Etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland ist konfessionslos. An was sie glauben, weiß man nicht. Die anderen gehören einer der großen Konfessionen an. An was sie glauben, weiß man aber auch nicht so genau. Es gibt nicht „den“ Katholizismus und auch nicht „den“ Islam. Woran glauben also die Leute und wie begründen sie ihren Glauben? Diese Frage vereint zwei Bücher, so unterschiedlich sie ansonsten sind. Beide wurden von „gelernten Ungläubigen“ geschrieben.

Das erste Buch ist von Kurt Flasch: „Warum ich kein Christ bin“. Der Titel erinnert nicht zufällig an Bertrand Russells gleichnamiges Buch. Kurt Flasch nimmt explizit Bezug darauf. Anders als Russell beschäftigt er sich allerdings nicht damit, ob Religion unfrei macht. Ihm geht es darum, wie Christen ihre Glaubensinhalte begründen und was historische Dokumente dazu sagen. Kurt Flasch ist emeritierter Philosophieprofessor, Mitte 80, Mittelalterspezialist. In der breiteren Öffentlichkeit ist er erst in den letzten Jahren etwas bekannter geworden, ein „Medienphilosoph“, der Talkshows mit seinen Einsichten beglückt, ist er nicht. Kurt Flasch sagt, er hätte eigentlich keine schlechten Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Er kritisiert in seinem Buch auch nicht den Zustand der Kirche und ihre Skandale. Er beschreibt, philologisch vorgehend, das historische Quellenmaterial und kommt zu dem Ergebnis, dass das, was sich belegen lässt, nicht stützt, was Christen heute glauben. Das beginnt von der Gottesvorstellung, oder besser gesagt, den verschiedenen Vorstellungen von Gott und geht über die Entwicklung des Auferstehungsglaubens, der im Frühchristentum anders war als heute bis zu kuriosen Geschichten wie der, dass sich der Glaube an die Jungfrauengeburt einem einfachen Übersetzungsfehler verdankt. In der ursprünglichen Referenz sei es schlicht um eine junge Frau gegangen. Da fällt der Glaube in der Tat schwer. „Mein Glaube verflog sich, nicht durch schlagartige Bekehrung, nicht durch ein Außenereignis, sondern durch jahrzehntelanges Anhören untauglicher Argumente, fauler Ausreden und Vertröstungen. So ist mir Stück für Stück abhanden gekommen. (…) Am Ende stand das ruhig gewonnene Resultat: Ich war kein Christ mehr.“

Das Buch von Kurt Flasch argumentiert sehr quellenbezogen, sehr systematisch, ist lehrreich. Zwar gut lesbar geschrieben und nicht als Fachbuch angelegt, aber es ist auch keine kurzweilige Unterhaltungslektüre. Ganz anders das zweite Buch, oder zumindest dessen erste Hälfte, die Autobiographie „Nazis, Nadeln und Intrigen“ von Edzard Ernst. Ihn werden schon mehr Scienceblogs-Leser kennen, Edzard Ernst ist ja in Skeptikerkreisen recht prominent. Auch er ist emeritiert, war Medizinprofessor in halb Europa – mit Stationen in München, Wien, Hannover und London. Sein Buch kann man prima als Urlaubslektüre oder am Wochenende im Garten lesen. Sehr persönlich, auch mit der einen oder anderen traurigen Geschichte, vor allem aber mit umwerfend komischen Szenen. So erfährt man beispielsweise, dass der Student Edzard Ernst von einem als Hausmeister verkleideten Professor als Vorlesungsschwänzer enttarnt wurde, oder wie ihn ein Sheriff in Amerika traute: „Er schloss zwei Zellen auf und verdonnerte die Insassen als Trauzeugen.“ Ab 1993 war Edzard Ernst mit einer bis dahin „normalen“ Medizinerkarriere Professor für Komplementärmedizin in Exeter. Sein Ziel: wissenschaftlich zu untersuchen, an welchen komplementärmedizinischen Methoden etwas dran ist und an welchen nicht. Man kann sich denken, dass er damit nicht überall auf Gegenliebe stieß. Ähnlich wie Kurt Flasch war auch Edzard Ernst nicht von Anfang an „ungläubig“, er wurde es wie dieser zunehmend durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema: „Je tiefer ich in diese Welt der Alternativmedizin eintauchte, desto desillusionierter wurde ich, weil mir klar wurde, dass kaum einer dieser Ansätze wirkliches therapeutisches Potential besaß.“ Mit dieser Sache ist Edzard Ernst sichtlich nicht fertig. Er liefert dazu im 6. Kapitel seines Buches zwar eine gute Zusammenstellung von gängigen Pro&Contra-Argumentationsmustern rund um die Alternativmedizin, aber dabei ist ihm regelrecht der Humor vergangen. Hier kämpft er mit den Argumenten der Alternativmedizinszene. Hier wird er auch stellenweise an den falschen Stellen parteiisch, etwa wenn er sagt, anders als in der Alternativmedizin würden in der konventionellen Medizin ungeprüfte Verfahren in der Praxis nicht angewandt, bis Ergebnisse vorliegen. Das ist vermutlich unbedacht hingeschrieben, er wird es kaum wirklich glauben und wer es glaubt, dem sei z.B. die Lektüre von Peter Gøtzsches „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität“ ans Herz gelegt.

Warum Edzard Ernst beim Thema Alternativmedizin so humorlos ist, ahnt man, wenn man das Kapitel seiner Auseinandersetzung mit Prinz Charles liest, der bekanntlich zu denen gehört, die keine Evidenznachweise brauchen, weil sie wissen, dass sie recht haben. Die Geschichte wirkt wie das alternativmedizinische Gegenstück zum Fall Sawicki. Ernst bezeichnet diese Auseinandersetzung als „die unangenehmste Zeit meines ganzen Berufslebens“ – und sie hat letztlich zu einem bitteren Ende seiner Laufbahn in Exeter geführt, auch wenn er seine Biografie nicht so bitter ausklingen lässt: „Heute blicke ich von der friedvollen Warte meines Ruhestandes mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Ungläubigkeit auf eine oft stürmische Vergangenheit zurück. Der Arzt und Wissenschaftler in mir mag noch immer voller Fragen sein, aber der Musiker [Edzard Ernst wollte ursprünglich Jazz-Musiker werden, JK] atmet erleichtert auf: Die Darbietung mit ihren höllischen Schwierigkeitsgraden und den vielen teuflisch-schweren Passagen ist endlich gut überstanden.“ Möge es so sein.

Zwei Bücher, die Glaubensbekenntnisse infrage stellen. Was man glaubt, kommt durch kulturelle Traditionen, Erziehung, Erlebnisse oder Zufall zustande. Rechtfertigungen sind das nicht. Rechtfertigungen erfordern gute Gründe. Die Frage danach, wie etwas tragfähig begründet werden kann, macht auch Wissenschaft aus. Wer sich darauf beruft, dass es daneben andere Wirklichkeiten gibt und diese in seinem Leben wichtiger seien, der mag dies tun, aber er kann nicht verlangen, dass man ihm folgt. Warum sollte man?

Kommentare (53)

  1. #1 Sascha
    18. April 2015

    Wenn der Alternativmediziner zweifelt, nimmt er einfach ein wenig Glaubersalz, dann ist alles wieder im Lot.

    Wenn Herr Flasch meint “Ich war kein Christ mehr.”, heißt das doch aber noch lange nicht, dass er auch nicht mehr gläubig ist.
    Das ist – meiner Ansicht nach – aber die viel wichtigere Frage, wenn es um Glauben geht. Nicht an was man glaubt, sondern ob man glaubt. Gläubigen ist es doch quasi egal (nicht im einzelnen, aber im Prinzip), was sie glauben. Wissen und Logik vertragen sich nicht mit Glauben, aber das Gehirn kann ja wunderbarerweise Widersprüche nebeneinander halten. Siehe Theodizee, Anthropozentrismus etc.
    Insofern ist Herrn Flaschs Buch wohl eher was für Religionsgeschichtsinteressierte und Christentumaussteiger.

  2. #2 Joseph Kuhn
    18. April 2015

    @ Sascha: Das Buch von Kurt Flasch ist keineswegs nur etwas für “Religionsgeschichtsinteressierte und Christentumaussteiger”. Die Art, wie er mit geschichtlich überlieferten Topoi umgeht, ist lohnender Lesestoff für jedermann.

