Eigentlich wollte ich gar keine “Musik zum Sonntag”-Serie machen, schon gar nicht in Konkurrenz zu bloo-D’N’A’-acid. Vielleicht gelegentlich mal etwas Unbekanntes beisteuern. Vor ein paar Tagen tauche eine Interpretation in meiner Playlist auf, die ich Euch jedoch nicht vorenthalten möchte. Und die nehme ich mal zum Anlass die Absicht zu bekunden unregelmäßig – als Amateur – in die weniger bekannten Ecken der Musikgeschichte zu leuchten. Zunächst einmal, viel Vergnügen:

Was ist eigentlich eine Theorbe?

Im Kanal des Videos gibt es auch eine (englische) Kurzeinführung zur Theorbe. Sie ist ja heutzutage kein sehr bekanntes Instrument. Ihr erkennt aber die Laute in der Theorbe, oder? Die musikalischen Neueentwicklungen (vor allem die Oper) in Italien (ab ca. 1600) erforderten tiefe Bassregister zur Begleitung. Was sagt Wikipedia hier?

Damit Darmsaiten bei gleicher Spannung tiefer klingen, muss ihre Masse erhöht werden. Die Erhöhung der Masse erfolgt, indem die Saiten dicker oder länger hergestellt werden. Die bautechnische Lösung zur Aufnahme längerer Saiten war der zweite Wirbelkasten an einem verlängerten Hals.

Also, die Instrumente der Zeit verwendeten Darmsaiten (und für die Basslaute mussten diese lang sein). Darmsaiten wurden und werden häufig aus Schafsdarm hergestellt (ein Prozess der vielmaliges Wässer und Laugen erfordert). Die Saiten haben einen sehr guten Klang, aber heute werden auf Lauten auch häufig Nylonsaiten, mit Draht umwickelte Nylonsaiten oder “Nylgut” – eine Kunststoffsaite, deren Klang den Darmsaiten nahe kommen soll.

Ein Problem der damaligen Instrumentenbauer war noch: Wenn die Saiten mit dem Zug der Theorbe heller werden sollen, werden sie irgendwann so dünn, dass sie leicht reißen. Deshalb sind die zwei “höchsten” Saiten der Theorbe auch eine Oktave tiefer gestimmt, als sie eigentlich sein sollten (mitlesende GitarrenspielerInnen sollten das gleich erkennen), beim Blick auf die resultierende Stimmung:

Von ,G bis G sind die Saiten offen schwingend, alle höheren können gegriffen werden. Wobei es unterschiedliche Bauformen gibt und es beim F Schluss ist mit den frei schwingenden Saiten. Und das kann auch – je nach zu spielendem Lied – zu einem Fis werden. Für Anfänger ein herausforderndes Instrument …

Und wer war dieser Kapsberger?

Giovanni Girolamo Kapsberger (bzw. Johann Hieronymus Kapsberger) war der Sohn eines Wilhelm Kapsberger, einem Obristen, der am österreichischen Hof diente1. Aufgrund seines “deutschen” Hintergrundes und seiner Fähigkeiten auf der Therobe nannte man ihn auch Il Tedesco della tiorba. Man weiß nicht recht, wie er ausgebildet wurde, aber irgendwie muss er in Venedig aufgetaucht sein, denn dort publizierte er sein erstes Werk 1604.

Ein Jahr später war er dann in Rom, wo er Zugang zu vielen prestigeträchtigen Akademien und auch geistlichen Orden fand. 1624 nahm sich Kardinal Francesco Barberini seiner als Mäzen seiner. In seiner herausragenden Stellung gehörte der mächtige Kardinal zu den größten Kunstmäzenen Roms. Folglich widmete Kapsberger einen großen Teil seiner Publikationen der erweiterten Familie des Kardinals, u.a. Papst Urban VIII (Maffeo Barberini) – an den man sich heutzutage vor allem wegen des Prozesses gegen Galileo Gallilei erinnert.

1640 hat Kapsberger zum letzten Mal etwas veröffentlicht. Aufgrund des offensichtlichen Nepotismus und Verschwendung wurde die Barberini-Familie aus Rom vertrieben und Kapsberger musste die Entourage des Kardinals 1646 verlassen. Ab diesem Zeitpunkt sind seine weiteren Aktivitäten bis zum Tod unbekannt. 1651 starb er in Rom im Alter von 71 Jahren 2.

