Beim ExoMars 2016-Start-Presse Event im ESOC in Darmstadt tummelte sich eine interessante Versammlung von Raumfahrt-Involvierten, -Experten und -Fans. Darunter auch der Elektronik-Ingenieur Diego Urbina, der am Mars 500-Experiment teilgenommen hat. Der Halb-Italiener (und Halb-Kolumbianer, *1983) gehörte, gemeinsam mit Romain Charles, zur ESA-Abordnung im Team.
Wir kamen ins Gespräch über seine Erfahrungen, Erlebnisse und Beweggründe.
Beim ExoMars-Event trug er keinen Astronautenoverall, sondern gehobenes Zivil. Am Revers des Jackets steckte ein Orden am blaugestreiften Band: Die russische Medaille “For Merit in Space Exploration” ( Медаль “За заслуги в освоении космоса”). Sie wird seit 2010 an Teilnehmer der Raumfahrt-Programme verliehen.
Mars500 ist die – so realistisch wie auf der Erde mögliche – Simulation eines Mars-Flugs: sechs Freiwillige haben in Moscow’s Institute for Biomedical Problems (IBMP) für 520 Tage in einem abgeschlossenen Habitat gelebt – so lange, wie ein Flug zum Mars und zurück dauern würde. Mars500 stellte den gesamten Mars-Flug mit seinen unterschiedlichen Flug-Abschnitten und ein Ausstieg auf dem Roten Planeten nach – der „Flug“ dauerte von April 2010 – October 2011).
Meertext: „Welche Ausbildung haben Sie, die Sie für einen Marsflug qualifiziert?“
D. U.: “Ich habe einen Bachelor und Master-Abschluß als Elektronik-Ingenieur der Universität Turin und einen Master in Space Studies der International Space University, in Straßburg.“
Neben einer ganzen Reihe Aktivitäten in Raumfahrt- und Astronautik-Programmen gehörte er 2010 zur Crew der Mars Desert Research Station (MDRS) in Utah, USA.
Mehr zu seiner Qualifikation steht auf der ESA-Seite zum Mars500-Projekt.
Das Mars 500-Team bestand aus Ingenieuren und Ärzten mit speziellem Raumfahrt-Schwerpunkt.
Meertext: “Was waren Ihre Beweggründe, sich für dieses außergewöhnliche Experiment zu bewerben? Was hat sie inspiriert?“
D.U.: „Ich interessiere mich für Raumfahrt und Weltall! Es ist faszinierend, dorthin zu gehen und zu leben, wo noch so viele Rätsel warten. Die Astronauten und ihre Raumfahrtspaziergänge haben mich fasziniert. Und ich bin ein großer Fan von Carl Sagan.“
Meertext: „Wie ist das Auswahlverfahren abgelaufen?“
D. R.: “Insgesamt haben sich wohl um die 5000 Personen beworben, davon kamen etwa 50 in die engere Auswahl. Wir sind dann in Gruppen eingeteilt worden und man hat beobachtet, wie wir gemeinsam agieren. Ich war in einer Gruppe von 11 Personen, wir haben gemeinsam trainiert, dann wurden die sechs Besten ausgewählt. Es ging also nicht um Einzelpersonen, sondern um ein Team.“
Das Mars500-Team bestand aus drei russischen Kosmonauten, zwei ESA-Astronauten und einem chinesischen Taikonauten.
Meertext: “Was ist Ihr Ziel mit dieser Arbeit?“
D. U.: “In meiner Lebensspanne möchte ich dazu beitragen, dass wir auf einem anderen Planeten leben können.” – („To contribute in my lifetime that we can live on another planet!”).
Meertext: ”Sie waren die gesamte Zeit mit anderen Menschen gemeinsam in einem abgeschlossenen Habitat. Hatten Sie eine persönliche Rückzugsmöglichkeit während des Versuchs?”
D.U.: “Jedes Crewmitglied hatte 3 m² persönlichen Raum.“ Auch ein etwas persönlicherer Raum, eher zur Entspannung war die gemeinsame Bordküche, die gemeinsamen Mahlzeiten und die Essenszubereitung waren ein wichtiger sozialer Aspekt.
Meertext: „Wie sind Sie damit umgegangen, nie allein zu sein. Gab es kritische Momente?“
Diego erzählt, dass er sich in solchen Momenten auf seine Arbeit konzentriert hat, und sich dabei wieder entspannte. Es ist ihm anzusehen, dass ihm bei dieser recht glatten Antwort so einiges durch den Kopf geht.
Dann fängt er an, darüber zu sprechen, wie wichtig das Essen war. Diese Bedeutung hatte ihn selbst überrascht, sie war unerwartet. Es gab mehrere verschiedene Phasen der regulierten Nahrungszufuhr. Die härteste Phase beim Essen war das Physiologie-Experiment zum Salzhaushalt im menschlichen Körper.
Jens Titze, Professor für Elektrolyt- und Kreislaufforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg, verordnete 2011 den Marsonauten 205 Tage lang einen strengen Speiseplan mit unterschiedlich salzhaltiger Nahrung. Gleichzeitig mussten sie natürlich auch ihren Urin sammeln. So konnten Titze und seine Arbeitsgruppe genau erkennen, wie lange Salze im menschlichen Organismus bleiben. Das Resultat war ausgesprochen überraschend: Der Salzhaushalt folgt einem mehrtägigen Biorhythmus! Bisher waren die Mediziner davon ausgegangen, dass Salz binnen 24 Stunden wieder ausgeschieden wird. Der Salzgehalt hängt u. a. eng zusammen mit dem Blutdruck.
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