Spice it with authority! – Altbewährt und oft praktiziert ist das Pochen auf die äußeren Zeichen von Glaubwürdigkeit und Autorität. Damit (“Die Methode stammt von Professor Supertoll!”) verkauft sich manche seltsame Therapie/Diagnose besser und weil es so schön ist, kann man dann auch gegen die etablierte Wissenschaft, die ja so böse ist, stänkern wenn sie wieder einmal zu blind ist die Genialität von Professor Supertoll nicht anzuerkennen.

Offenbar erliegen auch die Mitglieder des MWGFD (Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V) dem Trieb mit akademischer Glaubwürdigkeit winken zu müssen. Eine treffende Einschätzung des Vereins und seiner Mitglieder hat ja bereits Joseph Kuhn nebenan geschrieben. Und mit Verwunderung habe ich bemerkt, dass es sogar einen psiram-Eintrag gibt, wo man ein wenig Kontext zu Fragen wie “Wie seriös ist der Verein eigentlich?” erhalten kann. Auch ich habe mich in meinem Blog schon mehrfach über die Inanspruchnahme wissenschaftlicher Autorität für unwissenschaftliche Behauptungen mokiert.

Zwei Gründe für einen weiteren Artikel

  1. “Bhakdi Epidemiologe”, “Bhakdi seriös”, “Bhakdi Virologe” – diese und ähnliche Suchbegriffe führen häufig zu diesem Blog.
  2. da ich mich nicht vor Diskussionen drücke, bin ich auch schon mehrere Male damit konfrontiert worden welche besonderen wissenschaftlichen Autoritäten Corona für Quark halten.

Wie kann man wissenschaftliche Glaubwürdigkeit einordnen?

Wer über einen “Doktortitel” (also eigentlich einen Doktorgrad) verfügt, hat in der Regel etwas dafür geleistet. Damit einher geht u. a. auch eine erhöhter Grad an Glaubwürdigkeit – was Aussagen zum Thema der Doktorarbeit angeht.

Der MWGFD-Verein führt auf seiner Mitgliederliste sage und schreibe 11 Professorinnen und Professoren. Und möglicherweise auch noch andere, nicht forschende Berufe. Wichtig ist mir in diesem Kontext: Ob jemand über einen wissenschaftlichen Hintergrund verfügt ist völlig irrelevant für die Wertigkeit dieser Person. Mir geht es lediglich um die Frage, wie gut es um die Glaubwürdigkeit derjenigen mit wissenschaftlichem Hintergrund bestellt ist – und wie sich man als nicht-WissenschaftlerIn selber ein Bild verschaffen kann.

Hierzu können wir uns anschauen, was jemand wissenschaftlich veröffentlicht hat. Das alleine bestimmt nicht die Glaubwürdigkeit im Allgemeinen, erlaubt es uns aber zu fragen, ob

  • jemand eine erweiterte Qualifikation zu einem bestimmten Thema hat,
  • bereits aufgefallen ist als meinungsstarke Persönlichkeit oder
  • gar bereits von Kollegen in das Kreuzfeuer der Kritik genommen wurde.

Als Werkzeug soll uns DIE Metadatenbank der Medizin und Biologie dienen: PubMed.

Und so können wir uns eine – zugegen oberflächliche – Einschätzung der Protagonisten des MWGFD verschaffen. Alles was wir hierzu eingeben müssen ist der Nachname und das erste Initial. Ggf. müssen wir genauer hinschauen, da diese Suche nicht eindeutig ist (ich selber teile meinen Nachnamen und das C. mit einem deutschen Pflanzenphysiologen aus derselben Heimatstadt und einem niederländischen Psychiater – beides Felder, für die ich wenig bis keine Kenntnisse reklamiere):

