Bei Arzneimitteln und Medizinprodukten geht es um viel Geld. Allein in Deutschland wurden 2013 im Arzneimittelbereich mehr als 40 Mrd. Euro und in der Medizintechnik mehr als 20 Mrd. Euro umgesetzt, Medizinprodukte machen dabei in der Medizintechnik den größten Anteil aus.

Die Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten ist rechtlich bei uns sehr unterschiedlich geregelt. Bei Arzneimitteln sind die Hürden, z.B. was Sicherheitsstudien angeht, deutlich höher als bei Medizinprodukten, von Nutzennachweisen ganz zu schweigen.

Der neue EU-Kommissionspräsident Juncker, gerade im Zusammenhang mit den Luxemburg-Leaks in die Kritik geraten, hatte vor kurzem geplant, die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in der EU-Kommission in das Ressort Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum zu geben. Nach heftigen Protesten aus dem Gesundheitswesen nahm er – wie sich nun zeigt, nur zur Hälfte – die Entscheidung zurück. Die Zuständigkeit sollte im Ressort Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bleiben. Jetzt wurde aber bekannt, dass dies nur für den Arzneimittelbereich gilt, während die Medizinprodukte doch in die Zuständigkeit des Ressorts Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum kommen sollen.

Bei Medizinprodukten im Sinne des Medizinprodukterechts geht es um ein breites Spektrum an Produkten, von Kondomen bis zum Stent. Immer wieder treten gesundheits- oder sogar lebensbedrohliche Qualitätsmängel auf, die in manchen Fällen durch strengere Zulassungsverfahren zu vermeiden gewesen wären. Viel Aufmerksamkeit gab es für das Thema vor zwei Jahren im Zusammenhang mit einem Skandal um potentiell krebserregende Brustimplantate und aktuell machen Meldungen über mögliche Sicherheitsprobleme bei einem neuen Herzschrittmacher die Runde.

Vor dem Hintergrund, dass zumindest die Zulassung von invasiver Medizintechnik strenger gehandhabt werden müsste, wäre zu fragen, ob die Zulassung von Medizinprodukten im Ressort Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum wirklich gut untergebracht ist. Oder sind Arzneimittel und Medizinprodukte Waren wie andere auch? Auch Sicherheitsmängel an einem Auto können schließlich tödlich sein. Aber vielleicht sind das doch zwei paar Stiefel, weil man auf ein Auto verzichten kann, auf einen Herzschrittmacher nicht, so dass die Patientensicherheit hier eindeutig Vorrang vor den Vermarktungschancen der Industrie haben sollte? Falls ja, gilt dieses Argument auch für Brustimplantate? Und wo verläuft dann die Trennlinie? Wer weiß gute Antworten?

Kommentare (12)

  1. #2 rolak
    14. November 2014

    Auch Sicherheitsmängel an einem Auto…

    Klar, trotzdem nein. Falls ein Ressort Gesundheit, Medizin oä existiert, sollte es imho dorthin, da speziell zu behandeln. (Ohne die Tätigkeitsbereiche auch nur ansatzweise vergleichen zu wollen:) Auftragsmord ist ja auch nur eine Dienstleistung, wird aber dennoch weiterhin eher nicht unter “Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum” geführt werden.

    <OT> von Kondomen bis zum Stent

    Bei letzterem dauerts fast immer ein Weilchen, bis sich die Worterkennung mit sich einig ist, zu amüsant ist die Erinnerung an einen Film der fabulösen Viererbande (D-synchro):

    Frau Wirtin kennt auch einen Stent,
    den sie den flotten Ringo nennt.
    Wenn dieser Stent die Trommel rührt,
    Frau Wirtin auch Gefühle spürt.

    ja ja, reimbedingt wie der ‘Stränd’ bei Mackie Messer. Trotzdem…

  2. #3 Joseph Kuhn
    14. November 2014

    @ rolak:

    Auftragsmord: Schönes Beispiel. Ich glaube, Auftragsmord wird auch noch nicht als wertschöpfende Dienstleistung beim Bruttoinlandsprodukt einbezogen, obwohl man das vor kurzem z.B. mit dem Drogenhandel so gemacht hat.

