Seit die autoritären Regime die Weltordnung nach dem Kalten Krieg herausfordern, ist auch die Diskussion um die „westlichen Werte“ wieder virulenter geworden: Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Mitmenschlichkeit, Menschenwürde werden dann meist genannt.

Sind das „westliche“ Werte? Sind es universalistische Werte? Und werden sie im „Westen“ gelebt oder nur rhetorisch bemüht, oder selektiv gelebt, oder mal mehr das eine, mal mehr das andere? Und wer ist Adressat, wenn diese Werte in Reden in Stellung gebracht werden? Wer sollte Adressat sein? Die autoritären Regime, die Bevölkerungen dort, unsere Regierungen, irgendwelche Eliten, wir selbst?

In der Süddeutschen Zeitung ist heute ein Meinungsartikel von Joachim Käppner: “Wenn wir es wollen“. Es ist eine Art Weckruf mit Durchhalteappell angesichts der aktuellen Kriege und Krisen. Beispielsweise wird Roosevelt zitiert, mit dem Mutmachersatz „Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.“ Ist das so? Müssen wir uns nicht doch auch vor dem Klimawandel fürchten und nicht nur vor unserer Furcht davor? Und ist Putin nur ein Schreckgespenst?

Weiter fordert Joachim Käppner: „Mehr Resilienz wagen“. Dazu verweist er darauf, dass die „Demokratien (…) im stärksten Militärbündnis der Geschichte“ vereint seien. Daher müsse sich „der Westen“ (!) „nicht den Mut nehmen (…) lassen, für die eigenen Werte, für Freiheit und Menschenwürde einzustehen. Diese Werte sind die stärkeren.“

Was bedeutet das? Nach Käppner dies:

„In konkreter Politik kann das bedeuten, dass demokratische Parteien etwa bei Stichwahlen zusammenhalten gegen die AfD. Dass Europa die Ukraine noch viel stärker unterstützt, schon um US-Präsident Joe Biden den Rücken freizuhalten in seinem letzten großen Kampf für die Freiheit.“

Eine seltsame Kombination. Verdeckt sie vielleicht nur die Substanzlosigkeit dahinter? Müsste hier nicht vielmehr stehen, dass das in konkreter Politik bedeutet, Menschen nicht in unsäglichen Pflegesituationen verzweifeln zu lassen, sich um bezahlbaren Wohnraum zu kümmern, dafür zu sorgen, dass im Mittelmeer möglichst niemand auf der Flucht ertrinkt oder in Libyen gefoltert und in der Wüste ausgesetzt wird, den Hunger in der Welt wirksam und nicht nur symbolisch-caritativ zu bekämpfen? Frei nach Feuerbach ist die Menschenwürde kein dem Grundgesetz innewohnendes Abstraktum, sondern das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Den wahren Adressaten der Werte sieht Käppner allerdings ohnehin bei uns:

„Am Ende aber sind es die Bürgerinnen und Bürger, welche die Verantwortung dafür tragen, dass die Freiheit überlebt. Niemand nimmt den Wählern diese Verantwortlichkeit ab (…).“

Keine Frage: In einer demokratischen Gesellschaft haben wir alle unsere Verantwortung. In der Familie, in Elternbeiräten, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Bürgerinitiativen, am Arbeitsplatz, z.B. im Betriebsrat, und auch bei Wahlen. Das ist das, was den „Werten“ zivilgesellschaftlich von unten zuwachsen kann. Dazu muss das kommen, was nur die politischen Institutionen erreichen können, innen- wie außenpolitisch. Es reicht nicht, „wenn wir es wollen“.

Wenn Joachim Käppner mit seinem Beitrag zivilgesellschaftliche Verantwortung einfordert, gegen eine Lehnstuhldemokratie, ist das sicher gut gemeint. Aber sein Text ist geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie Werte zur hohlen Phrase verkommen können, wie man sie aus Politikerreden zur Genüge kennt. Als Phrase haben auch die stärksten Werte keine Strahlkraft, nicht nach innen, nicht nach außen, sondern stoßen bei den Putins, Orbans, Erdogans, Modis oder Höckes dieser Welt samt ihrer Gefolgschaft auf Zynismus und Gleichgültigkeit. So wie es auch nicht reicht, als erbauliches Zeichen „unserer Art zu leben“ einen Weihnachtsbaum zu kaufen.

Bert Brechts Satz „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ propagiert keine amoralische Welt, sondern weist darauf hin, dass Moral viel damit zu tun hat, ob Menschen zu essen und ein Dach über dem Kopf haben, und dass sie darauf vertrauen können, dass es in der Politik vor allem auch darum geht.

Kommentare (48)

  1. #1 DS
    Kiefersfelden
    30. Dezember 2023

    Den Phrasen des Joachim Käppner hat Heribert Prantl vorgestern in der SZ tatsächlich so etwas wie Werte entgegengesetzt. Vielleicht ahnte Prantl schon, was von Käppner kommen wird….?

    Und treffend auf den Punkt gebracht lässt uns Prantl wissen:

    »Es geht um die gute Zukunft der demokratischen Gesellschaft. Zukunft kommt nicht einfach; es gibt nur eine Zukunft, die sich jeden Augenblick formt, je nachdem, welchen Weg eine Gesellschaft wählt, welche Entscheidungen die Menschen treffen, welche Richtung die Gesellschaft einschlägt. Es gilt, den Weg nach Rechtsdraußen zu versperren.«

    Insofern geht es m.E. nicht nur darum, ob Menschen zu essen, ein Dach über dem Kopf haben und vertrauen können, sondern dass Menschen auch aktiv handeln und Zukunft gestalten und beeinflussen müssen wie auch können.

    (https://www.sueddeutsche.de/meinung/grundgesetz-demokratie-afd-wahlen-deutschland-kolumne-prantl-1.6325501)

  2. #2 hto
    wo Moral ...
    30. Dezember 2023

    Welche Moral??? 😉

    • #3 Joseph Kuhn
      30. Dezember 2023

      @ hto:

      Aus Ihrer Sicht eines menschenverachtenden Fundamentalisten eine nachvollziehbare Frage. Ihre anderen gefühlt 10 bis 20 Kommentare der letzten Tage mit dem immergleichen Geschwurbel vom faschistischen Erbensystem habe ich im Spamordner gelassen.

