Gestern ging es ganz schnell: Erst hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den BioNTech-Impfstoff empfohlen, dann hat ihn die EU-Kommission zugelassen.
In den Medien wird von einer Wirksamkeit des Impfstoffs von 95 % berichtet, das ist sehr gut. Wie kommt es zu dieser Zahl? In der Publikation von Pollack et al. „Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine“ zu den Studienbefunden wird ausgewiesen, dass in der Verumgruppe nach der zweiten Dosis 8 von 18.198 Probanden an Covid-19 erkrankt sind, in der Placebogruppe 162 von 18.325 Probanden. Das ergibt in der Verumgruppe eine Attackrate von 0,00043961, in der Placebogruppe von 0,00884038. Die Differenz bezogen auf die Attackrate der Placebogruppe in Prozent sind die vielzitierten 95 % Impfstoffwirksamkeit. Das ist die relative Risikoreduktion durch die Impfung (* siehe Nachtrag).
Interessant ist auch, wenn man einmal die absolute Risikoreduktion betrachtet. Sie beträgt 0,008400773. Ihr Kehrwert ist die NNV, die Number Needed to Vaccinate. Dieser Typ Kennziffer war als Number Needed to Screen auf Gesundheits-Check bereits Thema. Die NNV des BioNTech-Impfstoffs beträgt, von den Angaben in Pollack et al. ausgehend, also 119, rund 120. Etwa 120 Menschen müssen ceteris paribus geimpft werden, um eine Covid-19-Erkrankung zu vermeiden. Das ceteris paribus bezieht sich u.a. auf die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung.
Es gibt inzwischen eine Reihe sehr übersichtlicher Darstellungen zum BionTech-Impfstoff, z.B. auf der Seite „Gesundheitsinformationen.de“, die vom IQWIG betrieben wird. Dort sind auch wichtige noch offene Fragen aufgelistet. Beispielsweise, ob es seltene Nebenwirkungen gibt, die in den Zulassungsstudien nicht zu sehen waren und die erst hervortreten, wenn hunderttausende oder Millionen Menschen geimpft werden. Sie tangieren weniger das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs, können aber Anregungen für die Impfstoffforschung geben oder für eine Empfehlung, bestimmte Personen mit einem anderen Impfstoff zu versorgen. Wichtig ist auch, ob es langfristige Nebenwirkungen gibt, die in der Kürze der Beobachtungszeit in den Zulassungsstudien nicht aufgetreten sind. Fachleute gehen zwar nicht davon aus, dass dies der Fall sein wird, aber sicher wissen wird man es erst nach hinreichend langer Zeit.
Was man ebenfalls noch nicht weiß, ist, in welchem Umfang der Impfstoff nicht nur vor der Erkrankung Covid-19 schützt, sondern auch die Ansteckung mit dem Virus selbst bzw. dessen Übertragbarkeit verhindert. Das ist wichtig für das Ziel Herdenimmunität, also die Schwelle, ab der genug Menschen immun sind, dass sich die Epidemie totläuft. Wenn die Impfungen am 27.12.2020 in Deutschland beginnen, steht daher zunächst der Individualschutz der von der STIKO priorisierten Gruppen im Vordergrund. Zuerst soll die Impfung Heimbewohner/innen und Pflegekräften angeboten werden. Ich gehöre nicht zu den besonders prioritären Gruppen und muss noch etwas warten. Allerdings habe ich von einer Kollegin ersatzweise einen anderen Impfstoff bekommen. Wirksamkeit und Nebenwirkungen sind recht gut bekannt, aber beides hält nicht lange an und bei der Dosierung ist eine gewisse Vorsicht geboten.
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* Nachtrag 24.12.2020: In der Studie von Pollack et al. wird die Impfstoffwirksamkeit unter Berücksichtigung der Personenzeit berechnet, das hatte ich schlicht überlesen. Tabelle 2 der Publikation: Risiko Verumgruppe 8/2.214, Risiko Placebogruppe 162/2.222, Rest wie bei der Berechnung oben, vor dem Komma gleiches Ergebnis.
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