Auf diesem Survey sollte also der Status des Dorsch-Nachwuchses überprüft werden:
– Sind Larven da?
– Wenn ja: Wie viele?
– Gibt es noch Larven anderer Arten?
– Wie sieht es mit ihrer Nahrung, dem Zooplankton aus?

Es geht also um recht kleine Lebewesen, darum kommen hier auch kleine Netze mit feinen Maschenweiten zum Einsatz. Je nach Netztyp, Maschenweite und wie ein Netz gezogen wird, fällt der Fang unterschiedlich aus, weil in unterschiedlichen Wasserschichten und -tiefen unterschiedliche Arten und Generationen von Meereswesen stehen.

Einen solchen Plankton-Hol (Hawl – ein Netzzug) beschrieb Elvita in ihrem Blogeintrag. Auf dem Bild ist sie zu sehen, wie sie neben dem MOCNESS steht. So ein „Multiple opening and closing net environmental sensing system“ ist ein Kasten mit gleich einer ganzen Reihe von Netzten, die bei einem einzigen Hol in unterschiedlichen Tiefen ausgelöst Proben nehmen. Dadurch kann man dann genau sehen, welche Arten in welcher Menge in welchen Teilen der Wassersäule stehen. Zusätzlich hat diese Netz Sensoren, die Druck, Temperatur, Leitfähigkeit (Salinität!), Geschwindigkeit und andere Daten messen. Ein MOCNESS erbringt also eine gute Momentaufnahme eines Meeresbereichs. (Hier ist ein Video (nicht von GEOMAR!), wie ein MOCNESS gefahren wird – ganz schön aufwändig!)

Copepoden und andere kleine Krebse wie z. B. Amphipoden (Flohkrebse) fressen Phytoplankton, also winzige Algen. Den Nährstoffüberschuß verstauen sie dann als Lipide in einem kleinen Säckchen im Körper, als  sogenannten Wachsester, also Ester von langkettigen Alkoholen mit langkettigen Fettsäuren. Diese Ölsäckchen sind vor allem typisch für die kleinen Bewohner der hohen Breiten, wie etwa die Ostsee. Je nach Ernährungsstatus wird der Fettvorrat größer oder kleiner, etwa in der Reproduktionszeit zehren sie davon. Gerade Copepoden-Arten, die sich im Winter oder frühen Frühjahr fortpflanzen, brauchen das Fettpölsterchen: Die Reproduktion kostet sie viel Energie zu einem Zeitpunkt des Jahres, in dem noch nicht viel Nahrung vorhanden ist. Schließlich beginnt die Phytoplanktonblüte ja erst im Frühjahr, mit zunehmender Tageslänge und Temperatur.

Copepoden und andere planktische Krebse wie Flohkrebse und Krebslarven wandeln die Algen in hochwertige tierische Fette um, aufgrund ihrer großen Individuenzahl in großem Maßstab. Darum sind sie eine so essenziell wichtige Nahrungsressource für Fischlarven und andere größere Tiere des Planktons, ja, des gesamten Meeresnetzwerks. Und darum ist der Plankton-Status wichtig für die kommerzielle Fischerei. Auch im hoch industrialisierten Deutschland und auch in der kleinen Ostsee ist Fischerei immer noch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, der viele Menschen ernährt und viele Teller mit Fisch füllt.

Ostsee – ein Binnenmeer zwischen Salz- und Süßwasser
Elvita Eglite hat in Lettland studiert und für ihren Master im Golf von Riga geforscht. Auch ihre weitere Forschung fand in der Ostsee statt, sie ist also wirklich eine Expertin dieses kleinen nordischen Meeres. „Dynamisch“, nennt sie die Ostsee, man könnte sie auch „wankelmütig“ nennen.

Baltic Sea

Regions and basins of the Baltic Sea:[26] 1 = Bothnian Bay 2 = Bothnian Sea 1 + 2 = Gulf of Bothnia, partly also 3 & 4 3 = Archipelago Sea 4 = Åland Sea 5 = Gulf of Finland 6 = Northern Baltic Proper 7 = Western Gotland Basin 8 = Eastern Gotland Basin 9 = Gulf of Riga 10 = Bay of Gdańsk/Gdansk Basin 11 = Bornholm Basin and Hanö Bight 12 = Arkona Basin 6–12 = Baltic Proper 13 = Kattegat, not an integral part of the Baltic Sea 14 = Belt Sea (Little Belt and Great Belt) 15 = Öresund (The Sound) 14 + 15 = Danish Straits, not an integral part of the Baltic Sea (HELCOM)