      Nehmen Sie diesen Kommentar als eine Art Empfangsbestätigung: Ab und zu schaue ich in den Spamordner und so lange Ihre Kommentare weiter so hasserfüllt sind, ist die Welt noch nicht verloren. Hoffnungslos würde es, wie schon mal gesagt erst, wenn Sie anfangen, vernünftige und menschenfreundliche Kommentare zu schreiben.

  3. #4 Neumann
    30. Dezember 2023

    Zwischen Werten und Phrasen so scheint es , steht das Bundesverfassungsgericht.
    “Erstmeldung vom 15.04.2021, 11.41 Uhr: Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat den Berliner Mietendeckel, der 2020 in Kraft getreten ist, gekippt. Das gab das höchste deutsche Gericht am Donnerstag bekannt.”
    Also, der Fehler steckt im System.

  4. #5 Alisier
    30. Dezember 2023

    Bei “…..seinem letzten großen Kampf für die Freiheit” steige ich spätestens aus.
    Pathos mag ja manchmal irgendwie hilfreich sein, aber das wirkt dann doch recht wirr und wirklich substanzlos.
    Allerdings: wir haben nur die Sprache, wenn wir wirklich überzeugen wollen. Mit Tabellen und sauberen Daten allein gewinnt man weder Herzen noch Mehrheiten.
    Und man sieht ja wie Demagogen ohne jede Substanz immer mal wieder große Menschenmassen (sogar unendlich gewaltige und unermesslich große wie bei Trumps Inauguration) auf ihre Seite ziehen.
    Man unterschätze gute Rhetorik nicht, selbst wenn sie zuweilen etwas gestelzt daherkommt. Ich erinnere hier aus aktuellem Anlass an die Rede Wolfgang Schäubles zur Entscheidung Berlin zur Hauptstadt zu machen.
    Ein Meisterstück, und das ganz ohne Powerpoint-Präsentation.

    • #6 Joseph Kuhn
      30. Dezember 2023

      @ Alisier:

      “seinem letzten großen Kampf für die Freiheit”

      Ja, da denkt man spontan an Armageddon. Aber vielleicht dachte Herr Käppner auch nur an Bidens Alter.

      Heikler wäre die Frage, was der erste große Kampf Bidens für die Freiheit gewesen sein könnte. Seine Unterstützung für den völkerrechtswidrigen Irakkrieg 2003 mit seinen desaströsen Folgen?

      “Man unterschätze gute Rhetorik nicht”

      In der Tat. Aber mit der Rhetorik ist es wie sonst auch: Der Zweck heiligt die Mittel nicht. Die “erfolgreiche” Lüge von den Massenvernichtungsmitteln im Irak hat den Krieg nicht zu einem gerechten Krieg gemacht.

  5. #7 Dr. Webbaer
    30. Dezember 2023

    Dr. Webbaer schließt sich hier gerne an :

    Bert Brechts Satz „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ propagiert keine amoralische Welt, sondern weist darauf hin, dass Moral viel damit zu tun hat, ob Menschen zu essen und ein Dach über dem Kopf haben, und dass sie darauf vertrauen können, dass es in der Politik vor allem auch darum geht. [Artikeltext]

    Mag auch den Satz vom Sein, das das Bewusstsein bestimmt. (Was sonst außer dem Sein?)

    Insofern muss der “Westen” mit seinem “Kapitalismus” in der Lage sein vor Ort bestehende Bedürfnisse zu befriedigen, so sollten nicht zuerst Utopien gepflegt werden, sondern es sollte zuerst um das Jetzt gehen.

    Ansonsten sind aus diesseitiger Sicht mit den gerne zitierten “unseren Ideen und Werten” die Schlussfolgerungen der Europäischen Aufklärung gemeint, die das Sapere Aude kennen und befürworten, den philosophischen Individualismus, hoch komplexe Gesellschafts- bzw. Herrschaftssysteme in mehreren Schichten, die die Gewaltenteilung meinen, eine funktionierende Medienlandschaft, moderne Wissenschaftlichkeit (sic, die ist auch vom Sapere Aude abhängig) und last but not least : allgemeine Toleranz.

    Wobei derartige von der Europäischen Aufklärung angeleitete Systeme sozusagen gewonnen haben, sich in weiten Teilen auf diesem Planeten durchsetzen konnten, weil [1] sie eben Bedürfnislagen, gut oder zumindest besser als anderswo bearbeiten konnten, wie auch jeder Sozialdemokrat weiß bzw. wissen könnte, auch die sozusagen kleinen Leute mit ihren Nöten meinend.

    Mit freundlichen Grüßen und schon einmal Allen einen guten Rutsch wünschend
    Dr. Webbaer

    [1]
    Das war ja zu Zeiten der Aufklärung die zentrale Frage : Funzt es, wie von uns geplant, auch mit der gro-oßen Menge oder machen wir uns da was vor?

    • #8 Joseph Kuhn
      30. Dezember 2023

      @ Webbär:

      Ob hier der von Ihnen an anderer, nicht so passender Stelle eingebrachte Böckenförde einschlägig wäre?

  6. #9 Mars
    inzwischen in der Rhön
    30. Dezember 2023

    „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ ??

    manchmal interpretiere ich das nicht wie Brecht, sondern sehe z.t. Menschen die in ihrem überfluß leben und sich deshalb um die Moral scheren.

    dabei möchte ich mich da gar nicht ausnehmen, denn als heute 20 jähriger (im gegensatz zu einem alten weisen mann, der ich nun bin) sieht die welt auch deswegen anders aus, weil die eigene zukunft noch lange wirken kann, und man seine kraft in wirkung bringt, um die zukunft – zum guten – zu ändern.

    mit vollem bauch lässt sich gut lamentieren ohne in eine handlung zu müssen.
    Verantwortung kann und muss jeder übernehmen, allerdings nicht nur für sich und seinem direkten umfeld … im besten fall für alle menschen.
    manchmal fällt einem das aber sehr schwer!

    kraftvolles neues jahr

  7. #10 Dr. Webbaer
    30. Dezember 2023

    Jaja, danke für die Freischaltung des kleinen Kommentars weiter oben, Dr. Webbaer nimmt Sacharbeit immer auch ein wenig persönlich [1], leidet an bestimmter Entartung der (insbes. globalen, sozusagen globalistischen) Wirtschaft und wollte zumindest heute nicht stören, sondern auf die Schulter klopfen.

    MFG – WB (der sich nun nicht hier mit irgendwelchen experimentellen (Psycho?-)Kommentaren ausbreiten wird, versprochen!)

