Vorgestern habe ich das Langie-Kryptogramm vorgestellt. Heute kann ich die Lösung vorstellen – dank der Unterstützung einiger Leser.
Auf die Leser meines Blogs war wieder einmal Verlass. Vorgestern habe ich in Klausis Krypto Kolumne das Langie-Kryptogramm vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen verschlüsselten Text den vermeintlich der Schweizer Kryptologe André Langie veröffentlicht hat, und zwar vermeintlich im Jahr 1918. Eine Lösung war vermeintlich nicht bekannt. Auch über Langie selbst war vermeintlich nur wenig zu erfahren.
Schon 24 Stunden später war ich – dank einiger Hinweise von Lesern – deutlich schlauer:
- Über André Langie ist etwas mehr bekannt als ich dachte. Die Leser Peter und Armin schrieben jeweils einen interessanten Link ins Kommentarfeld des vorgestrigen Artikels (siehe dort). Das Buch Cryptographie von Langie (1918 auf Französisch, 1922 in englischer Übersetzung erschienen) ist übrigens online verfügbar, wie mir der Leser Werner mitteilte.
- Das Langie-Kryptogramm stammt gar nicht von Langie. Vielmehr wurde es von J.C.H. Macbeth erstellt, der Langies Buch ins Englische übersetzt hat. Das Langie-Kryptogramm findet sich dementsprechend auch nur in der englischen Ausgabe des Buchs.
- Das Langie-Kryptogramm stammt nicht aus dem Jahr 1918, wie von mir angegeben, sondern aus dem Jahr 1922 – in diesem Jahr erschien die englische Übersetzung des Buchs.
- Und schließlich wies mich der Leser Werner darauf hin, dass die Lösung bereits bekannt ist.
Auf die Literaturquelle, in der die Lösung des Kryptogramms beschrieben wird und auf die mich Werner hingewiesen hat, hätte ich zugegebenermaßen auch selbst kommen können. Es handelt sich um die Fachzeitschrift Cryptologia. Immerhin bin ich Mitglied des Editorial Boards dieses Magazins. Die Ausgabe 2/1979 der Cryptologia hatte ich allerdings nicht im Kopf, als ich vorgestern den Artikel über das Langie-Kryptogramm schrieb. In dieser Ausgabe ist die Lösung des Rätsels angegeben. Sie stammt allerdings nicht von einem findigen Codeknacker, sondern geht auf Unterlagen zurück, die Macbeth selbst hinterlassen hat.
Wie also lautet des Rätsels Lösung? Fangen wir mit dem Klartext an. Hier ist er (er ist deutlich kürzer als der Geheimtext):
Blank. If you wish to propound a good cryptogram, you should avoid as much as you possibly can duplication of words or portions of words. Stop. This is a thoroughly sound maxim, and adoption of this plan.will wondrously add to difficulty of solution, without in any way impairing accuracy or sacrificing clarity. Stop. If you cannot avoid duplication always try to vary translation and find substitutions as shown in this illustration.
Macbeth hat diesen Text in zwei Schritten verschlüsselt. Der erste Schritt ist eine Playfair-Verschlüsselung (Details dazu gibt es hier). Macbeth nutzte folgende Erstzungstabelle dafür (I und J werden nicht unterschieden):
I M A C B D F G K L N O P Q R S U V W X E T H Y Z
Die ersten Buchstaben das Klartexts verschlüsseln sich demnach wie folgt:
Klartext: BL AN KI FY OU WI SH ... Geheimtext: LR IP DC KT UT SC VE ...
Im zweiten Schritt ersetzte Macbeth jeden Buchstaben mit Hilfe des Morsealphabets, wobei für Punkte, Striche und Zwischenräume jeweils einen Buchstaben verwendete:
Punkt: B, C, D, F, G, H, J, K, L, M
Strich: N, P, Q, R, S, T, V, X, Z
Zwischenraum: A, E, I, O, U, Y
Der Buchstabe F (..-.) lässt sich also beispielsweise als HKRN oder als CCND kodieren. DQ, JV, NA und MZ sind Beispiele für den Buchstaben A (.-). Der Geheimtext lautet: BNHGYKZJ ELKOCWVD ARBGEXDZ …
Und wie ist dieses Verfahren von Macbeth einzuschätzen? Ohne zu wissen, wie es funktioniert, ist es sicherlich schwierig, das Langie-Kryptogramm zu lösen. Allerdings gilt in der Kryptologie nun einmal das Prinzip “The Enemy Knows The System”. Und wenn man weiß, wie das Verfahren funktioniert, ist der zweite Schritt ziemlich trivial zu lösen. Der erste Schritt ist ebenfalls lösbar, da man eine Playfair-Chiffre (ihre Sicherheit liegt in der Tabelle, die schlüsselabhängig ist) durchaus knacken kann. Da das Verfahren außerdem Geheimtexte produziert, die dreimal so lang wie der Klartext sind, ist es zudem recht umständlich. Es ist also sicherlich nicht schade, dass das Macbeth-Verfahren keine größere Verbreitung erlangt hat.
Kommentare (3)