Die Ostsee ist ein ungewöhnliches Binnenmeer, das im Südwesten aus der Nordsee Atlantikwasser bekommt und im Norden durch die Süßwasserzuflüsse dominiert wird. Sieben flachere Schwellen unterteilen sie in sieben tiefere Becken, die unterschiedliche  Salzgehalte und Temperaturen haben. Da die Zuflüsse an Salz- und Süßwasser je nach Saison oder auch in größeren Zeiträumen variabel sind, ist dieses Binnenmeer ein extrem dynamisches Ökosystem mit sehr unterschiedlicher Fauna und Flora. Dementsprechend ist das auch Vorkommen von Plankton- und Fischarten unterschiedlich und auch der Dorsch-Bestand und -Nachwuchs schwanken. Mit einem größeren Nordsee-Wasserkörper schwappen manchmal ganz ungewöhnliche Hochseebewohner hinein, in warmen Sommern hingegen weiten sich Todeszonen aus.
Verschiedene Institute und Arbeitsgruppen aller Ostseeanrainer analysieren diese Bestandsveränderungen, um solche Bestandsentwicklungen frühzeitig zu entdecken. Letztendlich geht es darum, auf der Basis vieler biologischer und abiotischer Parameter Modelle der künftigen Bestandsentwicklung zu erstellen. Dieser Survey ist im Forschungsbereich 3: „Marine Ökologie“ des GEOMAR in Kiel angesiedelt, wo WissenschaftlerInnen sich intensiv mit der Zukunft der Ostsee beschäftigen. Auch wenn selbst ausgefeilte Modelle nur einen kurzen Ausblick geben können, sind sie wichtige Management-Methoden. So können WissenschaftlerInnen oft Empfehlungen aussprechen, welche Handlungen oder Unterlassungen ungefähr welche Auswirkungen haben werden. Dass ihre Empfehlungen regelmäßig kleinere Quoten enthalten, als Fischerei und Politik eigentlich fangen möchte und ihr Rat zum nachhaltigen Bestands-Management oft überhört wird, ist für die befischten Bestände und Ökosysteme nicht gut.

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Kommentare (7)

  1. #1 Rüdiger
    20. Mai 2021

    Hier fehlt die Referenz zu Spongebob.

  2. #2 Bettina Wurche
    20. Mai 2021

    @Rüdiger: Wie konnte ich das nur vergessen?

  3. #3 rolak
    20. Mai 2021

    Wieder mal ein angenehm zu lesender, informativer Text – aaaaber:

    Wie konnte ich das nur vergessen?

    a) Wie jeder andere Mensch auch.
    b) Völlig falsch geantwortgegenfragt – es kann nur einen Text geben:

    💢$@Algengrütze!☠:/#

  4. #4 Joachim
    20. Mai 2021

    Hier ist es, “the watery part of the world”, Aber kein Pottwal weit und breit. Kein Wunder, der futtert ja auch kein Plankton und ist in der Ostsee ehr selten. Ist auch nicht gut für ihn.

    Ein Text mit unglaublich viel Information über die Kleinsttiere. Ich bin erstaunt, wieviel man da überhaupt schon rausbekommen hat. Isotopen … (was noch mal? Analyse?) um Nahrungsketten zu bestimmen und mehr.

    Echtes HighTec! Das noch wirklich draußen. Spannend und ein wenig Neid bei mir. Ich denke, ich muss das noch dreimal lesen um mit der Informationsfülle halbwegs klarzukommen. Da kann ich nur froh sein, mich rolak bez. Lesbarkeit anschließen zu können.

  5. #5 Bettina Wurche
    20. Mai 2021

    @Joachim: Oje, ich hoffe, es ist nicht zu fachspezifisch geworden. Aber als ich Elvitas Blogeintrag las, kamen bei mir soooo viele Erinnerungen hoch. Davon musste einfach mal was `raus. Ich finde es oft schade, dass ich mehr über den Pazifik schreibe, als über unsere Ostsee, die ja so ein ganz eigenartiger Meeresraum ist. Seit letztem Jahr bin ich seit Langem das erste Mal dort wieder ganz tief eingetaucht, in Unterwasserriffe, Seegraswiesen und Wal-Lebensräume – da gibt es doch erstaunlich viel zu entdecken : ) Mein einziger Ostseetag im Studium hatte auf RV Poseidon nur einen Plankton-Hol mit nach Schwefelwasserstoff stinkender Brühe voller Dinoflagellaten (Rote Flut!) erbracht, das war nicht so prickelnd.

  6. #6 Joachim
    21. Mai 2021

    “nicht zu fachspezifisch geworden”? Nein. Viel Stoff ja. Viele Fakten, mir schwirrt ein wenig der Kopf. Aber dieser Kopf ist nicht nur zum herumtragen da!

    Ich will nun nicht einfach noch einmal Loben, auch wenn das sowas von verdient wäre (warum? Gleich und vielleicht etwas anders, als erwartet). Wer bin ich denn? Da müssten wir schon über andere Dinge reden. Mars anyone? (oh nein, war doch nur ein Scherz!)

    Aber ich mag die Sprache (das Thema sowieso). Die spürbare Begeisterung finde ich dringend notwendig.

    Denn wir brauchen Leute, die gerade auch über die Meere berichten und Begeisterung dafür wecken. Wir brauchen die Forscher, die sich auch mal durch stinkende Brühe kämpfen oder sich Verfahren wie dieses Isotopending ausdenken und durchführen. So geht das! High Five für Dr. Elvita Eglite. Toll!

    Denn sonst wird das nichts mehr mit unserer Erde. Dann ist bald nichts mehr da, was wir uns “Untertan machen” könnten. Es ist unsere Verantwortung.

    Dieser Artikel tut seinen Teil dazu. Also diesmal ein ganz anderes Danke. Nicht von mir. Aber von der Erde.

  7. #7 Bettina Wurche
    21. Mai 2021

    @Joachim: Danke!