    Und ob er “glaubt”? Er sagt:

    “Ich glaube nicht, und ich glaube auch nicht zu glauben; ich will es nicht versuchen. Ich habe es versucht und berichte vom negativen Ergebnis meiner Versuche. Ich hatte genug Zeit für viele Anläufe. Hier sage ich, was dabei herauskam.”

    Davon abgesehen, ist es egal, was Kurt Flasch glaubt. Es geht um seine historisch-kritische Analyse. Die wäre nicht schlechter, wenn er Hinduist wäre. Newtons Physik lehnt man ja auch nicht ab, weil er an Gott und noch manche andere seltsame Dinge geglaubt hat. Widersprüche im Denken sind eben menschlich, wer meint, davon ganz frei zu sein, sieht sie nur nicht.

  3. #3 demolog
    18. April 2015

    Solange in der Wissenschaft nicht klar anerkannt wird, was neben ihren Ergebnissen der Wissenschaft noch existiert und Realität ist, bleibt die Wissenschaft auch ein Glaubenssystem; ein Glaubensbekenntnis mit den üblichen Dogmen. Oder es ist ein weiteres Herrschaftssystem. (Herrschaft über Menschen per “Wissen” und dessen Hoheit, woran Gesellschaften organisiert werden)

    Man könnte ihr ebenso, wie der Religion als Glaubenskonstrukt vorwerfen, sie werte einseitig und parteiisch – ohne dass sie ihre eigene Unzulänglichkeit anerkennt und ihre blinden Flecken gleichberechtigt in ihr System integrieren.
    Tragfähige Begründungen haben sie alle – je nach Verarbeitungssystem. Man muß nur glauben, dass sie jeweils die einzigen Faktoren seien und von allen Umgebungsbedingungen unabhängig stünden, dann gäbe es am Glaubenssystem “Religion” von Seiten der Wissenschaft hinreichend begründete Zweifel. Doch so funktioniert auch Religion nicht.

    Warum sollte man also anderen “Wirklichkeiten” folgen? Weil es Wirklichkeiten sind und die Leugnung derer andere Menschen diskrimminiert und benachteiligt. Und sowas soll ja nicht sein, oder?

    • #4 Joseph Kuhn
      18. April 2015

      Demolog, mit Verlaub, Sie reden Unfug. Genau darum geht es doch: Aus welchen Gründen soll man etwas annehmen? Einfach zu sagen, weil es andere Wirklichkeiten gibt, heißt übersetzt: Ich weiß es nicht.

      Wenn die “anderen Wirklichkeiten” Wirklichkeiten sind, müssen sie erfahrbar sein. Um sie von Einbildungen abgrenzen zu können, müssen sie nachprüfbar sein. Niemandem sei es verwehrt, daran zu glauben, dass Gott zu ihm spricht. Aber wenn Gott das nicht nachprüfbar tut, wüsste ich nicht, warum ich solche Berichte nicht für eine bloße Einbildung halten sollte. Dann vielleicht zu sagen, es sei frevelhaft, von Gott zu fordern, dass er sich notariell beglaubigt äußern solle, heißt übersetzt: Seelig sind die, die glauben, ohne zu sehen. Die mögen seelig sein, auf jeden Fall sind sie glaubseelig. Woher die Leute immer nur so viel über Gott und andere Wirklichkeiten wissen?

      Spekulationen über andere Wirklichkeiten abzulehnen, bedeutet außerdem nicht, andere Menschen zu diskriminieren, es bedeutet, unhaltbare Spekulationen zu diskriminieren. Wer die Behandlung von Menschen mit der Behandlung ihrer Aussagen gleichsetzt, ist auf dem besten Weg, Scheiterhaufen zu errichten.

  4. #5 Dr. Webbaer
    18. April 2015

    Die Frage danach, wie etwas tragfähig begründet werden kann, macht auch Wissenschaft aus.

    Wobei die moderne skeptizistische Natur-Wissenschaftlichkeit [1] anzunehmen oder zu glauben bliebe, in der Folge könnte dann auf Konzepte wie Wissen und Glauben verzichtet werden, es werden von der Wissenschaft Theorien mit unbekanntem Verfallsdatum bereit gestellt, Provisorien, denen gefolgt werden kann (oder auch nicht).
    Das naturwissenschaftliche Vorgehen ist exoterisch, es kann jeder mitmachen, und aus irgendwelchen Gründen ergeben sich auch Anwendungen, die allgemein verfügbar sind, also nicht so wie esoterische Anwendungen.

    Wer sich darauf beruft, dass es daneben andere Wirklichkeiten gibt und diese in seinem Leben wichtiger seien, der mag dies tun, aber er kann nicht verlangen, dass man ihm folgt. Warum sollte man?

    Irgendwie außerwissenschaftlich geglaubt werden muss aber, es kann auch gehofft werden, dass diesem Glauben andere folgen.
    Die Wissenschaft umfasst nicht alles.

    MFG
    Dr. W

    [1]
    Das Wort trifft es im Deutschen irgendwie nicht, Scientia oder Erkenntnis (vs. Wissen) klingen besser, wenn die Natur gemeint ist.

    PS:
    Zur “Es gibt nicht das/den/die X!”-Schote vielleicht noch, es gibt X schon deshalb, weil es den Begriff gibt, es macht keinen Sinn relativistisch zu werden, auch wenn klar ist, dass sich oft differenzierte Sichten auf diese Xe anbieten.
    Beim Islam scheinen hier Rückzugslinien aufgestellt zu werden, auch um nicht verdammen zu müssen. – Nicht schlecht auch die Bad Bank Islamismus, die die toxischen Werte kapseln soll, so dass allgemein Verträgliches übrig bleibt.

    PPS und hierzu ‘Was man glaubt, kommt durch kulturelle Traditionen, Erziehung, Erlebnisse oder Zufall zustande.’ :
    Hier kommt das selbstbestimmte Individuum mit seinen Fähigkeiten vielleicht “etwas” kurz.

    • #6 Joseph Kuhn
      18. April 2015

      “Irgendwie außerwissenschaftlich geglaubt werden muss aber, es kann auch gehofft werden, dass diesem Glauben andere folgen.”

      Ob “irgendwie außerwissenschaftlich geglaubt werden muss”, sei einmal dahingestellt, es kommt darauf an, was man darunter versteht. Aber warum sollte man hoffen dürfen, dass dem auch andere folgen, wenn man nicht begründen kann, was da geglaubt wird? Das heißt übersetzt: Folge meiner Autoriät, Gründe brauche ich nicht. Dass Sie als selbsternannter Freiheitskämpfer solche Herrschaftsstrategien propagieren, Respekt. Versuchen Sie es mal mit einem Job in der Kirche, dort braucht man Leute, die so denken.

      “Die Wissenschaft umfasst nicht alles.”

      Was Sie nicht sagen. Die Landkarte ist nicht die Landschaft. Das ist mal wirklich uralte Weisheit.

  5. #7 Kassenwart
    18. April 2015

    @demolog

    sie sollten sich erst einmal damit vertraut machen was Wissenschaft ist und zwar bevor sie eine Methodik in einer Weise kritisieren, die schon formallogisch nicht greifen kann.

  6. #8 Dr. Webbaer
    18. April 2015

    Warum sollte man also anderen “Wirklichkeiten” folgen? Weil es Wirklichkeiten sind und die Leugnung derer andere Menschen diskrim[]iniert und benachteiligt. Und sowas soll ja nicht sein, oder?

    Es gibt ganz unterschiedliche Sichten auf das, was passiert, die Welt ist, bspw. das Universum (meint die physikalische Sicht), theozentrische und biozentrische Sicht, was jeweils Richtung Glauben und Esoterik geht, die Realität, die die Sachlichkeit betont (bspw. Josef Honerkamp hat sich an dieser Realität, die nur in bestimmten Schichten des Seins stattfindet, ein wenig abgearbeitet) und auch das witzige Konzept der Wirklichkeit, die ausschnittsartig meint, was (auf Einzelne oder Gruppen) wirkt.