Heute kennt man Kapsberger vor allem als Komponisten für die Laute, bzw. besonders für die Theorbe. Er hat insgesamt vier Bücher für die Theorbe verfasst (wovon eines verloren ging) und zwei Bücher zu anderer Lautenmusik (wovon leider ebenfalls eines verloren ging). Außerdem hat er noch zahlreiche Werke zu anderen Genres veröffentlicht (zwölf säkulare Liederbücher, sechs Bücher zu geistlicher Chormusik, zwei Sammlungen mit Tänzen und Symphonien), Messen und Opern. Seine Schriften belegen große Kreativität und er hat zahlreiche stilistische Neuerungen der damaligen Musik auf die Theorbe übertragen.

Als Komponist genoss Kapsberger einen gewissen Ruhm. Athanasius Kircher, der unter Liebhabern italienscher Folklore bekannt ist für seine Abhandlungen zur antidotischen Wirkung der Tarantella (also des Tanzes gegen die  giftige Wirkung der Tarantelbisse), nannte ihn ein “herausragendes Genie” und einen würdigen Nachfolger Monteverdis – was zeitlich für Kapsberger leider nicht ganz hingehauen hat (er starb 1651, Monteverdi nur 8 Jahre früher)3.

Zum guten Schluß

Von solch Vergleicherei halte ich nicht viel. Hoffentlich gefällt es Euch! Man kann ja die bella nuova (die schöne neue Musik) auch vierhundert Jahre später neu für sich entdecken. Und weil ich gerade Monteverdi erwähnte und ein Kollege den Countertenor Luc Arbogast aus dem letzten Musik-Beitrag in diesem Blog so gut fand, hier noch die Synthese in einem Arrangement der Gruppe “L’Arpeggiata” – Philippe Jaroussky als Countertenor im Ensemble mit Theorbe

Quellen

  1. Aus einem Vorwort zu Kapsbergers Libro Primo die Madrigali a cinque voci (Rom, 1609)
  2. Vorwort von Christopher Wilke zu Kapsbergers Libro Primo D’Intavolatura di Chitarrone  in der Edition von Le Luthe Dore (auch wenn ich keine Werbung machen mag: Das Buch ist sehr zum empfehlen, weil die Kopien alter Tabulaturen, die man sonst manchmal erhält von eher miserabler Qualität sind).
  3. Aus Musurgia Universalis, Rom, 1650, S. 586

 

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Kommentare (5)

  1. #1 gaius
    5. Oktober 2020

    Inspirierend, danke! Das letzte Stück ist ja geradezu Barock-Jazz, wow!

    • #2 Christian Meesters
      5. Oktober 2020

      Die Schnittmenge Barock <-> Jazz ist auch größer als viele denken. Aber über Arrangements bloggen ist schwierig – ich habe keine Ahnung wie man außer vielen Bildern von selbst gesetzten Noten eine Gegenüberstellung machen sollte. Das ist doch ziemlich abstrakt. Aber wenn jemand eine gute Idee hat: Wäre toll!

  2. #3 Helmut Dietrich
    Konstanz
    6. Oktober 2020

    Mir gefällt Marco Beasley als Sänger besser, ein echter Tenor klingt weniger angestrengt.

  3. #4 Robert aus Wien
    6. Oktober 2020

    @Christian Meesters
    “Die Schnittmenge Barock Jazz ist auch größer als viele denken.”

    Naja, die Harmonk ist schon eine ganz andere. Im Wandel der Zeiten haben sich die Hörgewohnheiten der Leute stark geändert, und daher wird heutzutage vieles als konsonant empfunden, was damals als Dissonanz galt. Hindemith hat in seiner Harmonielehre dazu sehr interessant geschrieben.
    Im Jazz ist ja bspw. als Schlußakkord ein Maj-7-Akkord kein Problem, im Barock wäre das eine Dissonanz gewesen, da der (in einer Umkehrung) eine kleine Sekunde enthält.

    • #5 Christian Meesters
      6. Oktober 2020

      ja, und basso continuo hat man auch nicht beibehalten. Meine Behauptung ist ja auch nur: Es gibt eine Schnittmenge, die man mittlerweile häufiger diskutiert sieht. Die aber nicht im allgemeinen Bewusstsein ist.