Isotopenökologie
Elvita ist eigentlich Chemikerin. Sie ist spezialisiert auf Isotopenanalysen und hat in Isotopenökologie promoviert. Mit Isotopenanalysen kann sie in komplexen ökologischen Geflechten, wie dem Ostsee-Nahrungsnetz sichtbar machen, wer wen gefressen hat. Damit kann sie ermitteln, welche Position einzelne Arten in der Nahrungspyramide einnehmen und dieses verwirrende Geflecht etwas entwirren. Mit modernsten Methoden wie der Compound specific Isotope analysis (CSIA) kann sie den Weg einzelner Aminosäuren und Fettsäuren durch die Nahrungskette verfolgen. Damit lassen sich die Räuber-Beute-Beziehungen in den komplexen Nahrungsnetzen der Meere rekonstruieren. Mit Isotopenanalysen können auch Tierwanderungen sichtbar gemacht werden.

Mehr zur Nutzung stabiler Isotopen in ökologischen Beziehungen aquatischer Lebensräume ist hier:
„Eine neue Methodik erlaubt nun,
den Ressourcenkonsum von Organismen über längere Zeit zu mitteln und ihre Position im Nahrungsnetz zu bestimmen. Sie beruht darauf, dass für den Stoffwechsel der Organismen wichtige Elemente, zum Beispiel Kohlenstoff und Stickstoff, in der Natur in winzigen Mengen als ungewöhnliche, stabile Isotope vorliegen, d. h. mit einem vom normalen etwas abweichenden Atomgewicht. So kommt der Kohlenstoff, der normalerweise das Atomgewicht 12 hat (12C) auch mit dem Atomgewicht 13 (13C) vor, der Stickstoff liegt in Spuren als 15N statt des normalen 14N vor. In einem Massenspektrometer kann man das Verhältnis der Isotope eines Elements messen. In den biochemischen Prozessen im Stoffwechsel der Organismen werden nun die Isotope eines Elements nicht genau gleich verarbeitet.“

Welche Tiere waren in der Planktonprobe?
In ihrer Planktonprobe fanden sich die im Bornholm-Becken  häufigsten Ruderfußkrebse Centropages sp., Acartia tonsa, Temora longicronis und Pseudo-/Paracalanus spp) – genau die Community, die an der Stelle zu erwarten war.

Ruderfußkrebs Acartia

Acartia_clausi (Wikipedia: Minami Himemiya)

Acartia mit den elegant geschwungenen Antennen ist ihr Liebling unter den Copepoda. Kann ich gut verstehen, mir ging das auch so.

Die Planktonproben zeigten ein gutes Nahrungsangebot für die Dorsch-Larven, der Ölreichtum macht die kleinen Ruderfußkrebse zum Fischlarven-Superfood.

Daneben waren natürlich auch andere Tiere des Planktons wie Cladocera (Wasserflöhe), die bunten und vielgestaltigen Polychaeta (Borstenwürmer) und offenbar sehr viele Appendicularien-Larven. (Manteltiere).

Eine Dorsch-Larve fand sich auch, daneben noch Larven anderer Fische – die werden in einem anderen Blog-Beitrag dieser Alkor-Fahrt vorgestellt:
“Now in April, in Bornholm Basin in the central Baltic Sea, the most likely larvae to catch are those of flatfish and sprat, but there are also other fishes like shorthorn sculpin or longspined bullhead. If we are lucky we can even catch a few very early cod larvae which normally occur in the summer months. These can be recognized immediately by two black stripes on the body.”

Der Dorsch war also eine vorwitzige früh geschlüpfte Larve und somit ein Einzelkind, seine Geschwister lassen sich noch etwas Zeit. Im Sommer sollte dort dann ein Dorsch-Kindergarten anzutreffen sein.
Flatfish ist natürlich Plattfisch wie Scholle und Flunder und sprat ist Sprotte. Sprotten sind Heringsverwandte, bei uns vor allem als kleine geräucherte „Kieler Sprotten“ bekannt. Diese silbrigen kleinen Fischarten – Hering, Sprotte und Sardine – werden umgangssprachlich auch Blankfisch genannt, wegen ihres silbrig-glitzernden Schuppenkleids. Der longspined bullhead (Taurulus bubalis) ist ein Seabull oder Langstacheliger Seeskorpion.
All diese Fischgruppen haben jeweils spezifische Larvenformen, die man gut auseinanderhalten kann. Die transparente  Larve baut dann allmählich ihren Körper um, bekommt ihre spätere Form und immer mehr Pigmente. In dem Beitrag sind auch Fisch-Babyphotos. „ Fischbabies“ gehen uns mit ihrem Wirbeltier-Kindchenschema eben doch etwas näher als Krebs-„Babies“. Die Komplexaugen und vielen Beinchen sind einfach zu fremdartig.

