Buckelwale (Megaptera novaeangliae) sind 40-Tonner und selbst unter Walen Schwergewichte. Ein 40-Tonner mit bis zu 18 Metern Körperlänge hat im Meer nicht allzu viele Feinde. Vor allem, wenn er gern gemeinsam mit anderen Meeresriesen schwimmt, Buckelwale sind nämlich meist in kleinen Gruppen unterwegs. Allerdings fangen auch Riesen klein an: Die Kälber sind bei ihrer Geburt „erst“ 4,50 Meter lang und stehen auf der Speisekarte verschiedener ozeanischer Beutegreifer.
Die größte Gefahr geht von Schwertwalen aus, den großen schwarz-weißen Delphinartigen (Orcinus orca). Orcas sind zwar wesentlich kleiner als die großen Bartenwale, aber ihre Intelligenz und ihr Agieren in Gruppen macht sie gefährlich. Nicht alle Orcas jagen andere Wale, schließlich gibt es viele Populationen, die nur Fische fressen. Andere Familien sind allerdings eingespielte Jagdrudel, die gemeinsam jagen und gemeinsam fressen, sie können auch geschwächte Einzeltiere oder Jungtiere größerer Walarten erlegen.
Die intelligenten Zahnwale entwickeln in ihren Populationen – Ökotypen – für jede Beute die richtige Strategie. Vom Zusammentreiben von Fischschwärmen zu Heringskarussells, das Stranden auf einem Strand, um einen Seelöwen zu erhaschen oder auch das Überspülen oder Umkippen von Eisschollen, um Roben und Pinguine zu fressen.
Wilde Wal-Jagd in der Antarktis
Eine solche wilde Waljagd beobachtete der NOAA-Ökologe Robert Pitman 2009 in der Antarktis: Einige Orcas belauerten eine Weddell-Robbe, die sich auf eine Eisscholle geflüchtet hatte. Die Orcas schwammen nebeneinander und bauten gerade eine Bugwelle auf, um die Robbe von der Scholle ins Meer zu spülen.
Auf einmal tauchten einige Buckelwale auf. Die Robbe schwamm in Todesangst auf die Bartenwale zu, eine Welle spülte sie dann auf die Brust eines mit dem Bauch nach oben schwimmenden Buckelwals. Der Wal hob seine Brust soweit aus dem Wasser, dass die Robbe sicher auf ihrer Wal-Insel lag. Als die Robbe vom Wal zu rutschen drohte, schubste der große Meeressäuger den kleineren sanft auf die sichere Brust zurück. Schließlich konnte die Robbe von ihrer Wal-Insel aus eine sichere Eisscholle erklimmen. “I was shocked,” erzählte der Ökologe und Augenzeuge Robert Pitman spatter, “It looked like they were trying to protect the seal.” Als ob die Buckelwale die Robbe beschützten wollten.
Dieses Erlebnis hat ihn so beschäftigt, dass er weiter recherchierte und dabei auf eine ganze Reihe glaubwürdiger Buckelwal-versus-Orca-Vorkommnisse stieß. Dass es zwischen den beiden Arten manchmal zu Rangeleien kam, ist längst bekannt. Auch wenn die meisten dieser Vorkommnisse eher anekdotische Einzelfälle sind, sind viele von erfahrenen Wal-Biologen glaubwürdig beschrieben worden, andere stammten von Whale-watchings-Booten, auf denen ebenfalls mit Walen vertraute Personen beobachteten.
Pitman und viele andere Biologen haben 115 solcher Beobachtungen zusammengetragen, in denen Buckelwale einem von Orcas gejagtem Tier zu Hilfe kamen: Die Opfer waren Buckelwale, andere Bartenwale, Delphine, Robben und einmal sogar ein Mondfisch (Pitman, R. L.; et al: “Humpback whales interfering when mammal-eating killer whales attack other species: Mobbing behavior and interspecific altruism”; MARINE MAMMAL SCIENCE, 33(1): 7–58 (January 2017) Published 2016. This article is a U.S. Government work and is in the public domain in the USA, DOI: 10.1111/mms.12343).
Die Kavallerie kommt!
Bei 115 Beobachtungen haben in 57 % (n=72) der Fälle die Buckelwale die Orcas attackiert. Schwertwale kommen weltweit in unterschiedlichen Ökotypen vor, die sehr unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten und Verhaltensweisen haben. Fast alle attackierten Schwertwale waren MEKWs – „mammal eating killer whales“ (95%), nur 5 % waren Fischfresser. In 41 Fällen näherten sich die Buckelwale Orcas, die in mehr als 87 % gerade mit Jagen bzw. schon mit dem Fressen beschäftigt waren.
In 27 Fällen hatten MEKWs Buckelwale attackiert, ihre Attacken galten zu 85 % Kälbern und in den anderen Fällen größeren Jungtieren. Wenn Buckelwale jagende Orcas angriffen, waren die Beutetiere in 11% andere Buckelwale und in 89 % andere Arten.
Die Buckelwale schwammen oft aus großer Entfernung heran. Viele Augenzeugen beschreiben, dass die Bartenwale völlig überraschend auftauchten, manchmal nach und nach. Sie eilten offenbar extra wegen der Orca-Attacke heran. Ein Beobachter notierte, dass die Buckelwale aus dem Nichts kamen: „We had traveled quite a distance to observe a group of killer whales attacking a gray whale mother and calf pair and out of NOWHERE, a humpback whale came trumpeting in followed by another and then another until we had about 5 or more humpbacks in the immediate area. It was strange because during the entire journey with several observers on effort, not a single humpback whale had been observed.“ (S. 31, Pitman et al: “Humpback whales interfering when mammal-eating killer whales attack other species: Mobbing behavior and interspecific altruism”, s. u.).
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