Im Arzneimittel- und Sozialversicherungsrecht genießen die sog. „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, anthroposophische Medizin und Phytotherapie) bekanntlich eine Privilegierung. Sie müssen ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen nicht in gleicher Weise nachweisen wie andere Verfahren.
In einem offenen Brief an die gerade tagende 92. Gesundheitsministerkonferenz hat der Deutsche Naturheilbund unter Bezug auf die WHO-Initiative zur Förderung von Verfahren der traditionellen Medizin nun gefordert, für naturheilkundliche Verfahren, was auch immer darunter fallen mag, Sonderregelungen zu schaffen und die Finanzierung durch die Krankenkassen nicht mehr von Bewertungen des IQWIG und Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses abhängig zu machen. Deren „propagierte Unabhängigkeit“ sei infrage zu stellen:
„Wir wünschen uns daher sowohl eine anerkennende Wertschätzung der Naturheilkunde als Traditionelle Europäische Medizin in der deutschen Gesetzgebung, als auch die Bereitstellung von Forschungsmitteln für diesen Bereich. Hierfür ist es unseres Erachtens zwingend, den hoch-individuellen Ansatz und die speziellen Prinzipien der Traditionellen Europäischen Medizin anzuerkennen.
Die alleinige Beurteilung der Verfahren durch das IQWIG und den G-BA kann dem nicht gerecht werden. Die offen propagierte Unabhängigkeit dieser Institute müssen wir in Frage stellen, da weder Vertreter von naturheilkundlichen Organisationen wie dem DNB, noch Vertreter naturheilkundlicher Berufe einschließlich der ganz wenigen naturheilkundlichen Stiftungsprofessuren an deutschen Universitäten oder politische Vertreter in diesen Gremien vertreten sind.“
Die Naturheilverbände streben offensichtlich eine Erweiterung der Binnenkonsensregelungen im Gesundheitswesen an. Mancher Gesundheitsminister wird darin möglicherweise ein interessantes Instrument der politischen Landschaftspflege sehen, die Naturheilverbände repräsentieren ja durchaus ein relevantes Wählerklientel, aber die evidenzbasierte Medizin würde damit einmal mehr ausgehebelt. Tradition statt Evidenz ist keine gute Maxime, sondern der Rückweg in die Vergangenheit.
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