meertext: „Der Zusammenhang zwischen dem Darm, dem Immunsystem und der Psyche ist ja nicht so ganz neu. Werden diese Erkenntnisse denn mittlerweile auch zum Wohl der Patienten angewendet?“
G. E.: “Einige Erkenntnisse haben wir, aber noch gibt es nur sehr wenige konkrete Handlungsanweisungen. Und die niedergelassenen Ärzte bräuchten natürlich solche evidenzbasierten Leitfäden, um ihre Patienten sicher beraten zu können.
Man kann aber jetzt schon einigen Patienten Tipps geben, durch kleine Experimente in ihrer Ernährung zu versuchen, ihren Gesundheitszustand zu verbessern.“

meertext: „Wie gehst Du dabei konkret vor?“
G. E.: „Wenn ich gefragt werde, höre ich mir erst mal genau an, welche Beschwerden ein Patient hat. Manchmal habe ich dann einen Verdacht, woran die Probleme liegen könnten. Dann sage ich immer zuerst, dass ich ja noch keine Ärztin bin und die Patienten bei einem Arzt noch einmal bestimmte Dinge abchecken lassen sollten.
Zusätzlich gebe ich teilweise auch Tipps, bestimmte Lebensmittel für eine kurze Zeit wegzulassen –  etwa Milchprodukte. Manchmal kann das schon zu einer beträchtlichen Linderung der Beschwerden führen. Und falls es nicht hilft, kann es auf keinen Fall schaden.
Bei Erkrankungen wie der Darmgrippe kann es auch hilfreich sein, Probiotika einzunehmen.
Hinter „Darmgrippe“ verbirgt sich ja meist eine Gastroenteritis, die mal durch Bakterien – etwa Salmonellen – hervorgerufen wird oder auch durch Viren.
Ich empfehle keine Präparate, sondern nur ganz allgemein die Einnahme in Studien bewährter Bakteriensorten. Am beste verpackt durch Mikroverkapselung – das schützt die Bakterien vor der Magen- und Gallensäure, so kommen genug von ihnen im Darm an.“

meertext: „Gibt es denn schon Ärzte, die ihren Patienten Probiotika empfehlen?“
G. E.: „Viele Ärzte sind von der positiven Wirkung von Probiotika noch nicht so ganz überzeugt. Etwas Skepsis ist sicherlich angebracht, manche Probiotika wirken oft nur schwach.
Aber andere wirken auch recht gut. Man sollte daran denken, dass es ganz verschiedene Bakterien gibt – die bei unterschiedlichen Beschwerden auch unterschiedlich gut funktionieren.
Ich schicke Fragenden immer die Studien, welche Probiotika bei ihren Beschwerden im Experiment gesundheitsfördernd waren. So gibt es etwa beim Reizdarm schon Behandlungs-Richtlinien, nämlich Lactobacillus plantarum und Bifidobacterium infantus.
E. coli nissl 1917 – das läuft im Handel unter Mutaflor – ist ziemlich gut: Studien zeigen, dass es gleich wirksam wie das Standardmedikament ist – wenn es darum geht den Schub einer chronisch entzündlichen Darmentzündung (C. ulcerosa)wirksam hinauszögern. Während eines Schubs bringt es allerdings gar nichts.“

meertext: „Was hältst Du von natürlichen Probiotika? Werden die mittlerweile von Ärzten gezielt empfohlen?“
G. E.: „Natürliche Probiotika wie etwa Joghurt, zeigen in einigen Studien gute Wirkungen auf das Immunsystem oder die Verdauung. Wer Milchprodukte nicht so gut verträgt, sollte sie allerdings besser in Kapselform einnehmen. Es gibt allerdings eine Einschränkung: Für Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem können die Bakterien im Joghurt schon zu viel sein.“

