Heimlicher Kleiner Tümmler
Trotz seiner Anwesenheit bleibt der kleine Wal oft unentdeckt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Bestände heute nur noch ein Schatten ihrer selbst sind.
Der geringe Bekanntheitsgrad unseres einheimischen Kleinwals resultiert sicherlich auch aus seinem unspektakulären Verhalten. Keine hohen Sprünge, keine aufdringliche Interaktion mit Schiffen, Booten und Schwimmern, kein Synchronsurfen in größerer Anzahl. Neben seinem größeren Vetter mit dem anthropozentrisch interpretierten Dauergrinsen, dem Delphin, bleibt der Schweinswal unscheinbar und somit oft unsichtbar.
Auch seine Abwesenheit in Delphinarien ist nicht gut fürs Image: Nur in wenigen europäischen Delphinarien – oder besser Phocoenarien – wie Kerteminde gibt es Schweinswale, meist handelt es sich dabei um verletzt gestrandete und geborgene Jungtiere. Insgesamt scheint die Haltung von Schweinswalen deutlich schwieriger zu sein als die von Delphinen, von der Zucht ganz zu schweigen. Dennoch haben diese sehr wenige Tiere in menschlicher Obhut zu einem großen Wissenszuwachs geführt: Sie sind genauso lernfähig wie ihre größeren spitzschnauzigen Vettern. Statt eines charmanten Dauergrinsens gucken sie dabei einfach knuffig.
Außerdem sind die in Aquarien gehaltenen Kleinwale die einzigen, deren Liebespiel und Paarung je von Menschen beobachtet werden konnte.
Leider sind Schweinswale insgesamt so unauffällig, dass, obwohl sie seit der Antike bekannt sind, sie nicht selbst genug sind, sondern immer mit anderen Tieren verglichen werden:
Der Schweinswal oder das Meerschwein deuten auf das Schwein hin, ein Vaquita wird mit einer kleinen Kuh verglichen. Phocoena beutet „robbenähnlich“ und Delphinidae sind Delphinartige.
Kleiner Tümmler wäre vielleicht ein netterer, eigenständiger Name, im Englischen haben sie den Eigennamen „porpoise“.
Schweinswale in höchster Gefahr
Die kleinen Wale gehören seit Jahrtausenden zur europäischen Meeresfauna. Leider ist ihr Lebensraum alles andere als sicher für sie, kollidiert doch das Überleben der Kleinwale immer häufiger mit den Interessen der Menschen. In Nord- und Ostsee sind die Fischbestände gefährlich geschrumpft, die kleinen Wale müssen immer häufiger viele kleine oder nicht passende Fische fressen, weil ihre eigentlichen Zielarten nicht mehr in ausreichender Menge vorkommen. Sind die Fische zu klein, sind sie den ganzen Tag beschäftigt, ihre 4,5 Kilogramm Tagesbedarf zusammenzubekommen und verbrauchen dabei viel Energie, sind die Fische zu groß, können sie daran ersticken. Die flächendeckende Meeresverschmutzung macht allen langlebigen Meerestieren zu schaffen, Quecksilber und PCBs sind nur einige der Schadstoffe, die sich innerhalb der Nahrungskette zunehmend anreichern und insgesamt der Gesundheit nicht zuträglich sind. Schiffsverkehr und Lärm verschmutzen den Lebensraum auch akustisch.
In der Nordsee machen Kegelrobben vermehrt Jagd auf halb erwachsene Schweinswale, in kanadischen Gewässern sind es vor allem Grönlandhaie.
Obwohl Schweinswale in der EU heute nicht mehr gejagt werden dürfen, enden viele von ihnen in Fischernetzen: Als Beifang.
Besonders bedroht ist die Phocoena-Population in der zentralen Ostsee, vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Das SAMBAH (Static Acoustic Monitoring of the Baltic Sea Harbour Porpoise)-Projekt, eine Gemeinschaftsaktion aller EU-Ostsee-Anrainer-Staaten, hatte zwischen 2011 und 2014 mit 304 akustischen Detektoren die Sonar-Clicks der Schweinswale erfasst und so ihren Lebensraum kartiert.
Daraus haben die Wissenschaftler eine Karte der Verbreitung, Bestandsgröße und –dichte sowie Gefährdungen der kleinen Wale erstellt, eine solide Basis für das zukünftige Bestandsmanagement und politische Entscheidungen. Das abgehörte Areal erstreckte sich zwischen der Kadet-Rinne im Südwesten bis zu den Åland-Inseln im Norden. Dieser Bestand der zentralen Ostsee ist klar getrennt vom Bestand der Beltsee, der schätzungsweise zwischen 10.000 und 12.000 Tiere umfasst. Die Wale beider Bestände paaren sich nicht, die Bestände müssen also getrennt betrachtet werden.
Überraschend war auch, dass die Kinderstube der Kleinwale südlich der schwedischen Insel Gotland im Meeresareal der Midsjöbank liegt. Die Weibchen gebären dort ihre Jungen, bevor sie sich ebenfalls vor Gotland wieder paaren. Nahezu die gesamte Population der Schweinswale der Zentralen Ostsee soll sich zwischen Mai und Juli in diesem Gebiet treffen. Dass es in Schweden Pläne zur Einrichtung eines Windparks in genau diesem Areal macht, gibt Anlass zur Sorge, der damit verbundene Lärm könnte die Wale in einer empfindlichen Phase vergrämen. Der Lebensraum der Schweinswale wird aber auch an anderer Stelle von menschlichen Aktivitäten bedroht.
Die Verbreitung der kleinen Wale und auch ihrer größeren Vettern ist in der Ostsee nach Osten hin durch die abnehmende Salinität begrenzt: Die östliche Ostsee ist nur noch schwach brackig, mit abnehmendem Salzgehalt nimmt die Tragkraft des Wassers ab. Dann verbrauchen Wale viel mehr Energie, um sich in der Wassersäule zu halten.
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