Ehedem litt Kölle unter einer Dürre, inzwischen weite Teile Deutschlands und der Welt – scheinbar dauerhaft. Es ist Zeit, lange gehegte Gedanken, endlich in den Blog zu bringen:

Ich erinnere mich noch gut, als Kind in Feuchtwiesen am linken Niederrhein zu spielen und dabei Amphibien und Insekten kennenzulernen. Teilweise habe ich diese Tiere nie wieder gesehen, ihre Namen nie gelernt. Wahrscheinlich gehörte ich zu den letzten Kindern, die überhaupt dort spielen konnten. Denn kurz nach meinen Sommern, in dem die Feuchtwiesen noch feucht waren, wurde Drainagen gelegt – eine Straße sollte gebaut werden.

Später dann, am Ende meiner Schulzeit, sollte ich einen größeren Aufsatz schreiben, eine Art Projektarbeit mit eigener Recherche. Thema war unser Fluss und sein ökologischer Zustand. Nette Leute in der Stadtverwaltung überließen mir die Kopie eines Gutachtens, das davor warnte, die Aue im Stadtgebiet zum Baugebiet auszuweisen. Es gehörte zu den vielen unbeachteten Umweltgutachten dieser Republik. Und das ist nicht verwunderlich, denn die Leute, die sich nunmehr über die Hochwassergefahr und feuchte Keller beschwerten, waren lokale “Magnaten”. Dennoch war meine Arbeit für mich nicht vergebens und langfristig lehrreich:  vor allem lernte ich die weitreichende Kraft des “Filz” kennen – das kann im Leben ja nicht früh genug verstehen.

Und was haben diese Beispiele mit der heutigen Dürresituation zu tun?

Egal ob Flachland oder hügeliges Land (mit starker Vereinfachung ist das, sieht man vom Watt im Norden und einem alpinen Streifen im Süden ab, Deutschland), unsere Vorfahren haben sich in den letzten Jahrhunderten vornehmlich mit Drainagen und dem Ziehen von Gräben beschäftigt. Der Unterschied zwischen Hügeln und Flachland ist lediglich der, dass in den hügeligen Gebieten mit aller Kraft versucht wurde, Wasser schnell zu Tal zu führen, während in den flachen Gefilden Drainagen vorherrschen.

Wasser schießt zu Tal – Aufnahmen aus dem Frühjahr dieses Jahres (links: Rheinhessen, rechts: Nordhessen südlich von Kassel). Beide Stellen sind inzwischen trocken. Der Blog hätte an dieser Stelle mit vielen Fotos betonierter Gräben mitten in der Landschaft gefüllt werden können – die Sammlung des Autors ist inzwischen eindrucksvoll.

Das Rad zurückdrehen?

Bei zu wenig Regen haben all die Maßnahmen auch weiterhin den gewünschten Effekt: Das wenige Wasser wird unverzüglich abgeführt und den Flüssen zugeführt. Und so manifestiert sich auch die sichtbare Trockenheit schneller. Eine Konsequenz? Kein Obstanbau mehr ohne Bewässerung:

Bewässerunginstallationen, wie sie überall in Rheinhessen anzutreffen sind, inkl. zukünftigen Mikroplastiks durch die Bepflanzung, aber das ist ein anderes Thema. Die unterirdischen Rohrleitungen, welche das Wasser zuführen, sind noch sehr viel beeindruckender. Die hier gezeigte Fläche liegt ca. 600-700 m vom Rhein entfernt. Hinterm Deich doch eigentlich im Bereich des vom Rhein gespeisten Grundwassers.

Landwirte klagen über zu geringe Bodenfeuchte (zu Recht) und Ernteausfälle. Wir alle ächzen an mehr und mehr Tagen im Jahr über die Hitze. Auch Tote sind zu beklagen. Und auf der anderen Seite sehen wir uns einem immer stärker werdenden Starkregenrisiko ausgesetzt. Die möglichen Konsequenzen stehen uns alle noch durch die Überschwemmungen im Ahrtal bewusst vor Augen.

Angesichts dieser Umstände könnten wir auf die Idee kommen, es mit einem Rückbau von Gräben und Drainagesystemen im großen Stil zu probieren: mehr Bodenfeuchte, mehr Grün, weniger schnelles Befüllen der Flüsse bei Starkregen. Ein insgesamt stabileres Mikroklima im Umfeld der Städte und auf dem Land. Kann irgendetwas dagegensprechen?

Auch bei solch günstigen Klimaanpassungsmaßnahmen stehen viele Interessen im Raum. Niemand will abrutschende Straßen und Häuser, weil Wiesen erneut vernässt würden. Kein Landwirt möchte eine Senke mit Staunässe auf eigenem Grund oder gar Äcker und Wiesen, die wieder naturnah gestaltet würden.