meertext: „Welche Erfahrungen hast Du persönlich gemacht mit dem Wissenstransfer innerhalb der Wissenschaft bzw. Medizin und zum Patienten zum Thema Darm?“
G. E.: „Ich forsche im Bereich der Mikrobiologie. Was mir hier an der Frankfurter Uniklinik total gut gefällt, ist, dass die Mikrobiologie und die Intensivstation eng zusammen arbeiten, die Kommunikation klappt sehr gut.
Als ich ein Praktikum in der Gastroenterologie gemacht habe,  durfte ich manchmal auch schon Patienten beraten. Zum Beispiel bei der Dünndarmfehlbesiedlung.
Da passiert im Dünndarm ein bacterial overgrowth. Das verursacht oft Blähungen. Das sind dann keine geräuschvollen Flatulenzen, sondern eher pupslos, dafür aber sehr schmerzhafte Blähungen. Letztendlich kann es zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme führen. Die Gründe sind noch nicht genau geklärt, eventuell könnte es ein Defekt der Trennklappe zwischen Dick- und Dünndarm sein. Oder ungenügende Vorwärtsbewegungen der Darmmuskeln.

meertext: „Wie kann man eine Dünndarmfehlbesiedlung nachweisen? Braucht man dafür eine Stuhlprobe?“
G. E.: „So eine Dünndarmfehlbesiedlung kann man schon in der Atemluft nachweisen!
Die Bakterienstoffwechselprodukte flottieren ja durch den ganzen Körper, der Darm ist ja kein geschlossenes System. Und die Lungen sind luftgefüllte Organe, die solche Bakterienstoffwechselendprodukte aufnehmen und dann mit der Atemluft nach außen abgeben.“

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Kommentare (6)

  1. #1 Theres
    30. Mai 2014

    Wundervoll … Danke fürs Interview und den Slam- Beitrag kann ich auch immer wieder hören.
    Ich glaube, es wird Zeit für etwas Sauerkraut 🙂

  2. #2 ElkE Hemmersbach
    51469 Bergisch Gladbach
    29. August 2014

    Herzlichen Dank, liebe Giulia Enders, für ihre wundervolle, faszinierende CD plus Buch “Darm mit Charme”!!! Nach meiner Darmkrebserkrankung und erfolgreichen Therapie sehe ich meine bestes Stück, meinen Darmi, mein Wunderwerk der Natur jetzt noch mehr als meine Seele, meinen Geist, mein Ein und Alles an <3 Danke für dieses einzigartige Werk <3 Ich wünsche Ihnen, liebe Giulia, kümmern Sie sich bitte auch weiterhin um unser aller bestes Stück, unseren Darm, unseren Geist, unsere Seele in unserem Körper!!! Wenn nicht Sie, liebe Giulia, wer sonst? Dankeschön <3 Ihre Elke Hemmersbach

  3. #3 Rausch
    Heidelberg
    11. März 2015

    Liebe Giulia Enders,
    ich habe Ihr Buch “Darm mit Charme” gekauft und gelesen. Nun habe ich heute versucht, etwas über “Durchfälle” zu erfahren – leider nichts gefunden. Nur über Stuhlverstopfung. Aber es müsste doch auch das Gegenteil: Durchfall geben. !
    Liebe Grüsse,
    Christl Rausch

  4. #4 Bettina Wurche
    11. März 2015

    Liebe Frau Rausch,

    bitte stellen Sie Fragen an Giulia Enders direkt an die Autorin.
    Ich habe sie zwar interviewt, kann aber weder in Ihrem Namen antworten noch als ihre Agentin agieren.

    Mit freundlichem Gruß,

    Bettina Wurche

  5. #5 Peter Diezi-Duplain
    Zürich
    22. März 2015

    Guten Tag

    Gerne möchte ich Frau Enders eine Rückmeldung zu Ihrem Buch schreiben. – Habe es eben gelesen. – Leider ist meine Lektüre nicht immer so erfischend, lustig und lehrreich gleichzeitig wie dieses Buch!
    Bitte senden Sie mir ihre Mailardesse.
    Mit herzliche Gruss
    Peter Diezi-Duplain

  6. #6 Bettina Wurche
    2. Juli 2015

    Sehr geehrte Frau Papon,
    Frau Enders war meine Interviewpartnerin, sie schreibt nicht den Blog. Bitte wenden Sie sich mit Kommenatren direkt an Frau Enders.
    Mit freundlichem Grß,
    Bettina Wurche (meertext)