Der Gesang beginnt mit einigen markanten Fanfarenstößen, gefolgt von einem langgezogenen modulierten Stöhnen, schließlich steigt die Tonhöhe fragend an, danach herrscht eine kurze Pause. Aufsteigende und absteigende geblubberte Seufzer wechseln mit langen undulierenden Schallwellen, die sich mit den Meereswellen mischen. Dazwischen kurze Stakkatos von Quietschern und hohen Rufen. Ein fast vogelartiges Trillern und Zirpen klettert mehrere Oktaven höher. Die überirdisch anmutende Sphärenmusik ist der Balzgesang männlicher Buckelwale. Jedes Jahr buhlen sie akustisch vor Hawaii, Australien und anderswo um die Aufmerksamkeit der vorbeiziehenden Weibchen.
Ende der 1960-er Jahre analysierten einige Biologen zum ersten Mal diese Walgesänge wissenschaftlich, 1971 veröffentlichten Roger Payne und Scott McVay ihre ersten Forschungsergebnisse: Die Wallaute waren hierarchisch aufgebaut, also klar strukturiert. Die Basiseinheiten des Gesangs sind einzelne, ununterbrochene Tonfolgen von mehreren Sekunden Dauer. Vier bis sechs davon bilden eine Teilstrophe und zwei Teilstrophen eine Strophe. Diese Strophen wiederholt der Wal dann über zwei bis vier Minuten hinweg als Thema. Mehrere Themen ergeben eine Folge von 20 Minuten und werden manchmal stunden- oder tagelang wiederholt.
Nach dem erbarmungslosen Abschlachten der Großwalbestände bis in die 1960-er Jahre war mit der Umweltschutz-Bewegung auch der Walschutz aufgekommen. Hatten Walforscher bis dahin vor allem tote Wale erforscht, beobachtete eine neue Generation von ihnen lebende Wale als emotionale und soziale Wesen, oft von Segelbooten aus. Die stundenlangen melodischen Gesänge der bis zu 15 Metern langen Bartenwale mit dem buckeligen Rücken klangen wie Sphärenmusik aus den Ozeanen. Diese hypnotischen Wal-Stimmen wurden der Soundtrack im Zeitalter des Wassermanns und begeisterten eine breite Öffentlichkeit für die sanfte Seite der Meeresriesen. Seitdem sind Wale Galionsfiguren des Meeresschutzes, Inspiration für einen besseren Umgang mit den Meeren und Projektionsflächen für menschliche Träume und Sehnsüchte. In unserer krisengeprägten Zeit der 2020-er Jahre gibt es sogar WissenschaftlerInnen, die denken, dass Wale für uns Vorbilder sein könnten, wie wichtig die Gruppe und ein gutes Miteinander sind.
Im Laufe der Gesangssaison variieren die Buckelwale ihre Strophen und entwickeln sie weiter.
Aber sind diese Balzgesänge auch tatsächlich eine Sprache im Sinne der Linguistik? Die Forschungsdisziplin der Bioakustik erbringt immer bessere Aufnahmen der Wale, beobachtet das Zusammenspiel von Verhalten und Lautäußerungen über und unter Wasser und analysiert mit immer neuen technischen Gimmicks die Akustik, mit immer komplexeren Computerprogrammen bis zum Einsatz von KI und Machine Learning.
Eine Sprache ist definiert durch eine hierarchische Kommunikationsstruktur und muss Regeln folgen. Seit 2006 ist klar nachgewiesen, dass die Lieder der Buckelwale ihre eigene Syntax haben, die Töne zu Phrasen kombinieren und daraus stundenlange Songs „komponieren“. Damit, so schlussfolgert der japanische Walforscher Ryuji Suzuki, hat die Buckelwal-Kommunikation zumindest teilweise Elemente einer Sprache.
Mittlerweile sind auch andere Lautäußerungen von Buckelwalen bekannt, etwa zur Abgrenzung von Revieren und zur Verabredung bei der gemeinsamen Jagd – dabei treffen sich mehrere Individuen, um Schwärme von kleinen Fischen gemeinsam einzukesseln und zu vertilgen. Manchmal treffen sie sich auch über weite Strecken hinweg zur Verteidigung gegen Orcas, die allein ziehende Walmütter mit Kälbern oder junge Walen angreifen.
Meeressäuger „sehen“ mit den Ohren
Durch ihr Leben im Meer haben Meeressäuger nur eingeschränkt nutzbare Seh- und Geruchssinne. Stattdessen haben Wale im Laufe ihrer 60 Millionen Jahre langen Evolution ihr Gehör als wichtigstes Sinnesorgan in einzigartiger Weise weiterentwickelt, breitet sich doch auf Schall im Wasser viermal schneller aus als in der Luft. Bartenwale produzieren ihre Laute im Kehlkopf, Stimmbänder haben sie nicht. Da Luft- und Speiseröhre bei ihnen strikt getrennt sind, können sie Töne unabhängig vom Ausatmen bilden. Wie das genau abläuft, ist noch nicht abschließend geklärt.
Durch die langen Nasengänge und den Muskeln erreichen sie große Lautstärken, zusätzlich nutzen sie die Schichtung des Wassers als natürlichen „Verstärker“: den sogenannten SOFAR-Channel (Sound Fixing and Ranging Channel). U-Boote nutzen manchmal den gleichen Kanal zur Ortung und Kommunikation.
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