    Die Wirklichkeit als Ausschnitt der Welt ist konzeptuell schwach, Meister Eckhart “hat’s erfunden” und sie stellt eine eher deutsche Spezifiät dar:
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Wirklichkeit

    Die Wirklichkeit ist ein Filter oder eine Relativierung dessen, was passiert, in der Welt.

    HTH
    Dr. W (der für den Begriff ‘Diskriminierung’ dankt, wenn es um Erkenntnis geht – sicherlich bleibt das Bemühen um Erkenntnis in gewissem Sinne und für einige: ethnozentrisch)

  7. #9 Dr. Webbaer
    18. April 2015

    @ Herr Dr. Kuhn :

    Aber warum sollte man hoffen dürfen, dass dem auch andere folgen, wenn man nicht begründen kann, was da geglaubt wird?

    In etwa so, wie die moderne skeptizistische Wissenschaftlich anzunehmen ist, durch eine Art Glaubensentscheid (vgl. auch mit den Ausführungen zum Exoterischen derselben und zu den Anwendungen weiter oben), wäre auch im Sittlichen oder die Moralphilosophie, die idR auch relig. grundiert ist, anzunehmen.
    ‘Begründet’ werden kann übrigens wahlfrei, auch esoterisch und wild.
    Sie meinen etwas anderes.

    Sie können es aber auch billiger haben, bspw. die Zugehörigkeit zu einer sozialistischen oder freiheitlichen Partei oder zu ihren Überzeugungen wäre derart anzunehmen oder den Glauben an die Ehefrau, an die Sinnhaftigkeit des Erwerbs bestimmter Symbole, Statussymbole einschließend, oder den Glauben an das Leben und dessen Sinn allgemein.
    Kinderkriegen fiele Ihrem Kommentatorenfreund als zu glauben sinnhaft noch ein.

    MFG
    Dr. W (der insofern auch nicht mit Herrn Flasch konform geht – wie kann der Kollege nur jahrzehntelang harthörig geblieben sein, um sich dann ausgerechnet im Sittlichen zu erheben?)

    • #10 Joseph Kuhn
      18. April 2015

      “In etwa so, wie die moderne skeptizistische Wissenschaftlich anzunehmen ist, durch eine Art Glaubensentscheid”

      Manche Ihrer Sätze sind so gedankenlos hingeschmissen, dass man sie nur als grobe Unhöflichkeit gegenüber denen betrachten kann, denen Sie des Lesen Ihrer Kommentare zumuten. Sie können doch auch anders, geben Sie sich doch bitte etwas Mühe, oder probieren Sie mal aus, wie es ist, zu einem Thema einmal nichts zu sagen. Eine “Entscheidung”, die frei macht. Zum “Glaubensentscheid” schreibt Kurt Flasch übrigens das, was es dazu zu sagen gibt. Falls das Thema Sie interessiert, lesen Sie es dort nach.

  8. #11 Dr. Webbaer
    18. April 2015

    @ Herr Dr. Kuhn :
    Der Satz, dass die moderne skeptizistische Wissenschaftlichkeit durch eine ‘Art Glaubensentscheid’ anzunehmen ist, war als zentral gemeint, die obige Nachricht meinend.

    MFG
    Dr. W (der hofft, dass verstanden worden ist, dass er genau diese moderne skeptizistische Wissenschaftlichkeit unterstützt, und zwar ziemlich zäh, sie aber gegen bestimmte Einwände bestmöglich abzufeimen hat)

  9. #12 Alisier
    18. April 2015

    “Wer die Behandlung von Menschen mit der Behandlung ihrer Aussagen gleichsetzt, ist auf dem besten Weg, Scheiterhaufen zu errichten.”
    Und weswegen ist es für viele so irre schwer, dies auch nur ansatzweise zu bedenken? Und warum denken so viele Menschen, man beleidige sie persönlich, wenn man eine Ideologie, die Ihnen durch ihre eher zufällige Anwesenheit in einem bestimmten Kulturkreis in den Kopf gedrückt wurde, in Frage stellt? Eine bei der Indoktrination eingebaute Sicherung oder was anderes?
    Danke für die kurze Besprechung von Flaschs Buch: es kann aus meiner Sicht gar nicht oft genug erwähnt werden.
    Und Edzard Ernst ist moderater, als ich und viele andere es wären, wenn man tagtäglich mit persönlichen Anwürfen konfrontiert wird, wage ich zu behaupten.
    Auch deswegen noch mal die Frage: worin liegt die offensichtlich große Schwierigkeit begründet, zwischen Person und Argument, zwischen Person und (wie auch immer zustande gekommener) Überzeugung zu trennen? Gibt es Menschen, die noch nie erlebt haben, dass sie sich irren können, und sich gezwungen sahen, ihre Position anschließend zu modifizieren? Wird es als unehrenhaft wahrgenommen, nicht stur an einer Überzeugung festzuhalten? Ist es gelungen, manche Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Glaube (an was auch immer) der wichtigste Teil ihrer Persönlichkeit ist?
    Ich bin bei diesem Punkt wirklich manchmal ausgesprochen ratlos.

  10. #13 Joseph Kuhn
    18. April 2015

    @ Alisier: Eine richtig gute Antwort habe ich auch nicht. Eher ein paar Assoziationen: Manches, was man denkt, ist einem doch sehr nahe, man “identifiziert” sich damit, bzw. man wird daran identifiziert: “typisch Alisier”. Das mag ein Teil der Antwort sein. Ein anderer Mosaikstein: Meinungen treffen nicht nur im herrschaftsfreien Diskurs aufeinander, es geht im Meinungsstreit im Alltagsleben ja oft um Geld, Posten, Einfluss usw. – und im Visier ist dann nicht eine bloße Aussage, sondern das dahinter stehende Interesse und der Träger dieses Interesses. Es wird noch mehr Teilerklärungen geben.

  11. #14 Wiener
    18. April 2015

    Ich hatte das mal so formuliert:
    Wir wolln die gleichen Überzeugungen haben, wie unsere Freunde. Auch das ist uns angeboren und kommt uns darum so normal vor, dass wir die merkwürdigsten Zufälle ungerührt ignorieren. Eigentlich haben Homöopathie, Genmais und Tierschutz inhaltlich nichts miteinander zu tun. Und trotzdem: Wenn die neue Nachbarin Globuli schluckt und einen Anti-Genfood Aufkleber an der Tür hat, weiß jeder ohne lange nachzudenken, dass Pelzhandschuhe eine SEHR blöde Geschenkidee wären. Das gleiche gilt natürlich für rauchen, Autofahren und Fleischverzehr. Und wenn wir uns in unserem Bekanntenkreis umsehen, werden wir hauptsächlich Menschen finden, die genau den gleichen unerklärlichen Mix an Überzeugungen teilen. Außer natürlich in der eigenen Familie – die kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen.
    Als in der Savanne aufgewachsene Primaten macht dieses Verhalten für uns natürlich Sinn. Wenn mich der Loewe nachts überrascht bin ich Löwenfutter. Wenn mich alle meine Freunde mögen und darum beschützen habe ich ein Löwenfell. Ich will auf JEDEN FALL, dass meine Sippe mich mag. Und ich will auf keinen Fall, dass man mich für einen Außenseiter hält und so behandelt. Und darum nehme ich Kritik an meiner Einstellung auch oft als Bedrohung meiner Person wahr.

  12. #15 Omnivor
    18. April 2015

    “Etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland ist konfessionslos. An was sie glauben, weiß man nicht.”
    Das der Mensch nach übernatürlichen Erklärungen sucht, ist ihm meiner Meinung nach angeboren. Wie die Lust auf Süßes.
    Für beides gibt es heute ein Überangebot an Lösungen, da ist Diät halten für die geistige und körperliche Gesundheit zu empfehlen.
    Das Buch von Flasch gibt es in der Onleihe. Ein Grund mehr hineinzusehen.

  13. #16 Alisier
    19. April 2015

    @Joseph Kuhn @Wiener
    Da möchte ich doch gerne widersprechen, respektive ergänzen..später. Heute ist erst der Garten dran.
    @Omnivor
    Dass der Mensch nach Erklärungen sucht, halte ich für eine Binsenweisheit. Weswegen er allerdings nach übernatürlichen Erklärungen suchen sollte, wenn ihm natürliche über den Weg laufen, erschließt sich mir nicht. Außer natürlich wenn er sich nicht gegen Einflüsterer wehrt, die ihm permanent Übernatürliches suggerieren.

