2. Zwei Loben, zwei Himmelskörper-Verhalten
Die beiden Loben des Kometen haben eine unterschiedliche Dichte, Zusammensetzung, Jahreszeiten und ihre Oberflächen interagieren unterschiedlich. Außerdem geben sie auch noch unterschiedliche Staubschauer von sich, die die Wissenschaftler erstmals im All analysieren konnten.
Hier ist das Profil von Tschurjumow-Gerassimenko (ESA):
3. Entdeckung der ersten Aminosäure auf einem Kometen bzw. in dessen Koma : Glycin
Das Massenspektrometer ROSINA hat für mich besonders interessante Ergebnisse gebracht:
ROSINA hat molekularen Sauerstoff, molekularen Stickstoff und langkettige Kohlenwasserstoffe nachgewiesen, darunter die erste auf einem Kometen bzw. in seinem Koma nachgewiesene Aminosäure (Korrigiert – 2017-05-02, s. Kommentare).
“Kathrin Altwegg und ihr Team haben bis jetzt Glycin auf Tschuri nachgewiesen.
Glycin ist die ERSTE Aminosäure, die auf einem Kometen nachgewiesen werden konnte.
Moooment…da waren doch noch mehr Aminosäuren nachgewiesen worden? Oder?
Nein, erklärt mir Kathrin Altwegg, eben nicht. Das war zwar als Ergebnis des Stardust-Projektes so postuliert worden. Die NASA-Sonde Stardust war 2004 durch die dicke Staub- und Gaswolke, die den Kometen Wild-2 umgibt, geflogen und hatte einige Partikel in einer Probenkammer eingefangen. Zwei Jahre später waren diese Partikel per Fallschirm auf die Erde zurückgekommen und konnten analysiert werden.
Allerdings hatten die Forscher die biochemischen Verbindungen mit Wasser aus den Proben herausgelöst. Damit besteht die Möglichkeit, dass einige Verbindungen erst durch die Reaktion mit Wasser zu Aminosäuren reagiert haben. Der Beweis ist also nicht sicher.
Der Nachweis von Glycin in Tschuri ist hingegen sicher, weil durch die Untersuchung mit dem Massenspektrometer keine Kontamination und Reaktion mit Wasser erfolgt ist. Glycin ist die einzige bekannt Aminosäure, die sich ohne die Anwesenheit von flüssigem Wasser bilden kann!
Weitere Aminosäuren sind bis heute nicht sicher nachgewiesen. Allerdings gibt es in den Kometengasen eine ganze Reihe von Verbindungen, die bei Kontakt mit Wasser zu Aminosäuren reagieren könnten. Und so könnten, so Kathrin Altwegg, doch – auch – Kometen diese wichtigen Grundbausteine des Lebens auf die Erde gebracht haben. Schließlich gibt es auf der Erde wirklich viel Wasser, so dass die Kometentrümmer bei einem Impact sehr sicher mit diesem wichtigsten aller Lösemittel reagieren konnten.” (meertext: Rosetta: Kometen-Zoo und Kometen-Suppe).
Abb. ESA
Die Suche bzw. das Finden von Aminosäuren, den Bausteinen des irdischen Lebens oder sogenannter probiotischer Moleküle, steht im Kontext mit der “L-“-Frage: der Suche nach Lebensformen (Life forms) außerhalb der Erde.
Die Analysen der Berner Arbeitsgruppe um Frau Prof. Altwegg sind noch nicht abgeschlossen, sie deutete im Vortrag an, dass sie da noch einige interessante Funde erwartet.
Wissenschaft zum Miterleben
Die Rosetta-Mission ist mit ihren spektakulären Ergebnissen bereits jetzt in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Für mich ist sie auch darum so interessant, weil sie vor den Augen des Publikums passierte und jedermann und jederfrau sie mitverfolgen und daran teilhaben konnte.
Die Bilder standen online im Netz und dann erfolgte die wissenschaftliche Interpretation. Interessierte konnten online ihre Fragen an die Experten bei den ESA-Veranstaltungen stellen.
Eine der wissenschaftlichen Galionsfiguren von Rosetta ist Dr. Matt Taylor. Der Astrophysiker ist Experte für Plasma und hat bis jetzt schon eine ganze Reihe von bahnbrechenden Publikationen zu Rosetta veröffentlicht.
Matt meinte zum Abschluß des Projekts beim Grand Finale bei ESOC, dass Rosetta DIE Mission seines Lebens sei und die umfangreichen Datenströme Wissenschaftlern noch für die nächsten 10 Jahre beschäftigen werden. Der Astrophysiker mit den Astro-Tattoos ist eine der schillerndsten Gestalten des Rosetta-Projekts und hat phantastische Forschungsergebnisse gebracht. Gleichzeitig bemüht er sich sehr, diese komplizieret Materie allgemeinverständlich zu erklären, etwa in Vorträgen oder Interviews.
Hier ein Interview aus dem Guardian: “Rosetta project scientist Matt Taylor: ‘I think comets bring the funky organics’”. Die Recherche nach ihm liefert zunächst viele Links zu “Shirtgate”, das er durch ein unglücklich gewähltes Hemd unbeabsichtigt verursacht hatte. Schade, dass die meisten Medien sich dann lieber am vermeintlichen Sexismus und viel Geschrei hochzogen, als über das geniale Projekt, seine Technik und Wissenschaft zu berichten.
Das Rosetta-Feeling – Europas Ritt auf dem Kometen
Rosetta ist eine Mission, die auf sehr langer Planung und einer schier unglaublichen Logistik basiert. Die European Space Agency hat 22 Mitgliedsstaaten und Niederlassungen in vielen Ländern. Das ESOC in Darmstadt ist das Kontrollzentrum für alle Satelliten und nicht zuletzt durch den Ritt auf dem Kometen sind mittlerweile viele Darmstädter stolz auf ihren “Weltraumbahnhof”. Die ESA ist ein großartiges Beispiel für Europa, dass viele nicht sehr große Staaten durch eine gezielte Kooperation sehr große Projekte planen und erfolgreich durchführen können.
Gerade in unserer Zeit ist der Gedanke des “Wir Europa (und darüber hinaus)” wichtiger denn je, wird es doch gerade auf staatlicher Ebene chic “Ich” zu sagen.
Raumfahrt stellt High-Tech-Arbeitsplätze, fördert innovative Problemlösungen und ist eine aktive Mitplanung der Zukunft. Jeder investierte Euro sichert Aufträge und Arbeitsplätze in Europa, Herr Prof. Wörner sagte im Vortrag auf der Starkenburg-Sternwarte, dass jeder in die ESA investierte Euro 10 Euro zurück brächte.
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