ist 1942 im Berliner Buchmeister Verlag erschienen, und zwar als “Einmalige Sonderausgabe der Zentrale der Frontbuchhandlungen Paris”.

Rilke-Einband

Quelle/Source: Buchmeister

Das Besondere an diesem Exemplar: Irgendjemand hat über 30 Zettel in das Buch geklebt, auf denen jeweils ein scheinbar verschlüsselter Text notiert ist (ich nenne ihn “Rilke-Kryptogramm”). Praktisch jede freie Stelle des Buchs wurde dafür genutzt. Kein Buchtext wurde überklebt.

00063-Rilke-Cryptogram

Quelle/Source: Hansky

Weitere Seiten aus dem Buch sind auf einer Seite zu sehen, die ich mit Karsten Hanskys Hilfe für diesen Zweck eingerichtet habe.

Rilke-Cryptogram-001

Quelle/Source: Hansky

Dank zahlreicher Leserhinweise betrachte ich das Rilke-Kryptogramm inzwischen als gelöst. Die Lösung ist leider reichlich banal: Es handelt sich beim Rilke-Kryptogramm nicht um einen verschlüsselten Text, sondern um eine bedeutungslose Folge von Buchstaben und Ziffern, die vermutlich zum Üben des Morsealphabets genutzt wurden. Hier gibt es mehr dazu.

 

Floe Foxons Untersuchungen

Vor ein paar Jahren erhielt ich eine E-Mail von Blog-Leser Floe Foxon aus England.

Quelle/Source: Foxon

Floe teilte mir mit, dass er den Inhalt des Rilke-Kryptogramms statistisch untersuchen wollte. Auf diese Weise wollte er herausfinden, wie der Text generiert wurde und ob vielleicht doch eine Verschlüsselung dahintersteckt.

Quelle/Source: Hansky

Inzwischen ist Floes Untersuchung als Artikel mit dem Titel “A treatise on the Rilke cryptogram” in der Fachzeitschrift Cryptologia erschienen. Darüber freue ich mich sehr, denn diese Arbeit basiert auf meinen Blog-Veröffentlichungen. Mein wird Blog als Quelle für das Kryptogramm genannt, und einige meiner Artikel werden zitiert. Leider ist der Cryptologia-Artikel gebührenpflichtig.

Floes Arbeit ist äußerst interessant. Auf fast 20 Seiten werden viele gängige Statistik-Methoden auf den Text angewandt. Dazu gehören die Häufigkeitsanalyse, der Koinzidenzindex, n-Gramm-Häufigkeiten, die Kasiski-Kerckhoffs-Analyse und einiges mehr. Zusätzlich vergleicht er die Ergebnisse mit dem, was bei den wichtigsten Verschlüsselungsverfahren an Resultaten zu erwarten gewesen wäre.

Quelle/Source: Cryptologia

Am Ende kommt Floe zu dem Schluss, dass für das Rilke-Kryptogramm kein gängiges Verschlüsselungsverfahren verwendet wurde. Auch ein One-Time-Pad-Schlüssel erscheint unwahrscheinlich. Die von mir und einigen Blog-Lesern vorgebrachte Vermutung, dass es sich um bedeutungsloses Übungsmaterial handelt, hält Floe für größtenteils plausibel, auch wenn ein solcher sinnloser Übungstext nicht gerade alltäglich wäre. Es wäre sicherlich hilfreich, weitere Texte dieser Art zu analysieren, doch bisher sind keine bekannt.

Ich freue mich in jedem Fall, dass ich zusammen mit Karsten Hansky eine interessante und kompetente Forschungsarbeit angeregt habe. Floe hat mit bereits von einem anderen Projekt erzählt, an dem er gerade arbeitet. Auch dieses könnte sehr spannend werden.