  14. #17 Sascha
    19. April 2015

    @Joseph Kuhn
    Diese Einleitung war mir ja nicht bekannt, und ich habe das Buch nur nach dem hier wiedergegebenen Inhalt eingeschätzt.

    Dass der Mensch sich angegriffen sieht, wenn es um seine Ideologie geht, ist doch verständlich. Sein Weltbild fußt darauf. Und wenn jemand am Fundament rüttelt, wackelt alles, was darauf aufbaut.
    Warum immer wieder darauf beharrt wird, dass es Mysterien und Nichterklärbares geben muss, kann ich absolut nicht nachvollziehen.
    Ebenso wenig, wie die Behauptung, Wissenschaft sei auch nur eine Glaubensfrage. (Das dürfte im Grunde nur eine Schutzbehauptung der Gläubigen sein.) Denn Wissenschaft ist ja kein Modell oder eine Erklärung, sondern ein Vorgang. Und an Vorgänge muss man nicht glauben, die laufen einfach ab.

  15. #18 Trottelreiner
    19. April 2015

    @Alisier:
    Eigentlich ist das Wort “übernatürlich” ja eh ein Widerspruch in sich, wenn man “Natur” als die gesamte Umgebung annimmt. Dann ist alles Teil dieser “Natur”, auch das sogenannte “Übernatürliche”.

    Außer man verwendet eine abweichende Erklärung von “Natur”, z.B. “das Beweisbare, das Offensichtliche”. Dann ist aber der Begriff “übernatürlich” ein Beleg dafür, daß man diese Ansichten selbst nicht ernst nimmt. 😉

    SCNR.

  16. #19 Eso-Mystiker
    19. April 2015

    @ Joseph Kuhn
    Es gibt eine herkömmliche Psychologie (z. B. die Psychologie Freuds). Und es gibt eine religiöse Psychologie (z. B. die Psychologie C. G. Jungs). Es gibt göttliche Botschaften in Träumen. Dies hat mit Geistigem Heilen zu tun. Zudem war Bruno Gröning ein seriöser Geistheiler.

    Man sollte nicht an einen “Vater im Himmel” glauben. Sondern an ewig verborgene Dinge in der Natur. Zudem kann man durch Beschäftigung mit dem eigenen Unterbewusstsein Gott näher kommen.
    Man braucht nicht unbedingt Mitglied in der Kirche zu sein. Man kann auch religiöse Seminare (z. B. Mystiker-Seminare) absolvieren.

    [Edit: Der kursiv gesetzte Teil des Kommentars ist aus dem Kommentar von Eso-Mystiker aus dem Thread nebenan importiert, damit man die Sache im Zusammenhang im richtigen Thread diskutieren kann, JK]

    • #20 Joseph Kuhn
      19. April 2015

      Sie meinen den Bruno Gröning, der lt. Wikipedia von gottgesandten Heilströmen fabulierte, mehrere Helfer zum Öffnen von Geldbriefen beschäftigen musste und wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde? Klingt nicht sehr seriös.

      Freud war übrigens kein Psychologe, sondern Arzt. Die Psychoanalyse Freuds gehört so wenig wie die Lehren Jungs zum wissenschaftlichen Kern der akademischen Psychologie.

      “Göttliche Botschaften in Träumen”: Woher wissen Sie denn, dass die Träume von Gott kommen und nicht vom Teufel, der sie nur täuschen will? Oder dass es einfach nur Träume sind, die Sie vor dem Hintergrund Ihrer Beschäftigung mit Gott als seine Stimme interpretieren? Und mal angenommen, dass es Gott gibt, ist es nicht etwas blasphemisch anzunehmen, dass er zwar zusieht, wie Millionen Juden vergast werden, aber sich Ihnen fürsorglich in Ihren Träumen zuwendet?

      “Ewig verborgene Dinge”: die bleiben per definitionem ewig verborgen, davon können Sie also nichts wissen.

      Richtig ist: Man muss nicht Mitglied einer Kirche sein, man kann auch so spirituell leben. Die Frage ist, wo die Grenzlinie zwischen spirituell und spinnert verläuft.

  17. #21 Kassenwart
    19. April 2015

    @Eso-Mystiker

    Man sollte gar nicht glauben, sondern danach streben, was heraus zu bekommen. Denn da ist nichts ewig verborgenes in der Natur.
    Statt religiösen Seminaren empfehle ich lieber guten einen guten Fantasy-Film, ein Theaterstück oder auch einem guten Märchenerzähler zuzuhören. Das hat dann mit Realität auch nichts zu tun, macht aber Spaß 🙂

  18. #22 Alisier
    19. April 2015

    @Wiener
    Könntest du dir vorstellen, dass deine Erklärung dazu führt, dass man sich wünscht, der Sippengedanke solle endlich das Zeitige segnen?
    Angst vor dem was ist, Angst vor Veränderung, Angst vor dem Alleinsein…..und all das führt dann unter Umständen dazu, dass
    jede Erkenntnis vor lauter Angst in den Wind geschossen wird.
    Verständlich, aber, entschuldige meine Offenheit, ziemlich erbärmlich, im ursprünglichen Sinne des Wortes.

  19. #23 Alisier
    19. April 2015

    @ Joseph Kuhn
    Dass es die Dinge, die du nennst (Geld, Posten, Einfluss..) gibt, und dass wir annehmen müssen, dass sie eine Rolle spielen, muss uns aber dennoch nicht davon abhalten auf einer sauberen Argumentation zu bestehen.
    Und wenn ich das richtig einschätze, ist es den Argumentierenden immer recht wichtig, das ihre Gründe wahrgenommen und ernstgenommen werden. Tolerierung ihrer Position reicht ihnen nicht, sie wollen Anerkennung für die Großartigkeit ihrer Gründe. Ob man nun mit Zeugen Jehovas über Evolution diskutiert, oder mit Gläubigen über ihr Gottessicherheit: die wollen, dass man ihnen zustimmt.
    Und genau das darf man eben nicht machen, wenn man eine Diskussion ernstnimmt, und an Erkenntnissen interessiert ist.
    “Typisch Alisier”? Möglich, aber es gibt einem großen Unterschied zwischen”einer Sache Nahe stehen” und sie auf Teufel komm raus halten zu wollen, selbst wenn man keine Gründe mehr hat. Siehe Flasch und sein bemerkenswertes Vorgehen.
    Du neigst zur Beschwichtigung, die ist aber dennoch manchmal fehl am Platz.
    Herschaftsfreier Diskurs ist auch kein Wolkenkuckucksheim für weltferne Spinner, sondern es ist manchmal einfach bitter nötig ihn einzufordern, um überhaupt auf einen grünen Zweig kommen zu können.

  20. #24 Joseph Kuhn
    19. April 2015

    @ Alisier:

    “Du neigst zur Beschwichtigung, die ist aber dennoch manchmal fehl am Platz.”

    Als friedfertiger Mensch neige ich in der Tat manchmal zur Beschwichtigung, aber ich hoffe, in Diskussionen neige ich öfter nur zur Abwägung. Wobei auch das manchmal fehl am Platz sein mag.

    “Herschaftsfreier Diskurs ist auch kein Wolkenkuckucksheim für weltferne Spinner, sondern es ist manchmal einfach bitter nötig ihn einzufordern, um überhaupt auf einen grünen Zweig kommen zu können.”

    So ist es, falls Du mir diese beschwichtigende Feststellung gestattest 😉

  21. #25 Ludger
    19. April 2015

    Prof. Flasch ” beschreibt[…] das historische Quellenmaterial und kommt zu dem Ergebnis, dass das, was sich belegen lässt, nicht stützt, was Christen heute glauben.” Auf einen solchen Einwand sagen fromme Menschen, die theologische Lehre sei eben noch nicht optimal und möglicherweise lückenhaft aber man mache regelmäßig eine Gotteserfahrung, die sei wichtiger als irgendwelche Lücken in der Theorie. Nicht fromme Menschen antworten, die Inkonsistenz* der Theologie mache es ihnen unmöglich zu glauben (z.B. Prof. Flasch). *Warum kümmert sich Gott um den persönlichen Kleinkram hat aber das Erdbeben von Lissabon 1755 oder Auschwitz zugelassen. Frömmigkeit mit der Fähigkeit zur Gotteserfahrung scheint vererbt zu werden. Manche Familienmitglieder haben es, andere nicht. Das ist offenbar nicht nur eine Frage der Erziehung. Ist also die Gotteserfahrung eine Fähigkeit oder eine Funktion des Gehirns? Wenn das so sein sollte, müsste es einen evolutionären Vorteil für eine solche Fähigkeit des Gehirns zur Gotteserfahrung geben.

