Brunner schwärmt in seiner Danksagung vom Garten seiner Eltern, wo neben seiner geliebten Schaukel Johannisbeer-, Himbeer- und Stachelbeer-Büsche Sträucher sowie Walderdbeeren wuchsen. Seine Erinnerungen daran haben reiche Früchte getragen, in Form dieses absolut lesenswerten Buches!
Eine fruchtige Anmerkung möchte ich zum Schluss noch ergänzen: die heute bei uns üblichen Erdbeeren stammen nicht, wie weithin angenommen, von den Walderdbeeren ab, die nicht nur wesentlich kleiner sind, sondern auch ganz anders schmecken. Unsere heutigen großen Zuchterdbeeren stammen vielmehr aus Südamerika und wurden von den spanischen Konquistadoren nach Europa gebracht. Die Bestätigung für diese Geschichte habe ich bei einem Besuch im Victoria and Albert  Museum in London gefunden, auf einem Seidenteppich aus Südamerika. Diesen Seidenteppich hatten südamerikanische Menschen in Sklavenarbeit für die spanischen Eroberer angefertigt. Sie bekamen das Seidengarn, das die Spanier aus China importierten und sollten dann daraus Teppiche produzieren. Dabei haben sie ihre traditionellen leuchtenden Farben, wie sie auch die herausragenden Textilarbeiten ihrer Kultur prägen, und die in Südamerika kultivierten Früchte eingearbeitet. So stand ich staunend und zunächst ziemlich irritiert vor einem Wandteppich aus chinesischer Seide mit rot leuchtenden Erdbeeren.  Die deutlich größeren und sehr aromatischen Erdbeeren traten über Spanien dann ihren Siegeszug bis an den nördlichen Polarkreis an. Heute werden sie sogar auf den Vesteralen (norwegische Inselgruppe nördlich der Lofoten) angebaut. Dort habe ich Erdbeerpflanzen als Zierpflanzen in Blumengeschäften gesehen, zu über 8 € pro Pflanze. Mittlerweile gibt es dort auch einen ersten Erdbeerzüchter.
Brunner erwähnt natürlich die historischen südamerikanischen Gärten der dortigen Herrscher und ihre Früchte, mit für mich vielen neuen Informationen. Nur die Erdbeere wollte ich noch ergänzen.

Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung!

(Die meisten Illustrationen stammen nicht aus Brunners Buch, sondern sind Netzfunde)

Bernd Brunner: Von der Kunst, die Früchte zu zähmen – Eine Kulturgeschichte des Obstgartens

13.6 x 21.0 cm, gebunden mit Lesebändchen, 288 Seiten mit 100 farbigen Abbildungen
22,00 €
ISBN 978-3-95728-566-9

1 / 2 / 3 / 4

Kommentare (11)

  1. #1 thomas
    4. August 2022

    “Diese Kulturäpfel stammen wahrscheinlich aus Wildäpfeln im zentralasiatischen Raum, Malus pumila ist wohl ihre ihr Urahne.”

    Malus sieversii aus Kasachstan ist damit gemeint.

    Malus pumila ist der Kulturapfel, auch als M. domestica bekannt.

    Sehr zu empfehlen ist auch Rosie Sanders’ Apfelbuch.

  2. #2 Aginor
    4. August 2022

    Danke für die Rezension, sie macht auf jeden Fall Lust auf das Buch!

    zur Kulturgeschichte der Obstbäume:
    So rein von der Idee her finde ich es auch naheliegender, dass der Anbau von Obstbäumen älter ist als der Getreideanbau, anstatt umgekehrt. Dass aus den Kernen Bäume wachsen die genau jene Früchte produzieren ist sehr schnell intuitiv erfassbar, ohne irgendwelches großartiges Wissen über Biologie. Wenn man also mehr solche Früchte haben will pflanzt man die Samen in die Erde und passt darauf auf.

    Bis aus irgendwelchen Gräsern das Getreide wird, das man so richtig verwenden kann dauert es länger und wenn sich der Ertrag auch lohnen soll dann ist Züchtung erforderlich. Beim Felder bestellen kann man mehr falsch machen als wenn man so halbwild eine Streuobstwiese anlegt, und ein schon einigermaßen großer Baum ist weniger empflindlich und erfordert weniger Arbeitszeit zur Pflege, im Vergleich zu einem Getreidefeld.
    Wenn man sich die Lebensweise der Menschen in jener Zeit anschaut dann leuchtet es schon ein, finde ich.

    Gruß
    Aginor

  3. #3 Bettina Wurche
    4. August 2022

    @thomas: Dankeschön! Ich habe es korrigiert.

  4. #4 Bettina Wurche
    4. August 2022

    @Aginor: Da bin ich hin- und hergerissen. Mit Getreide bekommt man halt viele Menschen schnell satt und es lässt sich lange lagern. Darum denke ich, dass Getreideanbau die Entwicklung von größeren Siedlungen ermöglicht haben dürfte.
    Mit Obst wäre das schwieriger.

  5. #5 rolak
    4. August 2022

    selbst sammelnd

    Oh ja! Zur Zeit ua Brombeeren, die vom Nachbargrundstück in die Firmeneinfahrt wachsen – MI-FR naschen nach Feierabend, DI WochenendErnte. Letzte Woche gabs einen BrombeerMichel, gestern zum Kaffeeklatsch die Beeren zusammen mit Äpfeln in Blätterteig, saure Sahne dabei^^

    Selbst anbauen eher in der Größenordnung Balkon, aber das Buch werde ich mir trotzdem mal ansehen, alte Gentechnik in alten Kulturen ist halt schon ziemlich interessant…

  6. #6 Bettina Wurche
    4. August 2022

    @rolak: Oh ja, das hört sich lecker an! Brombeeren schmecken auch toll im Käsekuchen und überhaupt fast allem : )
    Gentechnik kommt eher nciht vor, es geht eher um tradierte Zucht durch Auslese, Pfropfen,…

  7. #7 nix
    4. August 2022

    Eckart Brandt

  8. #8 Bettina Wurche
    4. August 2022

    @nix: qué?

  9. #9 Ales
    Köln
    4. August 2022

    Kleiner Literaturtipp zum Thema:
    Patrick Roberts: “Die Wurzeln des Menschen” in dem u.A. darum geht, wie der Mensch zu seiner Nahrung kam:
    https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-die-wurzeln-des-menschen/1949143

  10. #10 rolak
    4. August 2022

    geht eher um tradierte Zucht

    ..die halt letztlich ebenfalls den Gensatz abändert(e) – wenn auch deutlich unkontrollierter als es heutzutage möglich ist, sowohl bei klassischer Zucht als auch bei neueren Techniken.

    Imho/zeitlich erlebt dürfte ‘enthält rekombinante’ aka selbstgestrickte DNA mehr ein MarketingDing sein, um großzügig zwischen ‘natürlich’ und ‘GMO’, zwischen gut&böse abgrenzen zu können, inklusive dergleichen.

  11. #11 thomas
    6. August 2022

    Musikalisch passt Ian Dury’s Titel “Apples” gut.