  • Herr Bhakdi verfügt über ein ansehnliches Œuvre (wobei es vorkommen kann, dass einige Publikationen in diesen Links gar nicht erfasst werden). Wir können aber auch erkennen, dass Themen wo er in der Vergangenheit auch meinungsstark war von ihm kaum bearbeitet wurden (Atherosklerose (mehrfach aufgegriffen), BSEDengue Virus) und er im engeren Sinne nie als Virologe oder Epidemiologe auffällig geworden ist, aber viele Dinge so gut versteht, dass er als Experte wahrgenommen werden will.
  • Über den nächsten in der Liste, Prof. Dr. Aris Christidis, ist im lebenswissenschaftlichen Zusammenhang wenig bis nichts überliefert (da kein Zusammenhang zwischen aktueller Position und der verlinkten Arbeit gegeben ist, kann Herr Christidis der Urheber der verlinkten Publikation sein oder auch nicht). Das ist nicht weiter verwunderlich für jemanden, der “Informatik” als Fachgebiet auf der Homepage vermeldet: Wer sich nicht gerade mit Medizin- oder Bioinformatik beschäftigt, wird auch in dieser Berufsgruppe auch eher selten in diesem Sektor publizieren – sollte dann aber auch als BürgerIn sprechen und nicht als Wissenschaftler mit einschlägiger Expertise.
  • Der Chirurg Prof. Dr. Degreif weist ein paar Publikationen auf. Keine davon in den Sektoren Immunologie, Virologie, Epidemiologie, etc..
  • Der nächste auf der Liste ist “Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie” und gleich ein “Doppeldoktor”: Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Haditsch . Mit aber nur wenigen Publikationen für einen Professor mit eigener Arbeitsgruppe, was daran liegen mag, dass eine google-Suche nahelegt, dass er kein forschender Mediziner sondern Labormediziner ist.
  • Herr Prof. Dr. Stefan W. Hockertz verfügt über ein paar Publikationen. Mal genau hinschauen: Da ist lange nichts und in diesem Jahr eine Publikation mit Herrn Walach (s. unten). Eine Publikation, deren aufgeworfene Fragen mittlerweile mehr als hinlänglich geklärt sind.
  • Prof. Dr. Stefan Homburg ist ein Finanzwissenschaftler mit Wikipediaeintrag, der sich für seine Äußerungen zur “Coronakrise” bereits den Unmut der Studierenden in Hannover zugezogen hat. Warum? Weil er auf Youtube (!) am RKI und der Politik herumkrittelt mit wilden Behauptungen, die Süddeutsche Zeitung taufte ihn daraufhin “Prof. Dr. Verschwörung”.
  • Prof. Ines Kappstein verfügt ebenfalls nur über wenige und keine einschlägigen Publikationen, macht aber jetzt durch einen polemischen Artikel auf sich aufmerksam. Für alle mitlesenden Nicht-WissenschaftlerInnen: In der Wissenschaft gilt, dass wer eine gewagte Behauptung äußert auch besonders gute Belege anführen muss. Und ihre Einlassungen im “Corona-Ausschuss” sind unten nochmals verlinkt.
  • Prof. Dr. Christof Kuhbandner ist Psychologe und beschäftigt sich laut seiner Homepage mit der Psychologie des Lernens.
  • Prof. Dr. Werner Müller bietet dankenswerter Weise Vita (beindruckend) und Publikationen auf seiner privaten Homepage. Als Professor für Rechnungswesen und Controlling, darf ich auch hier ohne Häme konstatieren: Nichts zu Medizin oder Biologie. Auch OK, die gegenwärtige Krise erlaubt sehr viel Kritik um Umgang mit ihr, die man von anderer Seite beleuchten kann.
  • Prof. Dr. Karina Reiß nun verfügt über eine gute Publikationsliste. Aber auch hier: Einschlägige virologische, immunologische, epidemiologische oder sonstwie “passende” Publikationen: Fehlanzeige.
  • Prof. Dr. phil. Franz Ruppert, Professor für Psychologie an der Katholischen Stiftungshochschule München, mag ich wissenschaftlich nicht kommentieren (zwar gibt es einige wenige Publikationen in PubMed, aber seine Publikationsschwerpunkte sind wahrscheinlich nicht erfasst). Der Wikipedia-Artikel ist rel. dürftig. Unter WissenschaftlerInnen jedenfalls ist üblich die eigene Forschung international zu publizieren und somit zur Diskussion zu stellen – das kann ich hier nicht insgesamt nicht erkennen.
  • Bei den nächsten beiden auf der Liste mit akademischen Grad, Dr. med. Gertraud Scherz-Willeitner und Dr. med. Heiko Schöning, handelt es sich offenbar um niedergelassene Ärzte. Auch der weiter unten folgende Dr. med. Ronald Weikl fällt in diese Kategorie. Ehrenwerte Berufe, aber kein nennenswertes wissenschaftliches Publikationsaufkommen.
  • Prof. Dr. Harald Walach ist eine tragische Figur, deren Umtriebe hier auf Scienceblogs, inklusive manch absurder Publikationen, bereits seit Jahren Thema sind.
  • Und zu guter Letzt ist da Dr. med. Wolfgang Wodarg, hier auf Scienceblogs ebenfalls kein Unbekannter. Aber er weist ein paar Publikationen auf. Schön für ihn. (Einfach mal hinschauen: Außer Kommentarartikeln wenig Originalität.)