  3. #4 CM
    14. November 2014

    Meine (bescheidenen) Erfahrungen im Diagnostikmarkt lassen mich denken: Es gibt zu weiche Regularien – aber vor allem (partiell) zu lasche Kontrolle. (Man müsste mehr differenzieren, als in so einem kleinen Beitrag möglich.)
    Würde also eine bürokratische Rochade Verbesserungen bringen? Anders gefragt: Warum sollte sie? Dahinter ist doch allenfalls die Hoffnung, das in anderen Ressorts andere (nicht so stark der Ökonomie zugewandte) Werte herrschen. Mag sein oder auch nicht: Aber gibt es auch ein Personal, dass fähig ist hinter die Aktenlage zu blicken? Ein Personal das clever genug ist, die richtigen, modernen Analysen anzustossen, die Täuschung oder fehlerhafte Produkte entdecken kann?

  4. #5 Dr. Webbaer
    16. November 2014

    Arzneimittel und Medizinprodukte: Waren, wie andere auch?

    Scheint jedenfalls, im Zeitalter der allgemeinen Vernetzung und der freien Verfügbarkeit jedweder Information, sofern das Darknet erreicht werden kann, das “Böse”, eine wichtige Frage, nicht nur aus liberaler Sicht.

    MFG
    Dr. W (der für den Artikel dankt)

  5. #6 med1
    muenchen
    17. November 2014

    Kam heute auch im bayerischen Rundfunk. Ist eine Richtungsentscheidung über die Nachrangigkeit von Verbraucherschutzinteressen in Zeiten, in denen die Wirtschaftsaussichten trüber werden.

  6. #7 Fred
    20. November 2014

    Beim Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung wären die Medizinprodukte aber auch nicht besser untergebracht 😉

    Wo der Schwerpunkt der EU liegt,sieht man schon an der Zahl der wirtschaftsbezogenen Kommissarsämter. Hieß früher ja auch mal EWG.

  7. #8 Dr. Webbaer
    20. November 2014

    Zu klären wäre jedenfalls inwiefern oder inwieweit ‘Arzneimittel und Medizinprodukte Waren, wie andere auch’ sind.
    Das ist eine interessante Frage, zu der sich der Schreiber dieser Zeilen mal aus erfahrener Hand einen fetten WebLog-Artikel wünscht.

    MFG
    Dr. W

    • #9 Joseph Kuhn
      21. November 2014

      Vielleicht führt ein Weg zu einer brauchbaren Antwort über eine andere Frage, nämlich ob der Gesundheit eine andere Bedeutung zukommt als z.B. guter Kleidung, Unterhaltung oder Mobilität?

  8. #10 Dr. Webbaer
    22. November 2014

    Genau. – Auch das Motoradfahren ist potentiell ungesund, auch bestimmte Finanzprodukte sind potentiell monetär “ungesund”.
    Insofern ist hier ein ganz weites Feld beschritten und der Schreiber dieser Zeilen ist i.p. staatliche Regulierung bestimmter Waren ohne feste Meinung, müsste noch dazulernen.

    MFG
    Dr. W

    • #11 Joseph Kuhn
      22. November 2014

      Ja, Motoradfahren kann ungesund sein. Oder gesund, weil es Spaß macht. Aber ein Motorrad hat nicht den Zweck, Krankheiten zu heilen, der Gesundheitsbezug ist indirekt. Dennoch ist die Herstellung von Motorrädern vor allem auch aus Sicherheitsgründen in vielerlei Hinsicht reguliert. Was macht also den Unterschied? Der andere Zweck, d.h. dass es hier nicht um einen gesundheitlichen Nutzen geht? Dass Motorradfahren nicht besonders schützenswürdige kranke Menschen sind? Oder dass es auch Eigenschaften an Motorrädern gibt, die nicht sicherheitsrelevant sind? Ich lerne gerne dazu, insofern sei Ihre Verdachtspsychologie geschenkt, ich höre, was Sie zu sagen haben.

  9. #12 Dr. Webbaer
    22. November 2014

    @ Herr Dr. Jospeh Kuhn :

    Ich lerne gerne dazu, insofern sei Ihre Verdachtspsychologie geschenkt, ich höre, was Sie zu sagen haben.

    Offensichtlich hierzu nicht viel. Stattdessen wird eben auf folgende Nachricht Ihrerseits gehofft.
    MFG
    Dr. W