    [1]
    Für den Systematiker ist eine Aussage zu einer Sache oder einem diesbezüglichen Verhalt immer zuerst als eine Aussage einer Person(enmenge) zu einer Sache oder einem diesbezüglichen Verhalt zu bearbeiten.
    (Derartige Erkenntnis hilft sogar beim Datenbank-Design, bei der Feststellung, Bestimmung von Entitäten und Kardinalitäten.)

  8. #11 DH
    30. Dezember 2023

    Westliche Werte als Werte der Aufklärung weil sie der Westen teilweise vertreten hatte in den letzten Jahrhunderten oder es wenigstens manchmal versucht wurde. Wer hats erfunden, keine Ahnung.
    In den letzten 30 Jahren haben wir jedenfalls eine bedenkliche Abkehr, neoliberale Dogmen, Idenditätspolitik, rechtspopulistischer Reduktionismus wer so alles zum “Volk” gehören darf und wer nicht, eine fragwürdige Antihaltung zu jedweder Art von Grenzen die nicht den Freiheitsbegriff der Liberalen vertritt sondern eher den der Kriminellen, ein distanziertes Verhältnis zum Rechststaat von verschiedenen Seiten, einschließlich Teilen des Rechststaats selber…
    Ist es eine “vorübergehende Erschöpfung” (Helmut Schmidt), oder befinden wir uns an der Schwelle zum Ende der Aufklärung im Westen?

  9. #12 Neumann
    31. Dezember 2023

    Allen Mitkommentatoren ,Gute Gedanken, Gute Taten und ein Gutes Neues Jahr.

  10. #13 Neumann
    31. Dezember 2023

    Zum Jahresabschluss
    “Menschenrechte sind Rechte, die sich aus der Würde des Menschen herleiten und begründen lassen; Rechte, die unveräußerlich, unteilbar und unverzichtbar sind. Sie stehen allen Menschen zu, unabhängig davon, wo sie leben und unabhängig davon, wie sie leben.”
    Um diese Menschenrechte formulieren zu können, mussten Millionen von Soldaten ihr Leben lassen.
    Man schaue sich den Soldatenfriedhof von Verdun in Frankreich an. Noch eindringlicher geht es nicht.

  11. #14 RGS
    1. Januar 2024
  12. #15 Neumann
    1. Januar 2024

    RGS
    Herrn Fricke als Retter der gegenwärtigen Situation aufzurufen, da können wir auch die Ampel behalten.
    Der Satz “Jetzt gilt: weniger Staatsschulden, mehr Inflation – nicht umgekehrt. ”
    Sie vergessen, dass Deutschland zu 70 % exportiert. Es muss konkurrenzfähig bleiben. Höhere Preise sind dabei Gift. Und unsere Rentner, die leiden am meisten am Geldwertverlust.
    Jetzt gilt es ein stabiles Gleichgewicht zwischen Geldwert und Ausgaben zu finden.
    Was eine hohe Staatsverschuldung bewirkt hat, das zeigt die Geschichte Italiens, die mehrfach seine Währung abwerten musste.

    • #16 Joseph Kuhn
      1. Januar 2024

      @ Neumann:

      “Sie vergessen, dass Deutschland zu 70 % exportiert. Es muss konkurrenzfähig bleiben.”

      Der extrem hohe Außenhandelsüberschuss Deutschland ist in den letzten Jahren zwar deutlich zurückgegangen, aber er betrug 2022 immer noch ca. 90 Mrd. Euro. Deutschland mangelt es bisher nicht so sehr an internationaler Wettbewerbsfähigkeit als vielmehr an Binnennachfrage aufgrund insgesamt zu geringer Löhne und jahrelang vernachlässigter öffentlicher Investitionen. Jetzt haben wir eine geringe Staatsverschuldung, aber eine kaputte Bahn, zu wenig Lehrer, einen antiquierten ÖGD, marode Brücken …

      Den letzten Punkt spricht Fricke in seinem von RGS verlinkten Statement an: Auch in die Zukunft gedacht hilft es nicht, möglichst viel “zu sparen”, volkswirtschaftlich ist das Merkelsche Modell der “Schwäbischen Hausfrau” keine gute Orientierung und gehört in die Rubrik Phrasen.

      Wobei die Phrasen oft handfeste Interessen vernebeln. Der Weihnachtsbaum-Philosoph Merz führt das in seiner Neujahrsrede mustergültig vor:

      “Konsum gibt es genug im Land. Wichtig ist, dass wir ein wettbewerbsfähiger Industriestandort bleiben. Diese Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist so gefährdet wie lange nicht, vielleicht sogar wie nie zuvor nach dem zweiten Weltkrieg. Nur wenn wir eine breit aufgestellte, wettbewerbsfähige Wirtschaft behalten, vom Mittelstand bis hin zur Großindustrie, nur dann können weiter gute Löhne gezahlt werden, der Staatsapparat erhalten und die sozialen Sicherungssysteme zahlungsfähig bleiben. Diesem Ziel muss sich in der Wirtschafts- und Finanzpolitik alles unterordnen, auch die Klimapolitik, die bei sinkendem Wohlstand und Gefährdung der Sozialsysteme ansonsten weiter ihre Legitimation in der Bevölkerung verliert.”

      Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist natürlich wichtig, aber sie muss austariert werden mit anderen Zielen, sie muss mit den richtigen Mitteln gesichert werden (nicht per se durch Lohnzurückhaltung oder den weiteren Ausbau des Niedriglohnsektors) und es ist auch niemandem damit geholfen, wenn ein Land andere Länder kaputtkonkurriert, egal ob das Deutschland macht oder China.

  13. #17 Neumann
    1. Januar 2024

    Joseph Kuhn,
    Zustimmung, bei einer verkürzten Darstellung kommt schnell ein falscher Eindruck auf.
    Ein offensichtlicher Kritikpukt an der Neujahrsrede von Herrn Merz ist :” vom Mittelstand bis hin zur Großindustrie,”. Die Unterschicht ist auch ein Wirtschaftsfaktor. ! Die hat er vergessen. Ansonsten sind das nur Sprüche.
    Das dicke Ende kommt noch, wenn das Bürgergeld eine Eigendynamik entwickelt. Heute schneidet ein Sozialampfänger mit Bürgergeld und Mietzahlung besser ab, als ein Niedriglohnverdiener, der seine Miete bezahlen muss.
    Die Folge, es finden sich kaum noch Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor.
    Nachtrag, in Italien hat die derzeitige Regierung das Bürgergeld abgeschafft, weil die Leute dann nicht mehr arbeiten wollen. Tragisch wird das dann für die Gebiete, die keine Arbeitsplätze anbieten können, weil die Industrie fehlt. Und daran war im Falle Neapel die Gewerkschaft schuld, die hat damals Alfa Sud totgestreikt. Der Fiatkonzern hat dann nicht weiter inverstiert.

