Der erste bekannte Patient war ein Wildtierhändler, der sich das Sars-Coronavirus in Guangdong von Zibetkatzen geholt haben sollte. Zibetkatzen und andere Schleichkatzen, die im tropischen und subtropischen Asien und Afrika leben, sind in China eine Delikatesse, auf den sogenannten Wet Markets (Wildtiermärkten) werden sowohl Wildfänge als auch gezüchtete Tiere gehandelt. Sowohl Wet Markets als auch Zuchten sind berüchtigte Brutstätten für Keime. Enge und Stress setzen den Tieren zu, Tiere und Menschen kommen mit Urin, Kot, Schweiß und sogar Blut verschiedener Arten in Kontakt. So können Krankheitserreger auch Artgrenzen überspringen.
Shi und ihre Kollegen machten sich nach der ersten SARS-Epidemie auf die Suche nach dem ursprünglichen Virenquelle, schnell wurde klar, dass die Zibetkatze nur ein Zwischenwirt war. Bei früheren Ausbrüchen anderer Viruserkrankungen waren Pferde und Schweine die Zwischenwirte gewesen, das eigentliche Virenreservoir waren jedoch Fledermäuse. So gerieten bei der Jagd nach dem Corona-Virus-Ursprung Fledermäuse unter Verdacht, bei denen die Virologen schließlich auch fündig wurden.
Immer wieder führt die Suche nach dem Ursprung eines Virus zu tropischen Fledermäusen und Flughunden – bei SARS-, MERS-, Ebola- und Marburg-Viren.
Woran liegt das?
Der Biologe Thomas O´Shea meint, dass es am hohen Stoffwechsel der flugfähigen Kleinsäuger liegt: Für die Anstrengung des Fliegens läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren, dabei steigt auch die Körpertemperatur an. Fledermauseigene Krankheitserreger wie Viren müssen mit dieser erhöhten Körpertemperatur leben können. Das würde die Pathogene gegen die Immunabwehr anderer Säuger immunisieren – Fieber. Außerdem haben Fledertiere einen weiten Aktionsradius und kämen dadurch mit mehr verschiedenen Krankheitserregern in Kontakt. Seine 2014 publizierte Hypothese “Bat Flight and Zoonotic Viruses” ist seitdem viel zitiert worden.
Andere Wissenschaftler wie der Evolutionsbiologe und Fledermausexperte Christian Voigt (Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung) halten eher die große Artenzahl der Fledermäuse für den wesentlichen Punkt ihrer Viruslast. Nach den Nagetieren (die auch viele Krankheiten übertragen, wovon die Pest sicherlich die plakativste ist) sind Fledermäuse die artenreichste Gruppe der Säugetiere. In Deutschland leben 25 Arten, in einem tropischen Land sind es wesentlich mehr – allein in einem Waldgebiet des tropischen Ecuadors können es schon bis zu 140 Arten sein. Weltweit sind es schätzungsweise 1400 Arten, jede Art hat ihre eigene Fracht an Viren und anderen Pathogenen.
Trotz ihrer Virenlast zeigen die Fledermäuse oft keine Krankheitssymptome, ihr starkes Immunsystem schützt sie davor – die geflügelten Kleinsäuger sind Virusreservoire.
Lebensraumzerstörung und Stress fördern Krankheiten
Normalerweise leben Fledermäuse mit ihrer Viruslast ganz gut, ihr starkes Immunsystem hält die Krankheitserreger auf einem ungefährlichen Level. Wird ihr Immunsystem geschwächt, können sich die Viren stärker vermehren. Eine Schwächung des Immunsystems geschieht etwa durch Stress Christian Voigt hat Streßfaktoren bei Fledermäusen untersucht, etwa auf Borneo, wo großflächig Wälder für Ölpalm-Plantagen gerodet werden. Mit der Rodung eines Waldgebiets verlieren auch die darin lebenden Fledermäuse ihre Schlafquartiere und ihre Nahrungsgrundlage. Der Streßlevel ist anhand von Streßmarkern im Blut der Tiere deutlich abzulesen, der chronische Druck schwächt das Immunsystem. Die Zerstörung seines Lebensraums mit setzt ein Tier unter Streß – unter Streß scheidet es dann auch vermehrt über Kot, Urin und Speichel Viren ab. So besteht eine wesentlich höhere Ansteckungsgefahr, auch artenübergreifend.
Dass überlebende Tiere dann auch unter dem starken Einsatz an Pestiziden auf den Plantagen und anderen Nebenwirkungen menschlicher Aktivitäten leiden, erzählte mir Christian Voigt im Interview an einigen üblen Beispielen. Natürlich leiden nicht nur Fledermäuse, sondern auch alle anderen Tiere und sogar Menschen.
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