Fazit

Viele der Aussagen der MWGFD-Protagonisten sind bereits heute widerlegt. Aber in einer Zeit wo der Ärztinnenbund darauf hinweisen muss, dass der Bundesärztekammerpräsident Quatsch erzählt hat (auch wenn dieser die Sache inzwischen klar gestellt hat), tausende demonstrieren und zur Hetze aufgerufen wird, muss widersprochen werden. Sonst kommt es noch zu Anschlägen (auch wenn zum Zeitpunkt des Blogartikelschreibens kein Hintergrund bekannt ist).

Also nochmals klargestellt: Keine der aufgezählten Personen ist bis zur COVID-19-Pandemie mit thematisch passenden epidemiologischer wissenschaftlichen Arbeiten aufgefallen. Dennoch kritteln sie an der Statistik herum, dass man das Gefühl hat, hier reden Blinde über die Farbe und Widerspruch muss sein. Anschließend wird die Gefährlichkeit der Pandemie klein geredet und daraufhin  darüber schwadroniert, dass Herdenimmunität durch “natürliche Durchseuchung” zu erreichen sei (hierzu gibt es nochmal einen klugen Widerspruch) oder wir alle immun seien (wirklich? – welche Logik ist das insgesamt?). Da wird von Leuten, die nie eine RT-PCR auswerteten ein Punkt herausgegriffen, den sie nicht verstehen (könnte komisch sein, wenn es nicht so traurig wäre), bis es wieder Erläuterung gibt (zur Not auch auf Twitter). Und so weiter, und so weiter, und so weiter …

Also, bitte, selber denken. Im Zweifel fragen. Nicht einfach glauben, weil jemand einen schönen Titel hat. Oder nach Hartmut Michel, der mir mal sagte (er möge mir das Platzieren dieses Zitats im neuen Kontext verzeihen):

Auch Nobelpreisträger können Unsinn reden.

Dem ist wenig hinzuzufügen.

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Kommentare (19)

  1. #1 Rob
    Oberland
    26. Oktober 2020

    Statt “erlegen” sollte es vermutlich “erliegen” heißen, wir wollen uns ja nicht vom Jagdfieber packen lassen.. Schön recherchiert und zusammengefasst!

    • #2 Christian Meesters
      26. Oktober 2020

      Merci. Viel Recherche war da ja gar nicht zu leisten, aber nach der x-sten Live-Diskussion, wo mir Herr Bhakdi als Überwissenschaftler dargestellt wurde, musste das einfach raus.

  2. #3 echt?
    26. Oktober 2020

    Tja, wenn wenigstes Prof. Nauki Edinger auf der Liste stehen würde. So ist mir da zuwenig Substanz!

  3. #4 RPGNo1
    26. Oktober 2020

    Gute Zusammenfassung, insbesondere in Verbindung mit dem Zitat.

    Dass Nobelpreisträger gefährlichen Unsinn reden können, wissen wir nicht erst seit Kary Mullis, Luc Montagnier und Linus Pauling. Wie schaut es dann erst bei “normalen” Professoren und Doktoren (siehe Liste der MWGFD-Protagonisten) aus? Von Diplom-x, Masters und Bachelors will ich gar nicht erst anfangen.

  4. #5 rolak
    26. Oktober 2020

    Dr. Stefan Homburg ⇒ “Prof. Dr. Verschwörung”

    Ob der SZ das so hübsche und so naheliegende ‘Dr. Humbug’ zu banal war?

    Ansonsten nochmals: schöne Übersicht! Es steht allerdings zu befürchten, daß die Liste der generell unpassenden bzw schon länger abgedrehten Habilitierten und Promovierten mit der Zeit eher wachsen wird, die Listung also einer ständigen Pflege bedarf ;·)
    btw: es muß ja nicht so was Schickes wie zB ‘Laser’ herauskommen, doch ein derart sperriges Akronym wie MWGFD bietet sich doch nur zu einem an: ein Anlaß für eine andere Benennung. Nee, da bleibe ich lieber beim backronymigen, im Zuge eines laaangen Abends kreierten, imho ausreichend herbwürdigenden “Meckerköppe wollen ganz fiele Deutschlehrer”.

  5. #6 echt?
    26. Oktober 2020

    Außerdem könnte man die Liste noch etwas optimieren, z.B. wie bei Neutrino-Energy: https://neutrino-energy.com/scientific-advisory-board/

    • #7 Christian Meesters
      26. Oktober 2020

      Wenn da Ambitionen bestehen: Bitte sehr!

  6. #8 RPGNo1
    26. Oktober 2020

    @rolak

    Vielleicht haben sich die Gründungsmitglieder von MWGFD von den Fanta 4 inspirieren lassen?