  14. #19 Neumann
    1. Januar 2024

    Joseph Kuhn
    Danke für die Informationen. Der Link wirft ein ganz neues Licht auf das Verhältnis Bürger-Staat.
    Wir haben einen Fall im Bekanntenkreis, bei dem man Zweifel am Sinn von Bürgergeld bekommen kann.
    “…..für einige Gruppen”, dann bekommt die Maßnahme einen Sinn.

    In Deutschland werden im Dienstleistungsbereich Arbeitskräfte gesucht. Hier ist das Bürgergeld ein Hindernis.

    • #20 Joseph Kuhn
      1. Januar 2024

      @ Neumann:

      “Hier ist das Bürgergeld ein Hindernis.”

      Solche Phrasen sind ein Graus. Ein Hindernis für was? Für Geschäftsmodelle mit Hungerlohn? Sehen Sie vielleicht auch Ihre Lehrerpension als Hindernis für die maximale Ausschöpfung des Erwerbspotentials der Bevölkerung? Wir müssen doch, wie Sie oben schrieben, “konkurrenzfähig” bleiben und in vielen Ländern gibt es keine so guten Pensionen wie hier. Also?

  15. #21 Neumann
    1. Januar 2024

    Joseph Kuhn,
    theoretisch kann man unterschiedliche Meinungen nicht entscheiden.
    Zurück zu unserem Fall aus dem Bekanntenkreis.
    Also , eine junge Frau mit 3 Kinder bewohnt eine 2-Zimmer Wohnung. Sie arbeitet als Pflegerin.
    Die Miete schlägt auf, auf 800 € kalt.
    Ihre Freundin hat auch mehrere Kinder und die erhält Bürgergeld und ihre Miete wird bezahlt.
    Was macht die Bekannte ? Sie kündigt ihren Arbeitsplatz, nachdem ihr eine 4 – Zimmerwohnung gebilligt wurde. Jetzt bekommt sie Bürgergeld und zusätzlich die Miete bezahlt.
    Nach ihrer Aussage hat sie jetzt monatlich etwa 200 Euro mehr zur Verfügung.
    Ohne weiteren Kommentar.

    Was den Hungerlohn betrifft, das ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn man den Mindestlohn noch weiter erhöht, dann kann können selbst sozial denkende Arbeitgeber nicht mehr mithalten, z.B. bei den Frisören.

    Zugegeben, so ein Fall ist nicht repräsentativ aber doch regt er zum Nachdenken an. Dass der Staat die Miete bezahlt, das ist ein grundsätzlicher Fehler. Genauso ein Fehler wie vor einigen Jahrzehnten die Neue Heimat “ruiniert” wurde. Der richtige Weg muss lauten “statt Parkhäuser besser Mietwohnungen bauen”.

    • #22 Joseph Kuhn
      1. Januar 2024

      @ Neumann:

      “Nach ihrer Aussage hat sie jetzt monatlich etwa 200 Euro mehr zur Verfügung.”

      Das müsste man einmal konkret durchrechnen, ob das so stimmt. Möglicherweise hätte Sie auch mit dem Job Anspruch auf Bürgergeld gehabt (Aufstocken).

      Die richtige politische Perspektive in Ihrem Beispiel wäre zudem, statt das Bürgergeld zu reduzieren, endlich ernsthaft die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Klatschen reicht halt nicht zum Mietezahlen.

      “Wenn man den Mindestlohn noch weiter erhöht, dann kann können selbst sozial denkende Arbeitgeber nicht mehr mithalten, z.B. bei den Frisören.”

      Weil sich die Kunden bei höheren Preisen die Haare dann in Serbien schneiden lassen, oder alle selber schneiden, oder alle schwarz schneiden lassen?

      Vielleicht finden Sie es auch bedauerlich, dass ein gutbürgerlicher Haushalt heutzutage keine Dienstmädchen mehr findet? Schon mit den Putzfrauen wird es ja immer schwerer, weil die mit Gotteslohn einfach nicht zufrieden sind.

      Zum Thema Mindestlohn:
      https://www.mindestlohn-kommission.de/DE/Forschung/Projekte/pdf/Bericht-Mindestlohn-Haushaltseinkommen.pdf?__blob=publicationFile&v=1
      https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/315569/fuenf-jahre-gesetzlicher-mindestlohn/
      https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008099

      “Dass der Staat die Miete bezahlt, das ist ein grundsätzlicher Fehler. (…) Der richtige Weg muss lauten (…) Mietwohnungen bauen.”

      Das ist eine falsche Alternative, das eine schließt das andere nicht aus. Und gerade wenn man Ihren Sprüchen folgt und den Mindestlohn sehr niedrig halten will, wird bei manchen Leuten der Lohn nie für die Miete reichen. Notwendig für den Bau so bezahlbarem Wohnraum wäre zudem eine Senkung der Baukosten und der Bodenpreise.

      Niedrige Löhne sind zu einem Teil auch die Folge der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft, die ja, wie Sie oben schrieben, “konkurrenzfähig” bleiben muss, einem Ziel, dem sich, wie Herr Merz schreibt, “alles unterordnen” muss.

      Lassen wir es dabei bewenden, so lange ich noch in der Lage bin, das so höflich zu sagen. Sonst muss ich am Ende noch hto Recht geben.

  16. #23 hto
    wo Blödsinn der "Ökonomie" von/zu unternehmerischen Abwägungen ...
    1. Januar 2024

    @Neumann: “Zugegeben, so ein Fall ist nicht repräsentativ aber doch …”

    In diesem Kommentar steckt soviel Konfusion von systemrational-gepflegter Bewusstseinsschwäche und Bewusstseinsbetäubung, da ist die Anregung zum Nachdenken offensichtlich ebenso …!? 😉

  17. #24 RGS
    2. Januar 2024

    Leider hat die ganz große Koalition 2011 (erarbeitet von einer Föderalismuskommission) mit der Schuldenbremse in der aktuellen Fassung Phrasen in die Verfassung geschrieben.