  22. #26 Trottelreiner
    19. April 2015

    @Ludger:
    Oder das, was wir als “Religiösität” bezeichnen ist ein Nebeneffekt einiger Mechanismen die von Vorteil sind, z.B. die Tendenz Zusammenhänge zu sehen, auch wenn diese nicht funktionieren. Ein weiterer Punkt wäre, das unsere kognitiven Fähigkeiten sich z.T. im Zusammenhang mit unserem Sozialverhalten entwickelt haben, wenn man das dann auf physikalische oder andere Zusammenhänge anwendet ergeben sich unterhaltsame Ergebnisse. Ach ja, nebenbei fände ich es schon schwierig eine Definition von “Religion” zu finden, die z.B. den Taoismus oder die römische Religion einschließt, aber nicht das BGB. 😉

    Zu Flasch, IMHO ist die Sache mit der “alma” nicht so ganz eindeutig, ursprünglich hieß “alma” wohl sowohl “Jungfrau” als auch “junge Frau”. Das später oft betont wurde, das “alma” nur “junge Frau” bedeuten könnte, ist wohl ein Beispiel dafür das der interreligiöse Dialog eher an eine Therapiegruppe für schwere Persönlichkeitsstörungen erinnert. Vom heutigen Christentum und rabbinischen Judentum auf die Verhältnisse im Palästina der Zeitenwende zu schließen ist ähnlich unterhaltsam, wie von Vögeln und Krokodilen auf andere ausgestorbene Archosaurier zu schließen…

  23. #27 Trottelreiner
    19. April 2015

    Argh, es hieß:
    “die Tendenz Zusammenhänge zu sehen, auch wenn diese nicht existieren.”

    In diesem Zusammenhang wird gerne auf Alarmanlagen verwiesen, besser ein Fehlalarm im Monat als ein Ausfall bei einem wirklichen Einbruch.

  24. #28 Joseph Kuhn
    20. April 2015

    @ Trottelreiner:

    Zur alma schreibt Flasch (Seite 112): “Wo von der zukünftigen Mutter die Rede ist, steht ‘alma’, was nicht ‘Jungfrau’ bedeutet, sondern: die unverheiratete Tochter, das Mädchen, aber auch: die junge verheiratete Frau. Joseph Ratzinger fand sich zu dem Zugeständnis bereit, aus dem Wortlaut gehe ‘nicht ohne weiteres hervor’, dass ‘dabei an eine Jungfrau im strengen Sinne gedacht sei’ (…). Mit vielem ‘Weiteren’ machten Theologen aus der nicht-strengen Jungfrau dann doch eine ‘Jungfrau im strengen Sinne’. Die alte griechische Übersetzung, die Septuaginta, war dazu behilflich, denn sie schrieb für das hebräische Wort parthenos, ‘Jungfrau’. Die lateinische Übersetzung, die Vulagata, lieferte: Ecce virgo concipiet, und die westlichen christlichen Ausleger folgten ihr: So kam die Jungfrauengeburt zustande.” Flasch erläutert im Anschluss auch noch den historischen Kontext der Bibelstelle, der die Jungfraueninterpretation, wenn man ihm glauben darf, ebenfalls nicht stützt. Das alles klingt für mich nicht so, als ob er die Stelle nicht korrekt interpretieren könnte und von Vögeln auf Archosaurier schließen würde, aber ich bin weder Historiker noch kann ich hebräisch.

  25. #29 hampel
    20. April 2015

    Sorry, leicht off-topic vielleicht,
    aber ich denke hier könnte ich eine gute Antwort erhalten.
    Gibt es brauchbare Statistiken (für Deutschland)
    Inwieweit Religiösitat und zb. Homöopathieglauben (negativ-) korreliert?
    Die letzten drei Atheisten*, die ich hier kennen lernen durfte, waren allesamt HP/Esoterik begeistert.
    Danke im voraus!

    *bevor jemand fragt, ich will meine anekdotische Erfahrung eben NICHT bestätigt sehen -ich muss aber schon irgendwie überlegen mit wem ich da in ein metaphorisches Boot steige 🙂

  26. #30 Trottelreiner
    20. April 2015

    @Joseph Kuhn:
    Ich sage ja nicht, daß die “Jungfraueninterpretation” richtig ist, es scheint nur so zu sein, daß sie nicht ganz so sicher falsch ist. Wortbedeutungen ändern sich im Laufe der Zeit und sind auch lokal unterschiedlich, ich erinnere mich noch an einen Gottfried-Keller-Text über eine Dorfrivalität, bei dem eine Partei immer ein Faß voller Wichse mit sich führte. Ehe jetzt irgendwer etwas falsches denkt, es handelte sich um Schuhcreme. 😉

    Die Sache mit den Vögeln und Archosauriern bezog sich darauf, daß Vögel und Krokodile eben die beiden rezenten Gruppen der Archosaurier sind, zu denen z.B. auch die Dinosaurier zählten:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Archosauria

    Und während man jetzt annehmen könnte, das die Krokodile besonders urtümlich sind und die Vogelmerkmale Neuerungen sind, ist es oft eher so, das die heutigen “primitiven” Krokodilmerkmale Neuerungen sind, die sich erst im Zuge der Verdrängung der Krokodile aus anderen Lebensräumen entwickelt haben.

    https://www.theguardian.com/science/2009/nov/19/galloping-dinosaur-eating-crocodiles

    Und ich kann ja auch kein hebräisch, aber mein Eindruck der entsprechenden Diskussionen war, daß es ähnlich problematisch ist, insbesondere vom rabbinischen Judentum auf das Judentum der Antike zu schließen. Vieles, was wir für “Neuerungen” des Christentums halten mag auf ältere Vorstellungen des palästinensischen Judentums oder der Diaspora zurückgehen.

    Ebenso ist ja vieles, was im AT als “fremder Götzendienst” daherkommt, wohl die ursprüngliche israelistische Religion, die von den “Restauratoren” “bereinigt” wurde.

  27. #31 Joseph Kuhn
    20. April 2015

    @ Trottelreiner: Wie sich was woraus entwickelt hat und von wem warum bereinigt wurde, ist das Thema von Flasch. Insofern: vielleicht doch mal lesen? 😉

  28. #32 Alisier
    20. April 2015

    @Joseph Kuhn
    Es war auch nicht als echte Kritik gedacht, sondern eher als Seufzer…..wobei ich befürchte, als Blogchef ähnlich beschwichtigend aufzutreten, falls ich dergleichen irgendwann machen sollte.
    Ich schätze also deinen Stil durchaus, auch wenn Friedfreudeeierkuchen mir öfters gehörig auf den Senkel geht. Insbesondere dann, wenn ein zünftiger Dissens eine Diskussion beleben könnte, aber nur Schulterklopfen stattfindet.

  29. #33 demolog
    20. April 2015

    @ #4 Joseph Kuhn
    Sie sind “erfahrbar”. Nur nicht für jeden. Das müssen sie auch gar nicht. Andere Menschen erzählen ihnen von erfahrbaren Wirklichkeiten. Und nur weil diese ihnen nicht zugänglich sind (hier im Szenario einer wissenschaftlichen Sicht), gibt es kein Recht dazu, dem anderen diese Wirklichkeit als Lüge oder Ideotie zu verbieten.

    Wie es ist schwul zu sein und gleichgeschlechtlichen Sex zu haben, werden hetero-Menschen nie erfahren können, denn selbst wenn diese homo-Sex haben, werden sie nicht das “erfahren”; nicht diese Wirklichkeit erleben, die der Schwule erlebt.

