Es gibt spannende Neuigkeiten zur Kasseler Zauberhandschrift, einem verschlüsselten Buch aus dem 18. Jahrhundert. Die Spur führt zu einer Geheimgesellschaft.
Im Juli 2013 berichtete ich in Klausis Krypto Kolumne über die Kasseler Zauberhandschrift, ein verschlüsseltes Buch aus dem 18. Jahrhundert (hier gibt es alle Seiten als Scans). In mehrmonatiger Arbeit hatten es die Handschriften-Expertinnen Brigitte Pfeil und Sabina Lüdemann geschafft, die Verschlüsselung zu knacken. Als die Presse davon berichtete, schrieb ich die beiden Forscherinnen an. In der Antwort hieß es: „Hätten wir das früher gewusst, dass es so eine Kolumne gibt … “.
Seit Juli waren die beiden Forscherinnen nicht untätig. Sie nahmen sich die vollständige Klartext-Übertragung des 90-seitigen Buchs vor und meisterten diese Aufgabe innerhalb von nur einer Woche. Das kann man nun in einem Artikel in der Welt nachlesen (danke an den Leser „nomadenseele“ für den Tipp).
In der Zauberhandschrift sind anscheinend vor allem Zaubersprüche und Geisterbeschwörungen zu finden. Es kommen viele Geister darin vor, die man mit der jeweils passenden Beschwörungsformel zu Hilfe rufen kann. Die Geister helfen bei materiellen Dingen genauso wie bei Liebesangelegenheiten oder bei der Heilung von Krankheiten. Für einige der Zaubersprüche muss man Steinkreise aufbauen und das Symbol des Geistes in die Luft halten. Andere Formeln wirken nur, wenn man sie zu einer bestimmten Uhrzeit aufsagt. Neben Geistern kommen auch Engel sowie Jesus Christus in der Zauberhandschrift vor.
Laut dem Welt-Artikel hatte man in der Kasseler Bibliothek die Zauberhandschrift nach deren Erwerb zunächst nicht allzu sehr beachtet. Anhand des Papiers und eines Wasserzeichens ließ sich ermitteln, dass die Handschrift vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts entstanden ist – aus dieser Zeit gibt es inflationär viele Manuskripte. Als es schließlich darum ging, die Handschrift zu digitalisieren, setzten sich die beiden Expertinnen erstmals mit der Verschlüsselung auseinander. Pfeil und Lüdemann kam dabei entgegen, dass sich das zu Grunde liegende Verschlüsselungsverfahren als ziemlich schwach erwies. Es handelte sich um eine einfache Buchstabenersetzung, die sich mit einer Häufigkeitsanalyse lösen ließ.
Ein Grund für die Übertragungsarbeit war, dass Pfeil und Lüdemann nach Informationen über den Urheber suchten. Auf diesen finden sich oft am Ende des Buchtexts Hinweise. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch in diesem Fall nicht. Die beiden Expertinnen können daher nur mutmaßen. Sie halten es für wahrscheinlich, dass hinter der Zauberhandschrift eine Geheimgesellschaft wie die Freimauer oder die Rosenkreuzer steckt. Solche Geheimgesellschaften waren Ende des 18. Jahrhunderts groß in Mode. Vor allem Menschen aus gehobenen Gesellschaftsschichten fanden es spannend, sich im Geheimen zu organisieren, Rituale zu praktizieren und dabei eine Verbesserung der Welt anzustreben.
Verschlüsselte Bücher von Geheimgesellschaften sind nichts Ungewöhnliches. Mir sind solche Bücher von den Freimaurern, den Oddfellows, den Occulisten und der “Association of Maiden Unity and Attachment” bekannt. In meinem Vortrag über verschlüsselte Bücher beim NSA Crypto History Symposium spielten diese teilweise eine Rolle.
Welche Geheimgesellschaft die Kasseler Zauberhandschrift geschaffen haben könnte, ist auch nach der Entschlüsselung unklar. Es gibt offenbar keinen direkten Hinweis darauf im Text. Da die Rosenkreuzer im Raum Kassel recht aktiv waren, sind diese ein plausibler Kandidat. Dies ist aber bisher noch Spekulation. Neben der Autorenschaft bleiben auch die genaue Herkunft und die Entstehungszeit der Handschrift ein Geheimnis. Nachdem die kryptologische Seite des Rätsels gelöst ist, sind also nun die Historiker an der Reihe.
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