    Ich denke, diese Schuldenbremse, die uns nun verschärft Austeritätspolitik beschert, gehört so schnell wie möglich reformiert. Das bedeutet eine Verfassungsänderung ist nötig. Das wird dauern. Die CDU/CSU wird das erst machen, wenn sie wieder an der Macht ist. Solange wird sie weiter ökonomische Phrasen dreschen.

    ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski:
    “Die Schuldenbremse wurde eingeführt, als Europa ein Problem mit der Schuldentragfähigkeit hatte und Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen wollte”, sagte er. “Jetzt hat vor allem Deutschland ein Problem mit Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Wenn sich die Zeiten ändern, sollten sich auch die Schuldenbremsen ändern.”

    Die Schuldenquote in Deutschland liege nur knapp über 60 % des BIP, während sie in Frankreich, Italien und Spanien über 100 % liege.

    “Deutschland erlebt jetzt eine völlig selbstverschuldete Selbstzerstörung”, sagte er.

    Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

    Laut Scope Ratings hat Deutschland in den letzten zehn Jahren im Vergleich zu anderen Ländern mit AAA-Rating bereits rund 300 Milliarden Euro zu wenig investiert.

    Quelle:
    https://www.reuters.com/markets/europe/german-budget-row-prises-open-debt-brake-debate-2023-11-26/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

    • #25 Joseph Kuhn
      2. Januar 2024

      @ RGS:

      Ja, das kommt davon, wenn man Phrasen aus dem Portfolio der „Schwäbischen Hausfrau“, z.B. dass man erst erwirtschaften muss, was man ausgeben kann usw., auch noch rechtlich fixiert.

  18. #26 Neumann
    2. Januar 2024

    Hto, Joseph Kuhn
    „Im Schweiße eures Angesichtes sollt ihr Euer Brot verdienen“so heißt es in der Bibel. Das war keine Drohung, sondern eine Verheisung.
    Die Arbeit gibt dem Menschen einen Sinn und eine Befriedigung. Wer im Schweiße seines Angsichtes sich etwas aufgebaut hat, der hat sich eine Grundlage geschaffen.
    Diesen Gedanken sollte man im Hintergrund behalten , gerade auch beim Gazakrieg.

    Was hat das jetzt mit dem Bürgergeld zu tun? Das Bürgergeld , das an keine Bedingung geknüpft ist, entfremdet den Empfänger von seinem Erwerbsleben. Es verhindert, dass der Empfänger sagen kann, das gehört mir.
    Würde man den Frauen anstelle genügend Kindergeld bezahlen, dann behielte die Frau ihre Würde und wird nicht zum Almosenempfänger.

    Mit dem Bürgergeld schafft man sich das Proletariat der Entrechteten. Entrechtet vom Recht auf Arbeit. Eine Generation die noch nicht gearbeitet hat, die hat kein Verhältnis zum Staat, kein Verhältnis zum Geld und kein Eigenwertgefühl mehr. Das sind dann die Menschen, die auf die Demagogen hereinfallen, die ihnen einen Sinn des Lebens versprechen.

    • #27 Joseph Kuhn
      2. Januar 2024

      Das lasse ich noch mal durch, weil es so gut zum Thema Phrasen passt, obwohl man dem Kommentar eigentlich eine Triggerwarnung voranstellen müsste: „Dieser Kommentar kann Ihren Glauben an die Vernunft gefährden“.

  19. #28 rosemarybrawny
    2. Januar 2024

    Diese Phrasen sollen Verkäufern helfen, potenzielle Kunden zu beeinflussen und zu überzeugen, Werte zu vermitteln, Beziehungen aufzubauen

    [Werbe-URL gelöscht. Ein Bot als echte Phrasendreschmaschine kommentiert zu einem Artikel über Phrasen. Manches kann man sich nicht ausdenken. JK]

  20. #29 Neumann
    2. Januar 2024

    XXX

    [Kommentar gelöscht. JK]

  21. #30 Fluffy
    2. Januar 2024

    Bei einem #Neumann21# weiß man nie, wieviel von seinen Erzählungen der Phantasie entsprungen sind.

    Was macht die Bekannte ? Sie kündigt ihren Arbeitsplatz, nachdem ihr eine 4 – Zimmerwohnung gebilligt wurde. Jetzt bekommt sie Bürgergeld und zusätzlich die Miete bezahlt.
    Nach ihrer Aussage hat sie jetzt monatlich etwa 200 Euro mehr zur Verfügung.

    Wahrscheinlich ist das dieselbe Tschechin, die die Statistikaufgabe “genial einfach aber nicht erlernbar” gelöst hat.

  22. #31 RGS
    3. Januar 2024

    @ Joseph Kuhn
    2. Januar 2024
    „Ja, das kommt davon, wenn man Phrasen aus dem Portfolio der „Schwäbischen Hausfrau“, z.B. dass man erst erwirtschaften muss, was man ausgeben kann usw., auch noch rechtlich fixiert.“

    Ja, und das auch noch in der Verfassung!
    Müsste nicht geprüft werden, ob die Schuldenbremse verfassungswidrig ist.
    Sie schränkt nämlich die Handlungsfähigkeit der Regierung so stark ein, dass diese nicht mehr in der Lage ist Krisen angemessen zu begegnen.
    Ich bin verwundert, dass das Bundesverfassungsgericht keine Hinweise an den Gesetzgeber zur Änderungsbedürftigkeit der Schuldenbremse gegeben hat.

  23. #32 Staphylococcus rex
    3. Januar 2024

    “Der weiße Mann spricht mit gespaltener Zunge”. So oder so ähnlich ist der Tenor vieler Indianerfilme und damit der Blickwinkel (mit anekdotischer Evidenz) einer unterlegen Gesellschaft auf unsere “westlichen Werte”. Was ich damit sagen möchte? Eine Betrachtung der “westlichen Werte” führt sehr schnell zu einer gewissen Ambivalenz der Bewertung.

    Auf der Ebene des Individuums ist diese Ambivalenz nachvollziehbar, wir alle tragen Eigenschaften wie Egoismus und Altruismus in uns und die Ausprägung dieser Eigenschaften ist abhängig vom Charakter, aber auch von der persönlichen Reife des Individuums. Bei den “westlichen Werten” reden wir aber nicht über das Individuum, sondern über Gesellschaften.

    Das folgende Modell ist sehr vereinfachend dargestellt und deshalb lückenhaft und angreifbar, aber es liefert eine Erklärung für die Ambivalenz auch auf gesellschaftlicher Ebene. Renaissance und Aufklärung führten in den westlichen Ländern zu einem höheren Maß an individuellen Freiheiten für einen Teil der Bürger (die Leibeigenschaft wurde erst deutlich später abgeschafft. Dieses höhere Maß an individueller Freiheit führte aus meiner Sicht zu zwei Ereignisketten.