Diese Fahrt fand im Projekt Integrative Baltic Time Series Analysis with RV ALKOR statt: „Von Kiel aus werden seit 1986 Langzeitdatenreihen und Beprobungen in der offenen Ostsee durchgeführt. Die dabei entstandene Datenreihe gehört zu den besten verfügbaren integrativen Datenreihen zu den pelagischen Systemen dieses Randmeeres. Zu den multidisziplinären Arbeiten die regelmäßig insbesondere im Bereich des Bornholmbeckens, aber auch des Arkona- und Gotlandbeckens und des Danziger Tiefs stattfinden, gehören Hydrographie, Plankton/Nekton Probennahmen, Hydroakustik und pelagische Schleppnetzfischerei einschließlich intensiver Fischprobennahmen. In diesem Blog berichten beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Studierende, über ihre Arbeit während der Ausfahrten mit RV Alkor und andere Tätigkeiten, die damit im Zusammenhang stehen.“

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Kommentare (7)

  1. #1 Rüdiger
    20. Mai 2021

    Hier fehlt die Referenz zu Spongebob.

  2. #2 Bettina Wurche
    20. Mai 2021

    @Rüdiger: Wie konnte ich das nur vergessen?

  3. #3 rolak
    20. Mai 2021

    Wieder mal ein angenehm zu lesender, informativer Text – aaaaber:

    Wie konnte ich das nur vergessen?

    a) Wie jeder andere Mensch auch.
    b) Völlig falsch geantwortgegenfragt – es kann nur einen Text geben:

    💢$@Algengrütze!☠:/#

  4. #4 Joachim
    20. Mai 2021

    Hier ist es, “the watery part of the world”, Aber kein Pottwal weit und breit. Kein Wunder, der futtert ja auch kein Plankton und ist in der Ostsee ehr selten. Ist auch nicht gut für ihn.

    Ein Text mit unglaublich viel Information über die Kleinsttiere. Ich bin erstaunt, wieviel man da überhaupt schon rausbekommen hat. Isotopen … (was noch mal? Analyse?) um Nahrungsketten zu bestimmen und mehr.

    Echtes HighTec! Das noch wirklich draußen. Spannend und ein wenig Neid bei mir. Ich denke, ich muss das noch dreimal lesen um mit der Informationsfülle halbwegs klarzukommen. Da kann ich nur froh sein, mich rolak bez. Lesbarkeit anschließen zu können.

  5. #5 Bettina Wurche
    20. Mai 2021

    @Joachim: Oje, ich hoffe, es ist nicht zu fachspezifisch geworden. Aber als ich Elvitas Blogeintrag las, kamen bei mir soooo viele Erinnerungen hoch. Davon musste einfach mal was `raus. Ich finde es oft schade, dass ich mehr über den Pazifik schreibe, als über unsere Ostsee, die ja so ein ganz eigenartiger Meeresraum ist. Seit letztem Jahr bin ich seit Langem das erste Mal dort wieder ganz tief eingetaucht, in Unterwasserriffe, Seegraswiesen und Wal-Lebensräume – da gibt es doch erstaunlich viel zu entdecken : ) Mein einziger Ostseetag im Studium hatte auf RV Poseidon nur einen Plankton-Hol mit nach Schwefelwasserstoff stinkender Brühe voller Dinoflagellaten (Rote Flut!) erbracht, das war nicht so prickelnd.

  6. #6 Joachim
    21. Mai 2021

    “nicht zu fachspezifisch geworden”? Nein. Viel Stoff ja. Viele Fakten, mir schwirrt ein wenig der Kopf. Aber dieser Kopf ist nicht nur zum herumtragen da!

    Ich will nun nicht einfach noch einmal Loben, auch wenn das sowas von verdient wäre (warum? Gleich und vielleicht etwas anders, als erwartet). Wer bin ich denn? Da müssten wir schon über andere Dinge reden. Mars anyone? (oh nein, war doch nur ein Scherz!)

    Aber ich mag die Sprache (das Thema sowieso). Die spürbare Begeisterung finde ich dringend notwendig.

    Denn wir brauchen Leute, die gerade auch über die Meere berichten und Begeisterung dafür wecken. Wir brauchen die Forscher, die sich auch mal durch stinkende Brühe kämpfen oder sich Verfahren wie dieses Isotopending ausdenken und durchführen. So geht das! High Five für Dr. Elvita Eglite. Toll!

    Denn sonst wird das nichts mehr mit unserer Erde. Dann ist bald nichts mehr da, was wir uns “Untertan machen” könnten. Es ist unsere Verantwortung.

    Dieser Artikel tut seinen Teil dazu. Also diesmal ein ganz anderes Danke. Nicht von mir. Aber von der Erde.

  7. #7 Bettina Wurche
    21. Mai 2021

    @Joachim: Danke!