    Leugnen sie nun aufgrund der Unmöglichkeit, diese Wirklichkeit? Und wenn sie diese Wirklichkeit(en) nicht als gegeben annehmen werden, hat das Folgen für die Menschen, die diese Wirklichkeit erleben können/müssen. In solchen Situationen tut sich schleichend eine strukturelle Gewalt im Mantel der Wahrheit über die Welt ausbreiten, die einen Teil der Menschen seiner Menschenrechte beraubt. In extremen Beispielen steht sogar das Leben der Menschen auf der Kippe, wenn diese Wirklichkeiten nicht als Bestandteil der Welt anerkannt werden. Hier sei gemeint, das diese Wirklichkeiten in die (weltlichen) Systeme, die der Mensch zur Organisation von sich selbst und den Massen erstellt, einbezogen werden müssen.

    Ihr Beispiel “Gott spricht zu mir” zeigt auf eines der Probleme, die in solchen Szenarien entstehen. Solche Menschen (zu denen Gott spricht) landen in der Psychiatrie und werden bis zur Komatierung wegmedikamentiert – im Zweifel gar zwangsweise. Das schafft die legalisierte Gesellschaft zu einem erheblichen Teil nur deswegen, weil sie dem Zielobjekt einredet, es hätte einen Leidensdruck oder würde zu einer Gefahr für sich und Andere (Standartrechtfertigung). Das Leid, was daraufhin folgt, kann der “Patient” dann nicht mehr in Worte fassen, da sein Gehirn dazu nicht mehr in der Lage ist. Ganz zu schweigen davon, das nach Ursachen von “Gottes Stimmen” gar nicht erst gefragt und geredet wird. Das fällt sozusagen vom Himmel herab – ganz magisch (in der Systematik stecke hier ja schon der Beweis der Unzulänglichkeit der Wissenschaft und die darauf folgende totalitäre Umgehensweise mit derselben – Stichwort “Scheiterhaufen”)

    “Erfahrbar” 2. Ebene:
    Was sie “erfahrbar” nennen, meint auch: “messbar” – technologisch. Derzeit ist es so, dass, was nicht messbar ist, auch nicht existiert. Wer aber kann uns denn versichern, dass derzeit hinreichende Messgeräte existieren? Und wer versichert uns, das wir (die beteiligten Wissenschaftler) an der richtigen Stelle messen?

    Das ich Unfug rede, ist ihr Glaubenskonstrukt – wenn es auch nur deswegen aus ihnen herrausflutscht, weil sie nicht verstanden haben, was ich erklären wollte. Aber es ist eines – und auf diese Reaktion kam es mir an. Ein Vorurteil aus den Glaubenssätzen entsprungen, die ihnen das sekuläre/technologisierte Weltenbild über Jahrzehnte eingeimpft hat. Vorurteile, die sich als Wahrheiten etabliert haben – als quasi-religiöse Wahrheiten.

    Sie stehen gut gestärkt durch diese automatisierten Grundsätze da und erklären, das wir allen ihren Glauben glauben lassen, aber selbst nicht zum Glauben gezwungen werden dürften. Daraus ergibt sich aber hinsichtlich der “Mehrheitsgesellschaft” und ihre per System installierte Dominanz in der Folge diskrimminierende Systeme, die im Ergebnis dazu führen, dass durch darin verleugnete Wahrheiten/Wirklichkeiten verleugneter Schaden entsteht.

    Ich verlange hier: Wir müssen alle glauben, was andere glauben. Und es auch soweit ernst nehmen, dass ihnen durch die notwendige Organisation der Massen kein Nachteil entsteht. Soweit aber ist es noch lange nicht, dass sie mir hier “Unfug” vorwerfen können.

  30. #34 demolog
    20. April 2015

    @ #8 Dr. Webbaer

    Nein, die Kunst der anerkannten Wissenschaft dürfte solche Perspektiven (ethnozentrismus) nicht einnehmen – nur um perspektivisch auszuloten. Das sachliche Urteil aber davon unbetrübt (oder besser alles davon und Anderem einbezogen).

    Ich rede auch nicht von absoluter; objektivst möglicher Wirklichkeit, sondern von eben der individuellen. Stichwort Wissenschaft als demokratischem Prozess und dabei auftetender “Verlierer”. Bitte dazu #33 lesen.

  31. #35 demolog
    20. April 2015

    @ #7 Kassenwart
    Ich brauch das nicht, weiß es. Wie kommst du drauf, ich hätte ein falsches Bild vom Gegenstand? Ach, natürlich. Ein Vorurteil; festgebranntes Stereotyp, weswegen bei Unverständnis leicht abgrufbar und hier nun wieder mal schriftgeworden. Und bitte auch einen Kassensturz in ihrer Idee von Formallogik machen.

    Auch nicht bemerkt, dass in meiner Kritik mehr Wissenschaftsgläubigkeit kritisiert wird, als Wissenschaft? Nicht das Negativergebnis ist hier in der Kritik, sondern der in der Folge leicht entstehende Glaube an die allgültigkeit des Negativergebnisses und seine Relevanz für Wirklichkeit. Eine unzulässige Überhöhung des eigendlich wenig aussagenden wissenschaftlichen Ergebnisses, was aber zu vielen Menschen passiert und so zum etablierten Glaubenskonstrukt wird. In Sachen Wissenschaft sogar völlig unbemerkt. Da Wissenschaft ja “objektiv” sei. Was Wissenschaft sachlich in Versuchsreihen misst, wird darauf folgend in einen Kontext eingepackt und dieser wird zuweilen schon von den ausführenden Wissenschaftlern überinterpretiert – unzulässig; Glaubenskonstrukt. Und wenn nicht von dem ausführenden Personal, dann von anderen großen Geistern, Medienpersonal und irgendwann auch von solchen “Trollen”, wie mir in seinem Kontext ergänzt oder in seinen “richtigen” K. gesetzt. (zugegeben auch ein Glaubenskonstrukt – aber darum ging es mir eben: Wir sind gezwungen zu viel zu glauben, um uns “Wissen” einbilden zu können, über das, was uns umgibt).

  32. #36 demolog
    20. April 2015

    @ #26 Trottelreiner

    Man kann auch denken, dass “Jungfrau” und “junge Frau” damals, als es aus mehreren Gründen notwendig war, eine sichere und aktzepierte Familienpolitik zu betreiben, eben das selbe bedeutete. Entweder sie war ledig und “Jungfrau” oder wenn nicht Junfrau, dann verheiratet oder eine Nutte. Es wurde jedenfalls aus vielen Gründen keine Zeit verschwendet, eine Tochter zu verheiraten. In den üblichen Familien aus der Notwendigkeit Geld zu sparen. Was wir heute als normal erleben, sind auch die Früchte des gelobten Sozialsystems: Singlehaushalte weit und breit.

    Frauen wurden jung verheiratet. Wenn nicht, hatten sie keine Überlebensmöglichkeit oder es ergaben sich andere für die meisten unüberwindbare Probleme. Verheiratete Frauen waren keine “junge Frauen”, weil sie vom Heiratsmarkt weg waren und sehr wahrscheinlich auch keine Jungfrauen mehr. Die Kategorie “Jungfrau” oder “junge Frau” also als unverheiratete Frau, die notwendigerweise noch “jung” war und “Jungfrau” obendrein. Es gab damals keinen Grund diese beiden zu unterscheiden. Diese Notwendigkeit ergab sich erst im 20. Jahrhundert. Wir kennen das heute noch aus anderen Kulturen vom Hörensagen.

    Diese Realität als Wahrheit angenommen, ergibt tatsächlich, dass sich der Streit um die Unterscheidung und Bedeutung dieser Begriffe als aus einer psychischen Störung entspringende Beschäftigung darstellt. Mindestens aber aus dem Unwissen um solche Lebenswelten und Bewusstseinshorizonte.

    Sehr spitzfindig: Die Schwierigkeit Religion zu definieren, ohne das BGB darin einzubeziehen. Das wäre ganz nach meinem Sinne. Dem BGB ist jeder gezwungen zu glauben. Dieses auch quasireligiöse Konstrukt sich demnach wenig von religiösen Praktiken und Realitäten unterscheidet. Das Problem aber darin liegt, dass alle glauben (sic), dass all diese Konstrukte verhandelbar seien … und deswegen sich unendlich gestritten wird. Verständlich, oder?
    Da sehe ich doch auch Zusammenhänge, die da tatsächlich sind (und funktionieren – freilich mit nachdrücklicher Hilfe aus der Exekutive)! So kann man auch sagen, dass das “Jungfrauending” nur funktioniert, weil man damals auch real darauf bestanden hat, dass es so funktioniert, wie aufgeschrieben. Oder man hat eben Erfahrungen damit gemacht, wenn man nicht darauf bestanden hat, die dann ins Kaos führten. Wichtig ist eben der Kontext. Und an dem wird immerzu gedreht und gepfuscht und mythologisiert – bis heute noch.