    Einerseits führten diese Freiheitsrechte zu einem Schub an Forschung und unternehmerischer Aktivität und damit zur industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und damit zu einer technologischen Überlegenheit der europäischen Nationalstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dies führte aber nicht automatisch zu einer Stärkung der moralischen Werte, sondern im Gegenteil zum Kolonialismus und Imperialismus.

    Andererseits kam es in einer parallelen Ereigniskette zur Entstehung einer gebildeten Mittelschicht, die in einer Autokratie eingeengt war und deshalb als Zivilgesellschaft die Demokratisierung einforderte. Diese Demokratisierung verschafft einer Gesellschaft nicht automatisch einen technologischen Vorsprung, sie hat aber zwei entscheidende Vorteile. Die Demokratie ist weniger fehleranfällig als die Entscheidungsprozesse eines Autokraten, die eine Nation sehr schnell (durch Kriege) in die Katastrophe führen können und die Demokratie kann bei einer äußeren Bedrohung besser das Potential einer reifen Zivilbevölkerung freisetzen und hat damit bessere Chancen diese Krise zu meistern. Dafür sind die Entscheidungsprozesse in einer Demokratie komplexer, in der Anfangsphase einer Krise haben Demokratien einen zeitlich befristeten Nachteil.

    Technologische und moralische Überlegenheit sind zwei unterschiedliche Kategorien und sollten nicht miteinander vermischt werden. Um die Ambivalenz der “westlichen Werte” zu verdeutlichen, Demokratie braucht eine reife Zivilgesellschaft als Basis (“erst das Fressen, dann die Moral”), wenn die Staatsform einer Demokratie einer Gesellschaft aufgezwungen wird, die dafür noch nicht reif ist, dann führt dies zur Korruption und zum Mißbrauch der Demokratie als Mittel des Neokolonialismus. Dies erklärt aus meiner Sicht die politische Situation in Nordafrika in den ehemaligen französischen Kolonien.

  24. #33 Uli Schoppe
    3. Januar 2024

    Fluffy
    2. Januar 2024

    Bei einem #Neumann21# weiß man nie, wieviel von seinen Erzählungen der Phantasie entsprungen sind.

    Was macht die Bekannte ? Sie kündigt ihren Arbeitsplatz, nachdem ihr eine 4 – Zimmerwohnung gebilligt wurde. Jetzt bekommt sie Bürgergeld und zusätzlich die Miete bezahlt.
    Nach ihrer Aussage hat sie jetzt monatlich etwa 200 Euro mehr zur Verfügung.

    Wahrscheinlich ist das dieselbe Tschechin, die die Statistikaufgabe “genial einfach aber nicht erlernbar” gelöst hat.

    Mir geht vor allem die Denke nicht in den Kopf das man einfach dafür sorgen muss das es allen schlechter wird damit es besser wird.
    Gesetzt den Fall das ganze stimmt: Warum sollte das (und das ausgerechnet für einen “guten Christen” an dieser Stelle) ein Grund sein dafür zu sorgen das es alle anderen mit erwischt bei denen die Lage eben nicht so ist? Das ist für mich total ohne Mitgefühl.

  25. #34 wereatheist
    3. Januar 2024

    Wer “Bürgergeld” (heißt nur so, ist im wesentlichen der alte Hartzer Käse) bekommt, und zusätzlich (legal) arbeitet, hat immer mehr Geld zur Verfügung als ohne Arbeiten.
    Wer das Gegenteil behauptet, lügt und arbeitet bei BILD oder sollte sich dort bewerben.

  26. #35 wereatheist
    3. Januar 2024

    @Staphylococcus rex:
    In welcher nordafrikanischer französischer Ex-Kolonie wurde Demokratie aufgezwungen?
    Marokko blieb Monarchie, und zwar eine eher absolute (das Parlament hat nicht so wirklich Macht).
    Algerien & Tunesien setzten auf Einparteien-Staat mit ‘sozialistischem’ Anspruch.
    Syrien (ist aber Westasien) war Monarchie, bis sich die Baath-Partei an die Macht putschte, an der sie festhält (in den Landesteilen, die sie noch kontrolliert).
    Libanon (ebenfalls Westasien) mag ja formell demokratisch sein, faktisch muss immer der Sekten-Proporz in allen Staatsposten gewahrt bleiben, so dass die Regierung nicht so gut funktioniert (aber Korruption funktioniert immer).
    Das einzige Land mit halbwegser Demokratie ist jetzt Tunesien, und nicht aufgezwungen, sondern erkämpft (im Arabischen Frühling, das einzige Erfolgsergebnis (bis heute)).
    Aber wenn das Fressen weiter ausbleibt, leidet auch dort die Moral.
    Ansonsten fand ich Deine Ausführungen ganz o.k.

  27. #36 wereatheist
    3. Januar 2024

    Ich möchte so gern zwei -r gegen -n tauschen oder einen edit-button (seufz).

  28. #37 Staphylococcus rex
    3. Januar 2024

    @wereatheist, bei den ehemaligen französischen Kolonien dachte ich eher an Mali, Niger und Tschad, nach ihrer Unabhängigkeit waren diese Staaten eine Republik, aktuell sind es Militärdiktaturen. Und wenn ich mich richtig erinnere, hatten die alten Regierungen wenig Rückhalt in der Bevölkerung.

    Tunesien ist ein ganz anderes Kapitel, die Demokratiebewegung hatte dort ihre eigenen Wurzeln, das Problem dort ist die Wirtschaft.

  29. #38 Alisier
    4. Januar 2024

    @ Staphylococcus rex
    Das was wereatheist moniert hat war nur das zuerst Offensichtliche.
    Wüsste ich nicht aus Erfahrung, dass Du es nicht so meinst hätte es gewaltig geknallt.
    Deine Sichtweisen sind, sagen wir es so, sehr eigen.
    Wie ich darauf reagieren soll weiß ich immer noch nicht.
    Wahrscheinlich ist der Mantel des Schweigens die richtige Wahl.

    • #39 Joseph Kuhn
      4. Januar 2024

      @ Alisier:

      “Wie ich darauf reagieren soll weiß ich immer noch nicht.”

