Thunfisch ist ein auch für menschliche Konsumenten wertvoller Fisch, der einen beträchtlichen Wert darstellt, die menschlichen Fischer teilen ihren Ertrag also nur ungern mit den Zahnwalen. Darum kommt es immer wieder zu Aggressionen der spanischen und marokkanischen Fischer gegenüber den Orcas, wie etwa der Biologe Jörn Sellering beobachtet hat. Sellering arbeitet für firmm – foundation for information and research on marine mammals. Die Stiftung erforscht die Orcas vor Gibraltar und bietet Whale watching-Touren an, das Team ist mit dem Bestand gut vertraut.
Orcas jagen entweder direkt die großen, schnellen Fische, die den warmblütigen kraftvollen Säugern körperlich unterlegen sind.
Andere Orca-Familien haben gelernt, in das Netz-Labyrinth der traditionellen Thun-Fischerei hinein- und wieder hinauszuschwimmen, oder „pflücken“ die Thune von den stählernen Haken der Langleinen. Die Fischer wollen sich den teuren Fang natürlich nicht „stehlen“ lassen und verteidigen ihn, teilweise sogar mit Elektroschockern oder Messern.
Außerdem verletzen sich die Orcas oft an den Netzen aus Kunststoff und den Haken aus Stahl. So tragen viele der Wale die Narben tiefer Fleischwunden von Haken und die Einkerbungen an Kopf und Flossen, einige haben sogar Flossen eingebüßt – diese Verletzungen sind typisch für Beifang in Fischereigerät (Mehr dazu hier). Einige Kälber sind auch in den Netzen gestorben, obwohl die Mütter verzweifelt versuchten, sie zu befreien. Die schrumpfenden Thunfisch-Bestände verstärken die Konkurrenz zwischen Mensch und Schwertwal zunehmend.
Dazu kommt, dass gerade dieses Seegebiet extrem stark durch Menschen genutzt ist, Fischerei, Fährverkehr, Frachtschifffahrt und Tourismus sowie die immer höhere Schadstoff- und Lärmbelastung erschweren das Leben der Meeressäuger. Die Gibraltar-Orcas sind nach denen in britischen Gewässern europaweit am stärksten mit Polychlorierter Kohlenwasserstoffen (PCBs) kontaminiert, sie nehmen die Schadstoffe über ihre Beute auf. Die Konzentration von PCBs in ihrem Blubber übertrifft bei weitem die Grenzwerte für Meeressäuger, das westliche Mittelmeer ist ein globaler PCB- “Hotspot” (Jepson, P. D., Deaville, R., Barber, J. L., Aguilar, A., Borrell, A., Murphy, S., Barry, J., Brownlow, A., Barnett, J., Berrow, S., Cunningham, A. A., Davison, N., Doeschate, M., Esteban, R., Ferreira, M., Foote, A. D., Genov, T., Giménez, J., Loveridge, J., et al. (2016). PCB pollution continues to impact populations of orcas and other dolphins in European waters. Scientific Reports, 6, 18573).
So kann dieser Lebensraum den kleinen Orca-Bestand kaum mehr ernähren und ein kleiner Bestand ist immer gefährdeter als ein größerer. Dass die Wale durch internationales, EU- und spanisches Recht streng geschützt sind, hilft ihnen dabei nur wenig.
Orcas versus Boote – wie geht es weiter?
Durch die Dokumentation der Orca-Attacken konnten die spanischen und portugiesischen Wal-Experten nachweisen, dass an 61 % der Angriffe die gleichen drei Schwertwale beteiligt waren, es sind junge Erwachsene. Einige BiologInnen vermuten, dass es davor einen Zwischenfall zwischen diesen Individuen und einem Boot gegeben haben müsse. Andere Wal-ExpertInnen meinen, dass die Orcas sich vielleicht für den Tod eines Kalbes „rächen“ bzw. weitere solcher für sie dramatischen Vorfälle vermeiden wollen.
Klar ist, dass die angreifenden Orcas gezielt und koordiniert vorgehen: Die Menschen auf den Booten berichten, dass die Zahnwale intensiv kommuniziert hätten. Die Pfiffe und Klicks waren durch die dünnen Bootswände deutlich zu hören. Die Akustik der Rammstöße und Kommunikation hatten die Bootsbesatzungen zusätzlich extrem verängstigt, wie die erfahrene Seglerin und Biologin Victoria Morris berichtete.
Spanische WissenschaftlerInnen wie Ruth Esteban von Orca Ibérica haben der spanischen Regierung die Einrichtung eines Orca-Schutzgebiets vorgeschlagen. Damit hätten die Wale einen sicheren Rückzugsbereich, auch wenn ihre Versorgung mit Thunfisch dann noch nicht gesichert wäre. Außerdem drängen sie darauf, endlich die seit 2017 vorliegenden Vorschläge für ein Orca-Management umzusetzen, was eine Reglementierung der Meeresnutzung bedeuten würde. Nach Auskunft von Ruth Esteban ist eine wissenschaftliche Publikation zu diesen Vorfällen in Vorbereitung.
Kommentare (8)