Der am vergangenen Samstag an der holländischen Küste bei Cadzand zunächst lebend gestrandete Orca (Orcinus orca) war ausgezehrt und schwer krank. Der abgemagerte Meeressäuger hatte eine schwere Zahnfleischentzündung, lange nichts gefressen und weitere schwere Entzündungen in verschiedenen Organen, so die ersten Ergebnisse der Autopsie (Universität Utrecht und Wageningen Marine Research). Dazu die Biologin Lonneke IJsseldijk von der Universität Utrecht: „Alle Zähne des Orcas waren locker und verfault. Das Tier muss mit dem Essen wirklich Schmerzen gehabt haben.“ Die Ursache der Entzündungen ist noch nicht geklärt, weitere Analysen sollen mehr Aufschluß bringen.
Der Orca wirkte bereits bei der Strandung viel zu mager. Die Autopsie zeigte dann auch, dass der Magen und der 30 Meter lange Darm leer waren, so der Biologe Mardik Leopold von Wageningen Marine Research. Nur ein winziger Plastikrest fand sich im Verdauungstrakt, der aber nicht die Ursache des Verhungers sein kann. Dieser Orca hatte tagelang nichts gefressen.
Das schwer kranke und geschwächte Tier hat dann die körperlichen Strapazen der Strandung nicht mehr überlebt und war am Strand verstorben.
Orcas lassen sich anhand ihrer schwarzweiße Zeichnung, dem charakteristische Augenfleck und der Rückenflosse individuell identifizieren. Das etwa 20 JAhre alte Weibchen war aus spanischen Gewässern bekannt. Die spanische Tierschutzorganisation Proyecto O.R.CA – Cádiz, hatte diesen Wal in ihrer Bilddatenbank (Photo-ID). Allerdings war sie in den letzten drei Jahren nicht mehr vor der spanischen Küste gesehen worden. Warum sie allein so weit im Norden unterwegs war, ist unbekannt. Ob die Krankheit der Grund für ihren Irrweg nach Norden war oder sie sich zuerst verirrt hat und dann erkrankte, ist nicht bekannt, so die holländischen Wissenschaftler in ihrer Pressemitteilung.
In den nächsten Wochen werden die Wal-ExpertInnen den Gesundheitzustand und die Herkunft des Schwertwals weiter untersuchen und versuchen, Hinweise auf die Todesursache zu finden. Angesichts des frischen Zustands des Tieres lassen sich sicherlich noch viele Daten gewinnen. Später wird das Naturalis Biodiversity Center das Skelett präparieren.
Ich bin gespannt, was die weitere Untersuchung der Zähne und Zahnentzündungen ergeben wird. Schwertwale in manchen Regionen haben stark abgenutzte Zähne. Das hängt mit ihrer jeweils bevorzugten Ernährung zusammen: Vor allem Haie und Heringe führen zu starkem Abrieb an den Zähnen: Haie sind aufgrund ihrer extrem abrasivem Haut ein Problem. Da Orcas größere Knorpelfische wie etwa Grönlandhaie nicht ganz schlucken, sondern davon abbeißen müssen, reiben die Hai-Hautschuppen die Orcazähne stark ab. Die norwegischen Orcas haben zum Heringsfressen ein sogenanntes Herings-Karussel entwickelt: sie saugen die Fische unzerkaut ein. Dabei reiben die Heringsschuppen vor allem über die Frontzähne der Wale, was bei älteren Tieren zunehmend zu Zahnverschleiß führt. Die Heringsschuppen sind zwar viel weniger hart als Knorpelfischhaut, sorgen aber immer noch für moderaten bis starken Abrieb.
Zum Zahnabrieb spanischer Orcas ist mir bisher nichts bekannt. Per Isotopenanalyse lässt sich vielleicht herausfinden, wo die spanische Schwertwalin sic in den letzten drei Jahren herumgetrieben hat und wovon sie sich ernährte.
Da an der holländischen Küste regelmäßig Schweinswale und gelegentlich auch größere Wale stranden, ist der Autopsiesaal auf große Tiere ausgelegt. So war erst im Juli ein junges, 6,5 Meter langes Buckelwal-Weibchen (Megaptera novaeangliae) tot angespült worden. Dieses tot angespülte Tier war ebenfalls extrem abgemagert, ausgetrocknet (Wale decken ihren Wasserbedarf durch ihre Nahrungsaufnahme) und hatte schwere Haut-Entzündungen. Ihr Körper wurde ebenfalls autopsiert und das Skelett wird ebenfalls später von Naturalis präpariert. Auch wenn mittlerweile mehr Buckelwale in der südlichen Nordsee auftauchen, sind Strandungen an der holländischen Küste die große Ausnahme. Auch um die Britischen Inseln herum nehmen die Buckelwalsichtungen zu, Wal-Experten vermuten, dass die Bestände sich nach dem Walfang wieder erholen.
Allerdings sind die dicht besiedelten Küsten der hoch industrialisierten westeuropäischen Staaten mit ihren stark genutzten Küstenzonen auf dem gesamte europäischen Atlantik-Schelf mit Nord- und Ostsee ein für Meeressäuger gefährliches Gebiet. Es wird allerhöchste Zeit für einen effektiven Walschutz, auch in EU-Gewässern und damit in Deutschland. Solange die Meeresschutzgebiete wirtschaft genutzt werden dürfen, bieten sie keinen ernsthaften Walschutz, wie etwa die Erfahrungen mit dem mangelhaft umgesetzten Schweinswalschutz in Nord- und Ostsee zeigen.
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