Der 07. Juli ist der “Tag der Schokolade”.
Schon der opulente Name zergeht zart schmelzend auf der Zunge und spätestens bei der dritten Silbe setzt ein erwartungsvoller Speichelfluss ein: SCHOKooo-LA-DE. Für manche eine hochkalorige Süßigkeit, für andere ein verheißungsvolles Superfood. Regelmäßig geistert Schokolade als heilbringendes Gesundheitsfood durch die Medien – Wissenschaftler hängen der leckeren Kalorienbombe mit bahnbrechenden Forschungsergebnissen zu ihrer gesundheitsfördernden und hirntunenden Wirkung regelmäßig ein Mäntelchen der Unschuld um.
Was steckt dahinter?

Historische Schweizer Conchiermaschine
Xocolatl – der lange Weg zum Erfolg
Xocolatl – das leckerste Erbe des Aztekenreichs war in Europa einmal eine wenig geliebte exotische Kolonialware. Das bittere Getränk wurde nur von einem sehr kleinen Personenkreis von extrem Reichen und Exzentrikern konsumiert, so wurde um 1544 am spanischen Hof Schokolade getrunken. Allerdings noch ungesüßt.
Bis ins 18. Jahrhundert wurde Schokolade in Apotheken verkauft, als Stärkungsmittel und Aphrodisiakum.
Der holländische Kakaoimporteur van Houtens erfand ein Verfahren, durch Pressung die Kakaobutter vom Kakao zu trennen, der Kakao wurde dann anschließend zu Kakaopulver zermahlen. Die Zugabe von Zucker machte das aromatische Getränk dann für größere Personenkreise zunehmend attraktiver. Mehrere Erfindungen Schweizer Chocolatiers führten zu der süßen und zart schmelzenden Milchschokolade – unserer heutigen Volks-Süßigkeit.
Ein wichtiger Meilenstein dabei war die Conchiermaschine der Firma Lindt von 1879 mit ihrem speziellen Rührwerk: Aus der bröseligen bitteren Ursprungs-Schokolade werden durch „Conchieren“ (Extrem-Umrühren) Wasser und Aromastoffe abgespalten. Erst dadurch kommt es zu der cremigen Konsistenz und dem zarten, lieblichen, nicht bitteren Geschmack der Milchschokolade.
Kakaopulver ist die ungesüßte Grundsubstanz. Schokolade ist das weiterverarbeitete, verzehrfähige Produkt zum Essen oder Trinken mit veränderlichen Anteilen an Zucker, Milch und anderen Zutaten.
Schokolade ist die unübertroffene Kreuzung aus südamerikanischem Kakao und Schweizer Almkuh. Eine Süßigkeit der besonderen Art.
“Wissenschaftler feiern den gesundheitlichen Nutzen von Kakao und Schokolade.”
Amerikanische Forscher finden (immer mal wieder) heraus: Schokolade ist gesund!
Stimmt das?
Dazu muss man sich die chemische Zusammensetzung von Schokolade genauer ansehen: Ein wesentlicher Bestandteil von Schokolade ist Kakao: Kakaopulver und Kakaobutter. Kakao enthält Theobromin, ein Alkaloid, das wie Koffein anregend wirkt. Es kommt im Kakao, Tee, Kolanüssen und verschiedenen anderen anregenden Genussmitteln vor.

Frucht und Samen des Kakaobaums (Wikipedia)
Theobromin ist ohne Zweifel eine Substanz, die im menschlichen Metabolismus verschiedene Wirkungen hervorruft: Theobromin wirkt u. a. gefäßerweiternd, Herz stimulierend und beruhigt die glatte Muskulatur. Außerdem ist es harntreibend. Mehr über die medizinischen Eigenschaften von Theobromin finden Sie in der Dissertation „Theobromin – Zur Geschichte und Gegenwart eines Wirkstoffs“ von Cordula Schaarschmidt.
Theobromin wirkt außerdem toxisch. Menschen und Mäuse haben allerdings ein Enzym, mit dem die toxischen Anteile schnell abgebaut werden können, darum können wir problemlos Kakao konsumieren. Und Mäuse natürlich auch. Katzen und Hunde haben dieses Enzym nicht und sollten daher keinesfalls Schokolade essen. Glücklicherweise scheitern sie meistens schon an der Verpackung.
Weiße Schokolade enthält übrigens nur Kakaobutter mit einem extrem geringen Theobromin-Anteil und verursacht daher auch keine der aufgeführten Wirkungen.
Die Aussage, Schokolade würde den Blutdruck senken, mag durchaus richtig sein. Aber nur, wenn sie Kakao enthält und in Maßen gegessen wird. Sonst erhöht sie das Gewicht. Und eine Gewichtszunahme birgt die Gefahr eines erhöhten Blutdrucks.
Die Aussage, dunkle Schokolade sei gesund für Zigarettenraucher, weil die Polyphenole dem Verklumpen von Blutplättchen unterbinden, ist geradezu abenteuerlich. Die erheblichen negativen Auswirkungen des Zigarettenkonsums sind hinlänglich bekannt.
Und dann gibt es immer wieder „neuen Forschungsergebnisse“, etwa eine Studie kalifornischer Ärzte von 2012, die 1018 Schokoladenesser zwischen 20 und 85 Jahren interviewt und gewogen haben. Die ausgesuchten Personen hatten keine bekannten Vorerkrankungen wie kardiovaskuläre Probleme oder Diabetes. Das überraschende Ergebnis für die Forscher: Die regelmäßigen Schokoladen-Esser unter den Probanden hatten einen niedrigeren Body-Mass-Index (Beatrice A. Golomb, Sabrina Koperski, et al: “Association Between More Frequent Chocolate Consumption and Lower Body Mass Index” (Arch Intern Med. 2012;172(6):519-521).
In den meisten Presse-Beiträgen über diese Studie und auch in der Publikation selbst wird an mehreren Stellen Kakao mit Schokolade gleich gesetzt.
Aber nicht die Schokolade enthält die gesundheitlich aktiven Substanzen, sondern der Kakao. Die Annahme, dass weiße, dunkle oder Milchschokolade wie eine einzige Substanz betrachtet werden können, ist falsch. Damit sind die Untersuchungsmethoden bereits fragwürdig, das Ergebnis kann nicht richtig sein. Auch die Vorauswahl der Personengruppe ohne kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes beeinflusst das Ergebnis schon in Richtung eines eher niedrigen Body-Mass-Index.
Immerhin kommen die Autoren der Studie selbst darauf, dass die Aussage, regelmäßiges Essen von Schokolade hänge mit einem niedrigen Body-Mass-Index zusammen, wohl doch etwas unzureichend sei. In der Schlussfolgerung geben sie zu: „In conclusion, our findings—that more frequent chocolate intake is linked to lower BMI—are intriguing. […].”
Gute wissenschaftliche Arbeit sieht anders aus.
Einen detaillierteren Beitrag zur Studie mit einer Stellungnahme des Cochrane-Instituts gibt es hier: puls.: “Schokoforschung im Sommerloch (2): Flavonoide gegen neurodegenerative Erkrankungen?”.
Dass das gelegentliche Essen von Schokolade in kleinen Mengen bestimmt nicht schädlich ist, ist eine Binsenweisheit. Natürlich kommt es letztendlich darauf an, sich insgesamt gesund zu ernähren und ausreichend zu bewegen.
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