Ein norwegischer Experte hat offenbar eine mittelalterliche Runen-Verschlüsselung gelöst. Leider ist dieser Erfolg nur schwer einzuordnen.

Verschlüsselung gab es bereits im Mittelalter – auch wenn man die Sache damals noch etwas anders anging als heute. Meist verwendete man einfache Buchstabenersetzungen, die heute mit einer Häufigkeitsanalyse leicht zu lösen sind. Anstatt sich um die Sicherheit der Verschlüsselungsverfahren zu kümmern, versuchten die mittelalterlichen Chiffriermeister lieber, möglichst außergewöhnliche Geheimschriften zu erfinden. Das zeigt beispielsweise die Geheimschrift von Jannes Fontana (1395-1455), die unter anderem in dessen Buch Bellicorum Instrumentorum Liber vorkommt, auf das ich vor ein paar Tagen eingegangen bin:

Bellicorum-Bar

Ein weiterer Unterschied zu heute: Das Verschlüsseln diente im Mittelalter nicht unbedingt der Geheimhaltung. Vielmehr versprach  man sich von Geheimschriften auch eine magische oder religiöse Wirkung. Heute ist in vielen Fällen unklar, was den Urheber eines mittelalterlichen Codes veranlasste, diesen zu verwenden – vermutlich kamen Geheimhaltung und Zauberei oft zusammen. Die wohl berühmteste Verschlüsselerin des Mittelalters war die heilige Hildegard von Bingen, deren Lingua Ignota wie folgt aussah (auch diese Geheimschrift diente vermutlich nicht in erster Linie der Geheimhaltung):

Hildegard

Verschlüsselt wurde im Mittelalter jedoch nicht nur in Mitteleuropa, sondern auch in Skandinavien. Dort schrieb man mit Runen. Wer verschlüsselte, nutzte dazu Geheimrunen. Allerings wurden auch Geheimrunen nicht zwangsläufig zur Geheimhaltung verwendet und erfüllten in vielen Fällen magische Zwecke. Geheimrunen finden sich beispielsweise auf dem berühmten Runenstein von Rök. Dieser ist längst entschlüsselt. Da es sich um einen eher mythischen Text handelt, der ohnehin nur teilweise chiffriert ist, dürfte das Verschlüsseln wohl nicht der Geheimhaltung gedient haben.

Runestone

Der norwegische Runenexperte Jonas Nordby hat nun nach eigener Aussage einen weiteren Geheimrunen-Code aus dem Mittelalter geknackt. Es handelt sich dabei um einen Runentyp, der als Jötunvillur bezeichnet wird. Details dazu gibt es hier in einem Artikel auf dem Portal ScienceNordic (danke an Ralf Bülow und Richard SantaColoma für den Tipp). Etwa 80 Geheimrunen-Texte konnte Nordby ausfindig machen, neun davon sind in Jötunvillur verfasst. Unter anderem konnte Nordby die Aufforderung “küss mich!” entschlüsseln. Wenn das kein Ergebnis ist!

Leider kann ich die Arbeit von Nordby nur schwer beurteilen. In der Literatur zur Kryptologie-Geschichte werden Geheimrunen zwar öfters erwähnt, doch meist nur sehr oberflächlich behandelt. Auch der Wikipedia-Eintrag zu Geheimrunen ist nicht sehr aussagekräftig. Von einem Jötunvillur-Code habe ich noch nie etwas gehört. Bei Google habe ich nur Informationen gefunden, die im Zusammenhang mit der Dechiffrierung stehen. Auch der Science-Nordic-Artikel geht nicht in die Tiefe. Bleibt zu hoffen, dass dieses spannende Kapitel der Kryptologie-Geschichte weiter erforscht wird und dass aussagekräftige Veröffentlichungen dazu erscheinen.

 

Kommentare (6)

  1. #1 Trottelreiner
    10. Februar 2014

    Wobei die Entschlüsselung ungewöhnlicher Alphabete ja ein bißchen in die Entschlüsselung alter Schriftsystem hineinspielt, durchaus mit ähnlichen Techniken. Ähnlich wie beim Voynich-Manuskript wuden in solchen Fällen ja hin und wieder auch textstatistische Methoden angewendet, wobei ich nicht weiß, wie robust diese gegenüber ausgefallenen Sprachen oder anderen Schriftsystemen, z.B. Silbenschriften, Abugidas, Konsonantenschriften etc. sind.

    BTW wären Silbeschriften IMHO mal ein interessanter Kanidat bei ungelösten Kryptogrammen, insbesondere AFAIK einige Stenographiesysteme diese anwenden.

    BTW, ein bekanntes Beispiel für eine unentzifferte Schrift wäre ja:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Diskos_von_Phaistos

  2. #2 Chemiker
    11. Februar 2014

    Der Phaistos-Diskus ist vielfch áhnlich dem Voynich-Manuskript: Ein einzigartiges Stück, das eine sonst nirgendwo bekannte Schrift verwendet, das ungewöhnliche Design-Elemente (die Spirale) aufweist und dessen Herkunft nicht ganz einfach zu klären ist (auch bei Phaistos-Diskus wird gelegentlich eine moderne Fälschung vermutet).

    Technisch ist der Diskus aber dem Manuskript überlegen, weil er gedruckt (oder besser gesagt gestempelt) wurde. Ich bin kein Experte, abr das kommt mir für die Bronzezeit ziemlich einzigartig vor.

  3. #3 Jerry McCarthy
    England
    11. Februar 2014

    <>

    Allerings?

  4. #4 Peter
    12. Februar 2014

    @Chemiker
    Es steht nichts von Bronzezeit, nur das es aus dem Mittelalter stammt und in alten nordischen Runen geschrieben ist.

  5. #5 Trottelreiner
    13. Februar 2014

    @Peter:
    Ähm, Chemiker bezog sich nicht auf die Runen, sondern auf den Diskus von Phaistos, den ich als unentzifferte Schrift angeführt hatte., da mich das Entschlüsseln von Geheimrunen eben stark an das Entschlüsseln von unbekannten Schriftsystemen erinnert.