Further reading2022: Ein Konferenzjahr wie noch nie

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Kommentare (6)

  1. #1 Anon
    11. Oktober 2022

    Why not french

  2. #2 Wandee Thaweetham
    Chanthaburi - Thailand
    11. Oktober 2022

    I don’t believe that the the riddle has been solved and the groups of 4 characters are only exercises in morse code. One reason is that Hermann Klaus was sent to France in April 1943 and the text in question is dated April 1944. The unit in France was a communication unit and I doubt seriously the German army would have posted someone to the frontline into that unit without certain skills in morse code or encryption. Training would have taken place prior to posting him there and the question is how long does it take to train someone. Here I could rely on a person that went through that training in the German Navy in the very early 1970’s. He said then you had 3 months basic training, which also included some military drill, but the main focus was on learning the morse code and getting to speed in sending and receiving. If you past that you would move to the second stage which was called the “Gasten” course, which was increasing speed and learning about cryptography. After that you would receive a certificate, permitting you to communicate with all land, see and air stations and objects. He said that the training for morse code operators was in Flensburg for the entire six months, and signalmen training started in Eckernfoerde and the last three months in Flensburg too. The difference between both groups were, that signalmen had to learn voice radio communications, morse code speed for the flashlight and flag signals. Depending on your posting after training you could be the only one there to do the job, which meant jumping the promotion list.

    So we might assume that Hermann Klaus didn’t require training when arriving at his post, or he must have been a very slow student. (1943 to 1944, one year). There are many other things that could be said about the drawn conclusions, but to narrow it down to learning morse code is only an assumption and not proof.

  3. #3 Klaus Schmeh
    12. Oktober 2022

    Ein Leser via E-Mail:
    Es handelt sich um Schreibmaschinenschrift.
    Es sieht allerdings so aus, als ob es sich um eine Exemplar aus mehreren
    Vervielfältigungen eines Matrizendruckers handelt.
    Wäre es ein einzelnes Schriftstück oder ein Durchschlag würde man die Schreibmaschinenbuchstaben ins Papier eingedrückt sehen.
    Auch wären die Buchstabenkonturen wahrscheinlich anders.

    Ich nehme daher an, es gibt mehrere Exemplare dieser Seiten.

    Es könnte dann also auch ein Schlüssel sein, der dazu benutzt wurde, um etwas zu verschlüsseln,
    ähnlich einer Vigenere-Chiffre, mit Erweiterung um Ziffern; so ählich wie beim One-Time-Pad.

    Der Empfänger, der ja dann ein weiteres Exemplar dieser Seiten hat, könnte die Verschlüsselung dann wieder auflösen.

  4. #4 Klaus Schmeh
    12. Oktober 2022

    Here’s Floe’s Twitter account:
    @FloeFoxon

  5. #5 Wandee Thaweetham
    Chanthaburi - Thailand
    18. Oktober 2022

    I have taken the time to go through all the blog entries here which deal with the “Rilke Kryptogramms” and the comments made. Three hypotheses are put forward in one blog (20th July 2015) what the random characters could be: Hypothesis 1. Encryption (Verschlüsselung); Hypothesis 2. Key (Schlüssel); Hypothesis 3. Exercise Material (Übungsmaterial).

    Let me add a fourth one, which favors Hypothesis 2. My hypothesis is that we have a key used to encrypt a one-time pad with a modified modus operandi using a permutation of the alphabet or some other modus to scramble the plaintext . The key would not have the importance as in the Vernam cipher. Shannon’s conclusion, that each message character would require a unique key/symbol, not required anymore. The discovery of the key would not necessarily jeopardize the secrecy of a cipher.

    The reason why I favour this hypothesis is rooted in the fact that the Germans used the enigma machine for top secret encryption. However, there was not an unlimited supply of these machines available, but not all communication points on the frontline or groups (U-Boats hunted in packs) would have had access to an enigma. Still the messages needed to be relayed to these communication points and certainly could not be transmitted in plaintext.

    The modus used had to be simple and fast, but still offer a high degree of security. A permutation of the alphabet with the added ‘Umlaute’ and the numbers 0 to 9 could be the option. It would permit to transform these Umlaute into one character in morse code and numbers would not be needed written as words. Naturally each communication point would require a copy of the key used to generate the cipher and if a permutation was used this permutation. This might explain perhaps why the papers in the book seem to be produced more than one time. Why glue them into a book? Here I can only guess and speak for myself. Loose pages I always mix up and sometimes even loose one or two pages.

    Using a permutation to scramble the plaintext and pair each character with a key is an easy and fast way (tried it myself). Mr Foxon has provided a proof that can exclude the code as a cipher and as exercise text it would not apply with the real world. So, my conclusion is that the code is a key source for messages.

  6. #6 Klaus Schmeh
    29. Oktober 2022

    Here is another contribution from Wandee Thaweetham:
    https://perfectsecrecy.eu5.org/Comments/Rilke.html
    Thank you very much!