Andererseits träumen innovative Stadtplaner von Schwammstädten und längst macht sich die Erkenntnis breit, dass der urbane Raum es mit der Versiegelung zu weit getrieben hat: Die Sommer werden unerträglich und zugleich bangt man vor Starkregen, wohl wissend, dass die aktuellen Kanalsysteme überfordert wären.

Es ist also Zeit in der Stadt wie auf dem Land neu zu denken und Infrastruktur teilweise zu ersetzen. Mit der sich verringernden Grundwasserneubildungsraten ist es nicht zukunftsweisend Grund- oder Trinkwasser im großen Stil zur Bewässerung einzusetzen, schon heute wird über Wasserrationierung nachgedacht. Schon heute müssten wir in sehr viel grüneren Städten leben, damit wir einen dämpfenden Effekt bei Hitzewellen hätten. Schon heute sterben unsere Wälder und man fragt sich, welche Bäume diesem Stress (Hitze und Trockenheit) noch standhalten können.

Auch der Freizeitwert der Wälder sinkt erheblich, wenn wir sie nicht mehr betreten dürfen. Dieses Foto habe ich aufgenommen in einem Wäldchen, dessen Umgebung durch Verstädterung und Landwirtschaft geprägt ist. Oberhalb des Wäldchens finden sich auch Gräben und Drainagen. Hinweis: Ein Zusammenhang ist durch meine Recherche nicht zu belegen.

Ob uns der liebe Gott uns Wasser schenken wird, darf bezweifelt werden. Doch vielleicht helfen die Götter, wenn wir uns selbst helfen (nicht nur bei Mooren)?

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Kommentare (11)

  1. #1 Alex
    Kölle
    13. Juli 2022

    Fehlentscheidungen des Kölner Rates, die nur durch Filz -auch gerne verharmlosend Klüngel genannt- zu erklären sind, gibt es in Köln zu Hauf:
    Abriss der alten Oper
    Nord-Süd-Fahrt
    ein ÖPNV der den Namen nicht verdient
    eine rechtsrheinische “Rheinpromenade” die schwer an Beton erinnert und bei der für Grünzeug offensichtlich kein Geld da war
    ein linksrheinische Rheinpromenda die Bunt ist wie Loriot in seinem berühmten Sketch bei der Eheberatung (“aber vor allen Dingen “Grau””).
    usw…
    Wie sagte Adenauer so schön: “„Man kennt sich, man hilft sich“. Ein Euphemismus, der heute noch schaudern macht.
    Besser formulierte es die Taz: “Köln wird seit 2000 Jahren traditionell scheiße regiert.”
    Leider ist es in dieser Stadt wirklich so, dass es fast völlig egal ist ,wen du wählst (siehe Adenauer).
    Deswegen ist die Verkehrspolitik in den 50gern stehen geblieben, der ÖPNV ein schlechter Scherz (wobei nicht nur KVB, auch die DB kriegt es nicht auf die Reihe) und Fahrrad fahren im Allgemeinen lebensgefährlich ist, da viel zu eng (ausser an den Touristenpunkten. Makulatur kann man).
    Ich glaube langsam nicht mehr dran, dass Köln noch die Kurve in die Neuzeit kriegt, so dass ich befürchte, dass es nicht noch mal 2000 Jahre werden. Was schade ist, da der Kölner an sich durchaus liebenswert und tolerant ist. Bzgl. des Kölner Rates leider zu tolerant.

    • #2 Christian Meesters
      13. Juli 2022

      In der Stadtplanung gilt ja das Bonmot, dass man eine Straße / einen Straßenzug alle 30 Jahre neu machen muss und dann ergibt sich die Chance es besser zu machen. Leider ist man hierzulande auch in Dingen Stadtplanung nicht in der Lage, so schnell dazuzulernen. Da dauert auch dies etwas länger und manchmal werden Dinge noch verschlimmbessert. Schwacher Trost: Der Ort, in dem ich wohne, hat erst vor ein paar Jahren sehr viel Geld in zentralen Tiefgaragenbeton zum Günstigparken investiert. Verkehrspolitisch und vom Mikroklima (der Platz darüber ist größtenteils kahl) eine Dummheit. Und damit ist man wieder beim Starkregenrisiko, das hier hoch ist und dem man mit weiterer Versiegelung eben nicht entkommt.

  2. #3 Tim
    14. Juli 2022

    Klar ist: Wassermangel gibt es nur, wenn es die Gesellschaft so will. Der Wunsch, jegliches Wasser sofort in die Flüsse zu leiten, ist in der Tat fatal. Es gibt allerdings jede Menge anderer Ansatzpunkte, mit denen wir Wassergewinnung (und natürlich auch -verbrauch) optimieren können.

    In Deutschland gehen Jahr für Jahr 200-250 Gigatonnen Niederschlag nieder. Das sind 1-2 Größenordnungen mehr, als wir jemals benötigen werden. Wir brauchen aber künftig halt Wassermanagement. Die Wohlstandsgesellschaft glaubt heute noch, dass Wasserverfügbarkeit selbstverständlich ist.