      Ohne zu wissen, auf was du konkret Bezug nimmst: Wie wäre es mit einer sachlichen Anmerkung dazu, was er sagt? Es gibt ja nicht nur die Alternative, dass es “knallt” oder man “schweigt”, zumal du auch nicht schweigst, sondern eine Anmerkung zum Kommentarstil bzw. zur Person von Staphylococcus rex machst.

      Unabhängig von eurem Disput, worin er auch bestehen mag, ist es für mich immer wieder beeindruckend, wie schnell sich Diskussionen hier am Kraftfeld des Rechthabens ausrichten. Das liegt vermutlich (auch) an den Themen, die ich anbiete, und dass ich sie zudem meist “populär” aufbereite, was eine populistische, Rede und Gegenrede stimulierende, Rezeption begünstigt. Würde ich z.B. statt dessen über den Forschungsstand zu onkolytischen Viren oder Skaleneffekten bei empirischen Studien schreiben, und das möglichst akademisch, wäre es vielleicht anders und in der Bloggeschichte hätte sich auch ein anderes Kommentatorenfeld selektiert, ohne die bekannten Trolle wie hto & co.? Aber es wären halt auch nicht meine Themen.

      Ob mehr über Sachen statt über Personen zu reden, trotzdem auch hier eine Chance hat? Interessanterweise hatte es bei Bettina Wurche geklappt, sie schrieb gut verständlich über populäre Themen, oft auch Medienmeldungen aufgreifend, aber die Diskussionen dazu verliefen trotzdem meist sehr sachlich.

      Da meist eine kleine Zahl an Stammgästen kommentiert, könnte jeder Einzelne, der sich an der Sache statt an Personen orientiert, auch wenn er sie durch jahrelange Präsenz am Blog-Stammtisch gut zu kennen meint, einen Beitrag zu einer sachlichen Blogkultur leisten.

      Lange Rede, kurzer Sinn: Zwischen “es knallt” und “Schweigen” existieren ganze Welten an interessanten Möglichkeiten, etwas anzumerken. Was sich als an deiner Person oder an der Sache orientiert lesen lässt 😉

  30. #40 Staphylococcus rex
    4. Januar 2024

    @ Alisier, das Meiste, was ich sagen wollte, hat Joseph Kuhn schon vorweg genommen. Um lesbare Kommentare zu schreiben, muss ich kürzen, mehr als 2-3 Gedankensplitter oder eine unvollständige Kausalkette sind da in einem Beitrag nicht drin, Unklarheiten und gelegentliche Mißverständnisse sind da unvermeidlich. Eine Diskussion ist deshalb nicht mit einem Beitrag beendet, sondern sie muss wachsen, am Besten indem jeder möglichst sachlich und detailliert den eigenen Standpunkt beschreibt.

    Und ja, es gibt echte westliche Werte wie Demokratie, Aufklärung, Trennung von Staat und Religion, es sind Werte, um die es sich auch zu kämpfen lohnt. Aber gerade mit diesen Werten wird auch Etikettenschwindel betrieben und erst wenn das Thema Etikettenschwindel und Heuchelei in Bezug auf unsere westlichen Werte abgearbeitet ist, dann kann man sich diesen Werten zuwenden.

    Die Länder Mali, Niger und Tschad sind aus meiner Sicht wichtige Beispiele, um diesen Etikettenschwindel aufzuzeigen und aufzuarbeiten, aber dies würde diesen Beitrag sprengen, deshalb dazu später mehr.

  31. #41 RGS
    4. Januar 2024

    @Staphylococcus rex
    Ich hätte da auch viele Einwände und Fragen.
    Ich habe heute mal wieder beim Soziologen Prof. Wolfgang Streeck auf die Seite geschaut und dort ein Interview mit ihm zu seinem neuen Buch gesehen.
    Er schlägt den Bogen noch etwas größer.
    https://wolfgangstreeck.com/2023/04/25/demos-und-globus-im-neoliberalismus/

  32. #42 Alisier
    4. Januar 2024

    @ Joseph Kuhn
    Die Welten brauchen Zeit, und wahrscheinlich hätte ich besser nichts sagen sollen.

  33. #43 Alisier
    4. Januar 2024

    @ Staphylococcus rex
    Um Missverständnissen vorzubeugen:
    Ich schätze es, wenn Du Dich aus diese Weise vorwagst, bin aber zum guten Aufdröseln gerade nicht in der Lage.

  34. #44 Staphylococcus rex
    5. Januar 2024

    Im Zusammenhang mit den “westlichen Werten” steht für mich auch die Aufarbeitung der gescheiterten Bundeswehr-Auslandseinsätze in Mali und Afghanistan. Insbesondere stellt sich für mich die Frage, haben wir wirklich die “Guten” unterstützt und warum gab es keinen ausreichenden Rückhalt der einheimischen Bevölkerung, um diese Einsätze zu einem guten Ende zu bringen?

    Staaten wie Mali, Niger, Tschad und Afghanisten stehen sehr weit oben auf der Liste des fragile state index (früher failed state index):
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fragile_States_Index
    Rein formell waren Staaten wie Mali, Niger und Tschad als ehemalige französische Kolonien präsidiale Republiken mit freien Wahlen, in der Realität sind es Militärdiktaturen, was also ist schiefgelaufen?

    Bei der Frage, was zeichnet eine Demokratie aus, werden die meisten sicher sagen, das sind freie Wahlen. Aus meiner Sicht sind freie Wahlen eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Mindestens genauso wichtig sind der Kampf gegen Korruption, der Schutz von Minderheitenrechten und eine Zivilgesellschaft die bereit ist, für diese Demokratie zu kämpfen. In den o.g. ehemaligen französischen Kolonien waren nach meiner Einschätzung korrupte Regierungen vorher an der Macht, die für europäische Konzerne mit neokolonialen Ambitionen sehr “pflegeleicht” waren, aber genau aus diesem Grund wenig Ansehen bei der einheimischen Bevölkerung genossen. Auch wenn eine derartige Regierung “demokratisch” gewählt war, war der Staat noch lange keine Demokratie. Dies nur als kleiner Hinweis zum Thema Etikettenschwindel bei der Wahl der Bündnispartner. Russland und China sind da ehrlicher, sie wollen “nur” Rohstoffe und Einfluß ohne moralische Vorgaben.

