Arbeitsgruppen lernen nicht. Einzelne Mitglieder vielleicht, aber Arbeitsgruppen haben Arbeitsweisen von denen sie sich schwer, wenn überhaupt, abbringen lassen.
Das ist mein Résumé aus bislang 7 Jahren als universitärer Berater für wissenschaftliches Rechnen in den Lebenswissenschaften. Das ist zwar “nur” eine persönliche Erfahrung, aber wer Kuhn gelesen hat (also den Kuhn, nicht den Kuhn), den wird das nicht überraschen. Immerhin kann ich die Erfahrung auch durch eine Vielzahl von Anekdoten unterfüttern …
Hintergrund
Großrechner sind Ressourcen der wissenschaftlichen Gemeinschaft, also braucht es einen Antrag, um rechnen zu dürfen (lies: Programme nach Wunsch laufen zu lassen). Dafür werden schließlich Mittel gespart, die anderweitig verwendet werden können. Und durch die Anträge weiß ich ob eine Arbeitsgruppe Projektplanung betrieben hat und wie gut:
- Hat man sich Gedanken über Forschungsdatenmanagement gemacht oder nicht?
- Wie wurde die Software ausgewählt?
- Welche Vorstellungen gibt es zum Arbeitsablauf?
- etcetera …
Wie gut geplant wurde lässt sich also leicht erkennen.
Zwei Analogien
Um das Problem anschaulich zu machen stellen wir uns mal eine miese Expeditionsplanung vor: Visa werden nicht beantragt; es geht in die Tropen, aber Moskitonetze werden nicht gekauft; die Ausrüstung ist zwar noch nicht alt, aber die fehlenden Teile vom letzten Mal hat niemand notiert und auch bei dieser Runde wurden keine Teile ergänzt – vor Ort werden sie schmerzlich fehlen.
Oder ein biochemisches Experiment, bei dessen Vorbereitung kein Puffer angesetzt wurde. Niemand hat geschaut, ob noch Platz für die Lösungsmittelabfälle ist (natürlich nicht!) und die Pipetten sind auch nicht kalibriert. Das Laborbuch wird sowieso nicht geführt.
Ok, beide Analogien sind aus dem Finger gesaugt, aber zumindest in biochemischen Laboren kommen diese und andere Konsequenzen mangelnder Planung bzw. Vorbereitung immer wieder mal vor. In jedem Fall kostet die Kompensierung dieser Schlampigkeit Zeit und es wird Hektik ausbrechen. Unter Umständen werden also für den Erfolg entscheidende Faktoren übersehen. Anfänger lernen aus ihren Fehlern. Und am Ende der Dissertation können junge ForscherInnen auch “Studis” im Labor anleiten und auf Fallstricke hinweisen.
Klar ist, selbst außergewöhnlich gute Planung wappnet nicht gegen alle Risiken in der Durchführung eines Projektes – aber mit Planung erhöhen sich die Erfolgschancen beträchtlich.
Doch ohne Planung …
… geht es auch in der Datenanalytik nicht. Oft genug besteht Forschungsdatenmanagement in reiner Archivierung nach Aufforderung. Sprich, ‘rauf auf die Datenmüllhalde! Metadaten hinzufügen, damit man sie selber nach ein paar Jahren verstehen kann? Fehlanzeige! Veröffentlichen gar, damit andere womöglich ein Haar in der Suppe finden? Gott bewahre!
Software wird nach Design von Webseiten ausgewählt – und nicht etwa nach Support und dem Stand der Wartung. Zum Arbeitsauflauf gar gibt es magische Vorstellungen: “Auf einem Großrechner läuft alles schneller und ich nur irgendwie aufs Knöbbsche drücke, oder?” Leute, welche die Arbeit machen sollen, in Kurse schicken? Wozu das denn?
Manche Leute lassen sich davon überzeugen, dass ein Quantum Planung nicht schadet. Handelt es sich dabei um ein(e) principal investigator ist alles gut – vielleicht nicht bis ins Detail geplant, aber die Schnitzer sind weniger grob. Doch leider wird wissen meist durch Hierarchie blockiert: Es ist irrelevant wie viele DoktorandInnen und PostDocs überzeugt werden, dass eine Tasse Kaffee gemeinsam konsumiert mit Stift in der Hand (bzw. das Corona-Äquivalent mit Videochat) eine wohl investierte Zeit ist. So lange die Chefs nicht mit am Tisch sitzen wird die gewonnene Erkenntnis nicht innerhalb einer Gruppe tradiert.
Und so liest sich oft auch die spätere Veröffentlichung. Es handelt sich um Veröffentlichungen deren Material und Methodenteil die Manifestation schludriger Planung ist: Details werden nicht erwähnt, Code nicht veröffentlicht, insgesamt bleibt zu wenig nachvollziehbar.
Fazit
So schließt sich der Kreis zu den bisherigen Artikeln der Serie. Damit meine Behauptung über die mangelnde Nachvollziehbarkeit nicht einfach dahin gerotzt erscheint: Regelmäßig versuche meine StudentInnen bestimmte Veröffentlichungen (die von AGs im eigenen Dunstkreis stammen) nachvollziehen zu lassen. Die Aufgabe das systematisch zu machen, verbunden mit der Frage wie dies in Code zu gießen sei – also nur prinzipiell im Seminar, nicht etwa tatsächlich – produziert regelmäßig ein lehrreiches Scheitern. (Das ist für sie nicht frustrierend: Sind ja nicht ihre Arbeiten, die da verrissen werden.) Und so hoffe ich dazu beizutragen, dass die Dinge sich vor Ort langsam verbessern und weiß auch um viele Mitstreiter anderswo.
Die Zeit der Rants ist nie vorbei, aber demnächst geht es in puncto Bioinformatik konstruktiv weiter …
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