    Schon heute müssten wir in sehr viel grüneren Städten leben, damit wir einen dämpfenden Effekt bei Hitzewellen hätten.

    In der Tat. Allerdings galt es noch vor 15-20 Jahren als häretisch, Anpassung an den Klimawandel zu fordern. Damals war nur die reine Lehre akzeptiert, also Runterfahren der CO2-Emissionen. Immerhin in diesem Punkt sind viele Menschen glücklicherweise realistischer geworden.

  3. #4 basket random
    https://basketrandom.io
    15. Juli 2022

    Menschen leiden nur, wenn es zu Überschwemmungen kommt.

    • #5 Christian Meesters
      15. Juli 2022

      Nein, leider nicht ausschließlich: Menschen leiden durch Überhitzung, durch Dürre und Hunger, etc. “Klimawandel” ist der Euphemismus für potenziell zivilisationsbedrohende Veränderungen, die sich in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich abspielen werden. Anpassungsmaßnahmen sind notwendig, ebenso wie der Versuch, den Wandel zu dämpfen. Etwas weniger Wasser einfach zu verschwenden (durch Drainagen, Gräben, der Schwimmbäder in privaten Gärten, etc. etc.), wäre Anpassung wie auch eine leichte Dämpfung des Klimawandels durch etwas mehr grün.

      Nicht viel, aber in summa möglicherweise etwas, was unser Leben einfacher machen könnte.

  4. #6 Joseph Kuhn
    15. Juli 2022

    “Menschen leiden nur, wenn es zu Überschwemmungen kommt.”

    Nur zwei von vielen Gegenbeispielen:

    Afrika: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-05/un-bericht-klimawandel-erderwaermung-duerre-trockenheit-afrika

    Deutschland: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/klimawandel-hitzetote-deutschland-1.5613015

    • #7 Christian Meesters
      15. Juli 2022

      Die Hitzetoten hierzulande waren bereits verlinkt – um genau dem Argument zuvorzukommen, dass Hitze eigentlich ein kleineres Problem als zu viel Wasser ist. In einer Hitzewelle stirbt es sich halt leiser, undramatischer.

  5. #8 Joseph Kuhn
    15. Juli 2022

    “In einer Hitzewelle stirbt es sich halt leiser, undramatischer.”

    So ist es. Da hat man es eher mit “statistischen Toten” zu tun, und dazu noch mit Älteren, Vorerkrankten – und Ärmeren.

  6. #9 Erwin Hoffmann
    Westerwald, vorher Köln
    15. Juli 2022

    Alex hat in seinem Beitrag erwähnt:

    Abriss der alten Oper
    Nord-Süd-Fahrt
    ein ÖPNV der den Namen nicht verdient

    Ja, und die NS-Fahrt hat dazu geführt, dass das Archivhaus eingestürzt ist, weil zuviel Grundwasser abgepumpt wurde. Das Projekt war eine organisierte Verantwortungslosigkeit. Mit dem gleichen Problem, dass der Untergrund am Rheinufer schwimmt, hatten schon die Römer zu kampfen. Ein Blick in die Katakomben belegt das.

    Dat Wasser von Kölle ess jut? Nee. Oberflächenfiltrat mit viel Kalk, was da aus den Hähnen kommt; falls die noch funktionieren. Bei den Bauprojekten aus den 70/80ger Jahren, wo Kupferleitungen häufig hart verlötetet wurden, ist das schon fast ein Exitus für selbige.
    Falls die Versicherungsbranche mal ihre Regressfälle öffentlich legen würden, wäre das Anlass zum Staunen.

    Ex Junkersdorfer.
    –eh.

    • #10 Christian Meesters
      16. Juli 2022

      “Dat Wasser von Kölle” wurde ja nur erwähnt, weil das oben verlinkte Lied so schön ist und Trockenheit zum Thema hat. Andererseits kann man sich in der Gegend ja mal darüber Gedanken machen, was so zwischen Jünkerath und Junkersdorf so des Sommers in privaten Pools verschwendet, auf viel Ackerfläche drainiert und anschließend durch gepumptes Grundwasser wieder ausgeglichen wird. Nachhaltigkeit geht anders, da drohen in den nächsten Jahren zusätzliche Probleme. (Wobei die Trinkwasserversorgung bei anderen Großstädten durch Verteilungskonflikte sehr viel stärker unter Stress steht, als in Köln.)

  7. #11 fauv
    nach einem Espresso
    19. Juli 2022

    Ergänzend,
    Die Schwäbische Alb ist das größte Karstgebiet Deutschlands mit kaum Oberflächengewässer.
    Der Württembergische König hat vor 150 Jahren schon vorausschauend geplant und mit Fernleitungen und Wasserpumpen dieses Gebiet versorgt. Die Anlagen funktionieren heute noch.

    Die Regierungsbeamten von NRW können ihren nächsten Ausflug ja mal in dieses Gebiet verlegen.