Ähnlich sieht das auch der Brite Gordon Rugg. Dieser hat ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem man einen (unsinnigen) Text generiert, indem man mit einer Schablone Silben aus einer Tabelle zusammensetzt. Das Ergebnis ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Inhalt des Voynich-Manuskripts. Rugg war als Referent zur „Voynich 100“ geladen, musste jedoch aus gesundheitlichen Gründen absagen. Die Forschung in diesem Bereich ist noch längst nicht abgeschlossen – weitere Untersuchungen sind notwendig, bestehende müssen reproduziert werden. Nicht zuletzt müssen die statistischen Eigenschaften des Voynich-Texts mit den Eigenschaften anderer Texte verglichen werden – einschließlich Vergleichen mit Unsinnstexten. Es gibt also noch einiges zu tun.
Wolfgang Lechner präsentierte in seinem Vortrag einige neue Erklärungen von Inhalten des Voynich-Manuskript. So gibt es darin eine aufklappbare Seite, auf der neun kreisförmige Objekte mit vielfältigen Ausschmückungen abgebildet sind. Da auch viele Sterne zu sehen sind, wurde die Abbildung bisher meist als „astronomisch“ bezeichnet. Lechner zeigte jedoch eine andere Erklärung: Die Kreisförmigen Objekte sind möglicherweise Darstellungen eines arabisches Bads (Hamam). Die von Lechner gezeigten Vergleichsbilder lassen entsprechende Ähnlichkeiten erkennen. Außerdem sind im Voynich-Manuskript mehrere Badeszenen zu sehen, bei denen teilweise sogar die gleichen Muster im Hintergrund auftauchen. Auch die vom unbekannten Künstler gewählte Methode der perspektivischen Darstellung unterstützt diese Argumentation – immerhin wurde die moderne Form der Zentralperspektive erst 1410 vom italienischen Baumeister Brunelleschi, dem Architekten des Dom zu Florenz, erstmals veröffentlicht und war zur Entstehungszeit des Voynich-Manuskripts sicherlich nicht allgemein bekannt.
Abbildung 4: Diese aufklappbare Abbildung im Voynich-Manuskript könnte ein arabisches Bad (Hamam) zeigen. Das besagt eine noch recht neue Hypothese von Wolfgang Lechner. Quelle: Beinecke Library
Eine weitere Spur, die Lechner vorstellte: Eines der im Manuskript abgebildeten „Apopthekergefäße“ (so werden sie in der Literatur bezeichnet) ist mit einem Wort unterschrieben, das sich als „Samovar“ lesen lässt. Tatsächlich gibt es Gefäße, die auch bereits zur Entstehungszeit des Manuskripts so genannt wurden. Darüber hinaus vertritt auch Lechner die Hypothese, dass die Pflanzenbilder im Voynich-Manuskript nicht notwendigerweise Fantasieprodukte sind. Nicht nur wegen des Hamam kann sich Lechner einen arabischen Hintergrund zumindest von Teilen des Voynich-Manuskripts vorstellen. Sein Vorschlag: „Suchen wir nach Dokumenten, von denen sich der Verfasser hat inspirieren lassen. Vielleicht können wir dann einige Pflanzen und Bauwerke identifizieren, was einen Ansatzpunkt für die Entzifferung liefern könnte.”
Einige interessante Ideen stellte auch der US-Voynich-Experte Richard SantaColoma vor. Er zeigte, dass einige der „Apothekergefäße“ eine Ähnlichkeit mit frühen optischen Geräten haben. Handelt es sich dabei vielleicht um Mikroskope? Einige andere Abbildungen im Manuskript zeigen seiner Meinung nach Ähnlichkeiten mit Darstellungen in der bereits damals existierenden Fantasy-Literatur. Dies ist ein weiterer Forschungsstrang, in dem es noch einiges zu tun gibt.
Abbildung 5: Die Objekte links werden in der Literatur meist als „Apothekergefäße“ bezeichnet. Es könnte sich jedoch auch um Samovare (ein zur Zubereitung von Tee verwendetes Gefäß) handeln. Oder um frühe Mikroskope. Oder um etwas anderes. Quelle: Beinecke Library
Wenigstens ein paar Zeilen sind entziffert
Immerhin einen kleinen Entschlüsselungserfolg konnte der deutsche Kunsthistoriker Johannes Albus vorstellen. Seine Arbeit bezog sich auf die letzte Seite des Manuskripts, auf der ein paar Notizen aufgebracht sind – allerdings nicht etwa in der unlesbaren Voynich-Schrift, sondern im normalen lateinischen Alphabet. Albus konnte sie entziffern. Heraus kam eine auf Latein verfasste Zubereitungsanweisung, in die Wörter wie „Bocksleber“, „Brei“ und „Geißmilch“ eingestreut sind. Offenbar hat also jemand ein medizinisches Rezept auf die letzte Seite des Manuskripts geschrieben. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Zeilen vom Autor stammen oder von einem späteren Besitzer. Die Tatsache, dass zwei Wörter darin in der Voynich Schrift geschrieben wurden (die leider noch nicht übersetzt werden konnten), könnte ein Indiz dafür sein, dass der Text vom Autor stammt. Ob es einen näheren Zusammenhang mit dem unlesbaren Teil des Voynich-Manuskripts gibt, ist nicht sicher. Es wird jedoch schon länger vemutet, dass das letzte Kapitel des Manuskripts ebenfalls Rezepturen beinhaltet.
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