  33. #37 Trottelreiner
    20. April 2015

    @Joseph Kuhn:
    Werde ich vielleicht machen, aber ich kann nichts versprechen. 😉

    Ich hatte nur im Kopf das die These, das die Jungfrauengeburt ganz sicher ein Übersetzungsfehler ist ein Fall von “dated history” ist, ähnlich wie die These, daß die Sache mit der Gottessohnschaft vom heidnischen Umfeld ausging. Das da alle Seiten ihre sehr persönlichen Interessen haben erleichtert die Frage allerdings nicht, ebensowenig wie das der Historikerweg zum Prestige öfters darüber führt, einfach nur eine abweichende Meinung zu haben.

    Das insgesamt die Bibel nicht wirklich deckungsgleich mit anderen historischen Quellen ist dürfte klar sein. 😉

  34. #38 Trottelreiner
    20. April 2015

    Argh, und irgendwie hat es den Link verschluckt…

    Zur Gottessohnschaft:
    https://larryhurtado.wordpress.com/2013/07/12/two-powers-in-heaven-is-back/

    Wenn ich das richtig sehe, scheint die Idee von “zwei Mächten im Himmel” damals im jüdischen Umfeld durchaus verbreitet gewesen zu sein. Wie aus dieser “Zweieinigkeit” dann die Dreieinigkeit wurde wäre dann ein anderes Kapitel.

    Wobei man natürlich auch bedenken muß, daß sowohl Hurtado als auch Heiser christliche Theologen sind, also ihr eigenes Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Segal war jüdischer Theologe, da liegt diese Vermutung nicht ganz so nahe, aber er könnte vom Versöhnungsgedanken zu weit getrieben worden sein etc. Oder, wie ein Romanistikprof einmal meinte als er schlecht geschlafen hatte, “Tut mir leid, ich fühle mich heut so postmodern…”

  35. #39 Trottelreiner
    20. April 2015

    @demolog:
    Wobei wir auch bedenken sollten, daß zwischen Jesaja und der Zeitenwende ein paar Jahrhunderte liegen, zu den Texten des Talmud sind es dann wieder ca. 100 Jahre. Um mal ein anderes Beispiel aus dem deutschen Sprachraum anzuführen, das Wort “Dirne” deckt einen ähnlichen Bereich ab, und auch hier gibt es starke regionale und historische Unterschiede der Bedeutung.

    Deswegen würde ich eben als Agnostiker in einer Diskussion mit einem gläubigen Christen das Thema nicht als geklärt bezeichnen, vielleicht nimmt er es dann ernster, wenn man ihm erklärt, daß Exodus und Landnahme der Israeliten ähnlich historisch sind wie Numenor und Gondor.

    Zum BGB als Religion, in vielen Kulturen ist “Religion” eher ein Rahmen, in dem sich das gesamte gesellschaftliche Leben abspielt, so z.B. auch in der antiken römischen Religion oder dem chinesischen Volksglauben. Also die Rolle, die in Deutschland das BGB übernimmt. Die verschiedenen Kommentare desselben sind dann wohl so etwas wie Katholen und Protestanten. 😉 (muß ich mein Ironiesc hild hochhalten?)

  36. #40 Kassenwart
    20. April 2015

    @demolog

    Werter demolog,
    nein, sie wissen es offensichtlich nicht, denn das zeigen ihre Ausführungen.
    Wissenschaftsgläubigkeit ist an sich ein Widerspruch. Denn Wissenschaft schafft Wissen, braucht also nicht zu glauben.
    Ich kenne keinen aktiven empirisch arbeitenden Wissenschaftler der für seine Wissenschaft einen Glauben braucht.
    Es ist eine beliebte Methode der Wissenschaftskritik ihr Strohmänner unterzujubeln, a la “hat Allgemeingültigkeitsanspruch”, “ist auch nur ein Weltbild” oder gar, wie sie das hier machen “ein Glaubenskonstrukt”. Dieser “Vorwurf” ist jedoch recht albern und die Methode der Kritik sehr platt.
    Bringen sie sich Wissenschaft bei und arbeiten sie einfach selbst empirisch, dann brauchen sie nichts zu glauben.

  37. #41 Wiener
    20. April 2015

    @ALesier
    In der Tat , in der Tat. Soweit ich weiss, ist das aber leider evolutionär eingebaut. Wir wollen nicht nur Freunde mit der gleichen Meinung wie wir – wir wollen auch die gleiche Meinung haben wie unsere Freunde. Es klingt plausibel, dass das ein Grund ist, warum wir Angriffe auf unsere Ansichten manchmal als Angriffe gegen uns interpretieren. Das gefährdet sozusagen unseren Status in der Steinzeitlichen Gruppe. Das war mal der Unterschied zwischen Löwenfutter sein und ein Löwenfell haben. Man muss das halt wissen, um es bei sich selber zu erkennen.

  38. #42 Joseph Kuhn
    20. April 2015

    @ demolog:

    “Ich verlange hier: Wir müssen alle glauben, was andere glauben.”

    In gewisser Hinsicht ja. Ich vertraue darauf, dass Wikipedia die Höhe der Zugspitze richtig angibt und messe es normalerweise nicht nach, ebenso glaube ich dem, den ich nach den Weg frage, wenn er mir sagt, in welche Richtung ich gehen soll und frage (normalerweise) nicht noch drei Leute, ob das wirklich stimmt. Aber wenn mir Zweifel kommen, hilft das Glauben, dass etwas so ist, wie es berichtet wird, nicht mehr. Dann braucht es nachvollziehbare Gründe. Wenn Sie das anders sehen, kein Problem: Dann nehmen Sie Ihren zitierten Satz ernst und glauben Sie mir einfach, ohne dass ich es Ihnen nochmals begründe.

    @ hampel, Kommentar #29:

    Studien speziell zum Zusammenhang von Religiosität und Homöopathie sind mir nicht bekannt, aber es gibt Studien aus den USA über irrationale Vorstellungscluster, d.h. dass Leute, die einer Verschwörungstheorie anhängen, auch empfänglich sind für andere. Kann sein, dass das aus dem cultural cognition project kam, ich bin aber nicht sicher, müsste das auch erst wieder googeln.

  39. #43 Trottelreiner
    21. April 2015

    @Joseph Kuhn:
    Zum Thema der Korrelation von bestimmten Vorstellungen gäbe es ein paar Artikel von diesem Herren:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Stephan_Lewandowsky#Climate_change_and_conspiracy_theories

    Wobei AFAIK die gewählten Beispiele eher in der amerikanischen Rechten zu finden sind, also z.B. “conservatives” und “libertarians”, zu deutschen linksliberalen Vorstellungswelten sagt das eher wenig.

    Wobei ich mich zu erinnern meine das “Elekrosmog” eher eine süddeutsche Spezialität ist. Ach ja, allem Anschein nach scheinen die Chemtrail-Fans was zm 24/25.4. zu planen, wer hat Lust auf Feldforschung?

    https://www.vice.com/alps/read/ich-war-auf-der-chemtrail-demo-als-pilot-verkleidet-999

  40. #44 Orci
    21. April 2015

    Ich lese gerade “When Prophecy Fails” – die dort beschriebene, aus ca. 10 tiefgläubigen und ca. 10 assoziierten Mitgliedern bestehende Gruppe kommt im Laufe des Berichtes mehrere Mal an den Punkt, an dem nicht übereinstimmende oder gar sich widersprechende Aussagen in das Glaubenskonzept eingebunden werden müssen. In der Regel folgt der Erkenntnis der Widersprüchlichkeit anscheinend eine Phase der Verwirrung, in der die Widersprüche so lange zerredet werden, bis sie schließlich doch einigermaßen passen oder möglichst nicht mehr zur Sprache kommen.
    Erklärt wird dabei aber nichts, sondern das Problem eigentlich verschoben – “God works in mysterious ways” in anderer Form. Interessantes Buch für jeden, der sich die Frage stellt, wie Menschen reagieren, wenn ihr tiefster Glaube schlagartig erschüttert wird.
    Interessant auch deshalb, weil es offenbar vor 60 Jahren auch schon nicht viel anders war, als heute…