    Aus meiner Sicht der wichtigste Faktor für eine Demokratie ist eine lebendige Zivilgesellschaft. In Polen war die Demokratie durch die nationalkonservative PIS und deren Versuch der Gleichschaltung der Gesellschaft bedroht. Die Zivilgesellschaft hat in Polen die Demokratie (vorerst) gerettet. Auch in Israel ist die Demokratie bedroht, einerseits gibt es Defizite bei den Minderheitenrechten für arabische israelische Staatsbürger, zusätzlich gibt es auch hier den Versuch einer Gleichschaltung durch den nationalkonservativen Likud-Block sowie durch die religiöse Rechte. Auch hier gibt es eine aktive Zivilgesellschaft, allerdings ist hier der Ausgang noch offen.

    PS: Ich habe hier meine persönliche Sicht der “westlichen Werte” dargelegt. Es gibt auch andere Sichtweisen auf “westliche Werte” und ich bin mir absolut sicher, dass die Ansichten von Herrn Maaßen (und der “Werteunion”) und meine Ansichten in weiten Teilen inkompatibel sind.
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/maassen-werteunion-parteigruendung-100.html

  35. #45 aristius fuscus
    5. Januar 2024

    @S. rex #44:
    Ich bin mir nicht sicher, ob eine Aufarbeitung der diversen Auslandseinsätze wirklich so nötig ist. Alle die aufgezählten Auslandseinsätze hatten letztendlich zumindest das Teilziel, westliche Werte und Demokratie zu verbreiten, und das ist m.E. schon im Ansatz verkehrt (nicht die Werte, aber das Missionieren). Hierzu ein Zitat eines bedeutenden, wenn auch übel beleumundeten französischen Staatsmannes:
    “Die unsinnigste Idee, auf die ein Politiker verfallen kann, ist wohl die Vorstellung, dass es genüge, bei einem fremden Volk mit Waffengewalt einzufallen, um es zur Übernahme seiner Verfassung und seiner Gesetze zu bewegen. Niemand liebt die gestiefelten Missionare; der erste Rat, den Vernunft wie Erfahrung erteilen werden, ist, die Eindringlinge als Feinde zurückzuschlagen.” (M. Robespierre in einer Erwiderung an Brissot im Jakobinerklub).
    Das gehört sicherlich zum Klügsten, was je ein Politiker gesagt hat und sollte eigentlich jedem staatlichen Verantwortungsträger in Grossdruck an die Wand seines Arbeitszimmers gehängt werden. Es gibt kaum Fälle, in denen diese Art der Missionierung Erfolg hatte, und vielleicht sollte man damit einfach aufhören.

  36. #46 RGS
    5. Januar 2024

    Die politischen Umstürze in den Ländern der Sahelzone lassen sich alle auf die Folgen des Klimawandels zurückführen. Es sind letztlich Aufstände und Umstürze die als Ursache wirtschaftliche Not haben.
    Man muss nur den Namen eines der Länder und Klimawandel in eine Suchmaschine eintippen und stößt auf endlose Berichte, die darauf hinweisen.
    Wirtschaftliche Not führt zu politischen Umstürzen. Das war schon bei der französischen Revolution so und gilt heute immer noch.

  37. #47 Staphylococcus rex
    7. Januar 2024

    @RGS, der Einfluss des Klimas auf politische Umstürze ist unbestritten, so wie er hier dargestellt wird, ist dies aber nur die halbe Wahrheit. Klimawandel ist Streß für eine Gesellschaft, und dieser Streß kann unterschiedliche Konsequenzen haben. Dieser Streß kann dazu führen, dass ein Land von äußeren Eindringlingen erobert wird oder dass die Bevölkerung auf Wanderschaft gehen muss, um eine lebensfreundlichere Umgebung zu suchen. Beides ist in der Geschichte oft genug geschehen. Weder Krieg noch Massenflucht sind aus meiner Sicht passende Begriffe für Mali, Niger und Tschad.

    Klimaveränderungen verschärfen aber auch bestehende soziale Widersprüche in einer bestehenden Gesellschaft und die Besonderheit einer Demokratie besteht darin, dass sie eine höhere Resilenz in einer derartigen Situation aufweist. Der Dominoeffekt des Kippens von mehreren afrikanischen Ländern in Richtung Militärdiktatur beweist einzig und allein, dass eine Republik mit Wahlen noch lange keine Demokratie ausmacht, egal was uns Sonntagsredner da verkaufen wollen. Wenn eine Militärdiktatur so schnell an die Macht kommt und von der Mehrheit der einheimischen Bevölkerung als Verbesserung wahrgenommen wird (genau diesen Schluss muss man aus den Fernsehreportagen über diese Region ziehen), dann dann war das vorherige Regime hochgradig diskreditiert und korrupt.

    Bei gesellschaftlichen Umwälzungen ist das Klima nicht die Ursache (das sind die inneren Widersprüche) sondern das Klima ist der Katalysator, der die Widersprüche verschärft und die Umwälzungen beschleunigt.

  38. #48 Joseph Kuhn
    20. Januar 2024

    “Unter Opfern”

    In der Süddeutschen ist heute ein längerer Essay von Eva Illouz über identitätspolitische Strömungen im linken politische Spektrum (online leider hinter der Paywall).

    Sie kritisiert, dass Autor:inenn wie Judith Butler die universalistischen Werte der Aufklärung als bloßes Machtinstrument des Westens gegen die muslimische Welt zu dekonstruieren versuchen, dass im Kampf um die beklagenswertesten Opfer das gemeinsame Engagement gegen Leid und Unrecht in der Welt verlorengeht und in der Opferkonkurrenz oft nur eine Gemeinsamkeit bleibe: gegen Israel und gegen Juden.

    Eine lesenswerte Positionierung, mit vielen richtigen Beobachtungen und Analysen. Schade ist, dass Eva Illouz selbst identitätspolitischen Anwandlungen anheimfällt, indem sie pauschalierend den Eindruck erweckt, Butler & Co. stünden für alles Linke. Das ebnet die Pluralität des linken Spektrums, verstanden als Engagement gegen Ausgrenzung und strukturelle Ungleichheit, einfach ein und wirkt selbst ausgrenzend. Nicht nur, dass es erklärte Linke wie Susan Neiman gibt, die sich dezidiert universalistisch äußern, es wird auch dem gewerkschaftlichen oder dem kirchlichen Engagement (z.B. von Vertretern der Katholischen Soziallehre oder des evangelischen Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt) für mehr Gerechtigkeit im alltäglichen Leben nicht gerecht, so wenig wie weiten Teilen der Klimaschutzbewegung.

    Der akademische Elfenbeinturm bietet offensichtlich nicht immer den besten Überblick.