  7. #9 HerrXYZ
    26. Oktober 2020

    Falls es irgendwen interessiert: ich bin zwar Naturwissenschaftler, aber ich habe zuletzt ein paar Internetseiten und Youtube Videos zum Thema Finanzen gesehen. Deshalb werde ich demnächst einen größeren Verriss zum Thema Geldwirtschaft und Bankenwesen veröffentlichen! Der Homburg gehört nämlich zu der Finanzdiktatur!

    Und das Thema Lernen kenne ich zu genüge aus persönlichen Erfahrungen. Da werde ich demnächst auch etwas veröffentlichen, was das Lern-Establishment und die Lern-Diktatur zum Einsturz bringen wird: Lernen gibt es gar nicht und ist nur ein Mittel der Oberen, um uns zu unterdrücken!

  8. #10 Gerhard
    26. Oktober 2020

    Bei Karina Reiss ist mir folgendes aufgefallen:
    1) Sucht man nach “Karina Reiss”, findet man 66 Publikationen:
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=Reiss+Karina
    2) Die ursprüngliche Suche mit dem Suchbegriff “Reiss K” detektiert auch Ergebnisse eine(s) Reiss, KA (Kim A. Reiss), hier gesondert abrufbar:
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=reiss+kim+a
    3) Über ihre Person sagt ihr Verlag (“Corona-Fehlalarm”): “Ihre fachliche Qualifikation ist durch über 60 Publikationen in internationalen Fachzeitschriften belegt, für die sie zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten hat.”
    https://www.goldegg-verlag.com/beteiligte/reiss-karina/
    d.h.: Etliche der mit dem Suchbegriff “Reiss K” detektierten 341 Publikationen sind nicht Frau Prof. Karina Reiss zuzuordnen.

    • #11 Christian Meesters
      26. Oktober 2020

      Danke, hab’s korrigiert. Ich muss aus dem falschen (dem Kontroll-)Tab kopiert haben.

  9. #12 Joseph Kuhn
    26. Oktober 2020

    @ HerrXYZ:

    Es reicht allerdings nicht, fachfremd zu sein, das befremdliche Argument gehört zwingend dazu, um bei MWGFD vollwertig dabei sein zu können.

    Von Holm Gero Hümmler gibt es einen lesenswerten Kommentar zu einer nicht ganz identischen, aber verwandten Problematik, nämlich dazu, was einen zum Experten macht: https://quantenquark.com/blog/2020/10/24/sucharit-bhakdi-ist-fuer-covid-19-nicht-bloss-kein-experte-es-ist-viel-schlimmer/

    Für kluge Kritik muss man nicht vom Fach sein, für manche Ebenen der Kritik allerdings schon.

  10. #13 RPGNo1
    27. Oktober 2020

    @Joseph Kuhn

    Vielen Dank für den Link. Ich habe den Blogbeitrag von Holm Gero Hümmler gelesen. Der trifft den Nagel aber so was von auf den Kopf.

  11. #14 Fluffy
    27. Oktober 2020

    Eine interessante Antwort auf eine spannende
    Frage.

    • #15 Christian Meesters
      27. Oktober 2020

      Obschon der Link von Joseph Kuhn auf den quantenquark-Blog noch weiter führt – ich habe lediglich versucht darzustellen, dass die Inanspruchnahme akadem. Autorität in den meisten Fällen bei der MWGFD, “Coronaausschuss”, etc. absolut anmaßend ist.

  12. #16 Tim
    27. Oktober 2020

    Dennoch kritteln sie an den Sie an der Statistik herum, dass man das Gefühl hat, hier reden Blinde über die Farbe und Widerspruch muss sein

    An Statistik kann herumkritteln, wer Ahnung von Statistik hat. Das ist bei vielen Mediziner nicht unbedingt der Fall.

  13. #17 Ulf J. Froitzheim
    Kaufering
    2. November 2020

    Wenn jemand noch ein bisschen mehr über die MWGFD-Vereinsmitglieder erfahren möchte, zu denen auch Geistheiler gehören: Ich habe das in meinem Blog mal genauer aufgefieselt.
    https://wp.ujf.biz/2020/09/professor-seltsam-oder-wie-ich-lernte-das-virus-zu-lieben/
    https://wp.ujf.biz/2020/09/professor-seltsams-impfgegner-und-quanten-geistheiler/

    • #18 Christian Meesters
      3. November 2020

      Entschuldigung – diesen Kommentar habe ich erst aus dem Spam fischen müssen. Nicht sofort gesehen.

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