  41. #45 Orci
    21. April 2015

    @Josph und demolog:

    Ärgerlicherweise haben wir im Deutschen keine gute Unterscheidung für das, was man im Englischen mit “To believe” und “To be faithful” ausdrücken kann. Die Sätze “Ich glaube an Gott” und “Ich glaube, dass die Relativitätstheorie nicht falsch ist” müssen wir mit dem selben Verbum bilden. Der Engländer oder Amerikaner kann den Unterschied schon durch die Wortwahl ausdrücken – “I have faith in god” – “I believe the theory of relativity isn’t invalid”.
    Damit geht leider ein bisschen Information verloren. In diesem Fall, dass “Ich glaube, Theorie X ist nicht falsch” eigentlich nur kurz ist für etwa: “Es gibt einen Sachverhalt, der in vielen Labors von unterschiedlichsten Teams und zu verschiedenen Zeiten mit hoher Präzision bestimmt wurde, der nicht von meinen Erwartungen abhängt und nicht von den Vorstellungen der Beteiligten. Es gibt eine diesen Sachverhalt beschreibende Theorie, die die beobachteten Phänomene korrekt beschreibt und die durch Experimente testbar ist. Nach langer Zeit und zahlreichen durchgeführten Experimenten, die, sofern methodisch sauber aufgebaut und ohne Einfluss von Fälschungen, immer den gleichen Ausgang gezeigt haben, kann man mit großer Sicherheit sagen, dass die Thorie den Sachverhalt nicht falsch beschreibt.”

    • #46 Joseph Kuhn
      21. April 2015

      “When Prophecy Fails”: Das dort entwickelte Konzept der “Kognitiven Dissonanz” ist in der Psychologie ein echter Klassiker, auch wenn Festinger eine etwas “hydraulische” Vorstellung von der Bewältigung kognitiver Dissonanzen hat, die dem reflektierenden Subjekt wenig Spielraum lässt. Lesen Sie das Buch privat oder im Rahmen eines Psychologiestudiums? Falls Letzteres, können Sie sich einmal Holzkamps Konzept der restriktiven/verallgemeinerten Handlungsfähigkeit ansehen, dort wird eine andere Sicht auf psychische Konfliktsituationen entfaltet, aber Holzkamp ist leider sprachlich eine Zumutung und alles andere als eine Sonntagsnachmittagslektüre.

      Zum Begriff “glauben”: Im Deutschen könnte man das, was da ineinanderfließt, vielleicht ansatzweise mit “es ist anzunehmen” und “überzeugt sein” unterscheiden, trifft es aber auch nicht ganz. Trotzdem darf man über die Doppelbedeutung von “glauben” auch bei naturwissenschaftlichen Grundkonzepten nachdenken, man kommt dann bei den “Denkstilen” Flecks oder den “Paradigmen” Kuhns (also Thomas Kuhns) heraus.

  42. #47 Orci
    21. April 2015

    Ich lese das Buch privat. Ich hab in letzter Zeit endlich mal wieder ein bisschen Geld in gute Bücher zu verschiedensten Themen investiert und “When Prophecy Fails” war ganz oben auf der Liste.
    Studiert habe ich zwar was ganz anderes, aber einen Blick darauf zu werfen, wie Menschen ticken ist auch für Nichtpsychologen immer wieder interessant. Die Erfahrung, Denkmäler vom Sockel zu stoßen, habe ich mehr als ein Mal selbst gemacht. Es ist ein innerlicher Prozess. Eine liebgewonnene und zäh verteidgte Überzeugung aufgeben zu müssen, weil die Gegenbeweise einfach zu erdrückend sind, ist nicht einfach. Für mich ist deswegen nicht überraschend, aber interessant, von Menschen mit ganz ähnlichen Problemen und Verhaltensmustern zu lesen, auch wenn sich der Stein des Anstoßes etwas unterscheiden mag.
    Ihrer Literaturempfehlung folge ich gerne, sofern es sich von einem Laien ohne größere Kenntnis der sicher reichlich vorhandenen Fachliteratur verstehen lässt. Zur Sprache von Fachtexten sagte ein Prof von mir immer “Ohm ist nicht Goethe”, womit er ausdrücken wollte, das Fachtexte verständlich und sprachlich einfach aufgebaut sein sollten. Nebenbei ein bemerkenswert schlechtes Beispiel – “Die Galvanische Kette mathematisch bearbeitet” ist wirklich alles andere als einfach zu lesen.

    • #48 Joseph Kuhn
      21. April 2015

      “Ich lese das Buch privat. … Ihrer Literaturempfehlung folge ich gerne, sofern …”

      In dem Fall rate ich von Holzkamp ab, zumindest seine “Grundlegung der Psychologie”, in der das Konzept restriktive/verallgemeinerte Handlungsfähigkeit entwickelt wird, kann man eigentlich nicht ohne Seminar und Lesegruppe lesen, sonst kommt nur Frust heraus. Das Buch sind 600 Seiten echt harte Kost. Im Vorwort des Buches schreibt Holzkamp selbst dazu: “Man wird mir sagen, es mache große Mühe, dieses Buch zu lesen. Ich halte dem entgegen, dass es auch Mühe gemacht hat, es zu schreiben.”

      “Eine liebgewonnene und zäh verteidgte Überzeugung aufgeben zu müssen …”

      Dafür habe ich eine Buchempfehlung ohne Fachtexthürde, “Starrköpfe überzeugen” von Sebastian Herrmann, wurde hier im Blog auch schon mal vorgestellt. Ein schönes Buch, das rund um das Thema “Überzeugungen” viel Material aus der Psychologie aufarbeitet.

  43. #49 Adent
    21. April 2015

    @Orci

    Die Sätze “Ich glaube an Gott” und “Ich glaube, dass die Relativitätstheorie nicht falsch ist” müssen wir mit dem selben Verbum bilden.

    Um das zu vermeiden, verwende ich als Unterscheidung dann “Ich denke, dass die RT nicht falsch ist.

  44. #50 hampel
    23. April 2015

    Danke schon mal für die Hinweise.
    Irgendwie hat es in meinem Kommentar auch den wohl entscheidenen Satz entfernt.
    “Gibt es Hinweise darauf, dass sich Atheisten gerne bei Ersatz-Religionen bedienen oder sind wir eher vor jeglichem hokuspokus geschützt?”
    Was ich bisher zu Deutschland finden konnte ist wenig, eine Studie von Gottschling et al.:
    Socio-demographic factors associated with CAM use were tertiary education (mother: p=0.017; father: p>0.001), higher family income (p=0.001) and being Protestant (p=0.01).

    Bis auf den Faktor “Protestant” sieht es auch nach einer Beschreibung des typischen “Religionslosen” aus..
    Der einzige Faktor der CAM konstant begünstigt ist wohl das Geschlecht!?

  45. #51 eh i
    28. April 2015

    Fruchtenbaum kommt zu einem anderen ergebnis.
    der kann auch Hebräisch und Griechisch.
    weiters ist er auch gut in Archäologie, Geschichte der Antike, historische Geographie.
    alles notwendig um zu einer richtigen übersetzung zu gelangen.
    obiger autor (https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Flasch) hat aber keine ausbildung in diese richtung !?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Fruchtenbaum
    https://www.amazon.de/Das-Leben-Messias-Ereignisse-Perspektive/dp/3939833053

  46. #52 eh i
    28. April 2015

    alle glauben an etwas.
    das geldsystem ist ein wunderbares beispiel dafür.
    die meisten glauben das der 100€ schein in ihrer geldbörse auch 100 € wert ist.
    sein materialwert ist aber nur 0,07 €.
    nur wenn alle daran glauben das der schein 100 € wert ist kann man ihn auch ausgeben, würde ein teil der bevölkerung nicht daran glauben würde das glaubenssystem “geld” zusammenbrechen…

  47. […] wieder einmal. Die historische Genese des Weihnachtsensembles, vom Stall bis zu den drei Königen, sei einmal dahingestellt. Theologisch geht es bei Weihnachten um die Ankunft des Heils im Menschen, um die Erlösung des […]