Dass Leute, die die Mondlandung für eine erfundene Story halten, oder die überzeugt sind, es gäbe keine krankmachenden Viren, oft nicht nur einen einzelnen Sprung in der Schüssel haben, sondern ganzheitlich daneben sind, ist bekannt. Die Ablehnung dessen, was als wissenschaftlicher Konsens gilt, ist häufig nicht auf einzelne Themen begrenzt, sondern eine mehr oder weniger generalisierte Form der Weltanschauung. Man kann dazu die Arbeiten von Dan Kahans Cultural Cognition Projekt nachlesen, oder sich die Erfahrungen mit manchen Kommentatoren hier auf den Scienceblogs vergegenwärtigen.
Heute hat die Ärztezeitung auf die gerade online first publizierte Studie „Powerful Pharma and Its Marginalized Alternatives?“ von Pia Lamberty und Roland Imhoff (Uni Mainz) hingewiesen, wonach Anhänger von Verschwörungstheorien auch eine Neigung zur Alternativmedizin hätten, und, jetzt kommt’s, dass das mit Misstrauen gegenüber allem zusammenhänge, was für „Macht“ stehe, wie z.B. die Pharmaindustrie oder die Regierung:
”In the present article, we have shown that conspiracy mentality is linked to attitudes toward different medical approaches. This enabled us to predict attitudes toward complementary and alternative medicine and the likelihood of usage. As can be shown in previous research, conspiracy mentality can be characterized as a generalized distrust against those in power. This generalized distrust also influences medical choices.“ (Lamberty/Imhoff, Seite 14)
Die Reihe der „Macht“ lässt sich leicht fortsetzen: die Medizin, die Wissenschaft, Eliten, die etablierten Parteien …
Jetzt kann man sich fragen: Hat ein Teil derer, die Homöopathika schlucken, einfach den Weg zu einer demokratisch engagierten Gesellschaftskritik verfehlt und lebt das Misstrauen gegen Macht und Herrschaft jetzt als esoterische Spinnerei aus? Ähnlich wie z.B. ein Teil der gesellschaftskritischen „68er“ in den 1970er Jahren am Ende in Sekten und Selbsterfahrungsgruppen des damals aufkommenden Psychobooms wiederzufinden war? Statt den Marsch durch die Institutionen haben sie den Weg ins Innere angetreten, verbunden mit Reisen nach Poona oder anderen Guru-Residenzen. Sind (manche) Verschwörungstheoretiker also nur irregeleitete Gesellschaftskritiker? Analog dann auf der anderen politischen Seite auch die rechtslastigen Verschwörungstheoretiker? Oder ist die Studie eher ein tautologisches Wörterrauschen, weil Verschwörungstheoretiker eben dadurch als solche in Erscheinung treten, dass sie mit schrägen Argumenten den allgemeinen, den herrschenden Konsens ablehnen, egal worin sie ihn sehen, ob in den „Eliten der Altparteien“ oder in der „Schulmedizin“?
Wie dem auch sei. In einem Punkt sind die machtkritischen Verschwörungstheoretiker der Wahrheit jedenfalls sehr nahe: Wissen ist Macht.
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