Und wieder gab es bei “Wetten, dass ..?” zwei Wetten, bei denen ein Steganografiebetrug möglich war. Allerdings wurden mehrere Gegenmaßnahmen getroffen. Hat man beim ZDF etwa meinen Blogartikel gelesen?

Ein Paar gibt sich einen Zungenkuss, und der Mann muss anschließend erraten, welche Zahnpasta die Frau zuvor verwendet hat. Diese Wette gab es vor fünf Wochen in “Wetten, dass ..?”. In Klausis Krypto Kolumne habe ich daraufhin kritisiert, dass es hierbei ziemlich einfach war zu betrügen – und zwar mit einem steganografischen “Zungen-Code”. In der gleichen Sendung gab es sogar noch eine weitere Wette, bei der ein Steganografie-Betrug möglich war (es ging um ein Akkordeon ohne Ton).

Vorgestern gab es eine neue Ausgabe von “Wetten, dass ..?”. Und wieder waren zwei Wetten so gestrickt, dass die Kandidaten ihrem Glück mit Steganografie nachhelfen konnten. Interessanterweise hatte das ZDF jedoch dieses Mal ein paar subtile Gegenmaßnahmen getroffen. War das Zufall? Oder hat man beim ZDF meinen Blogartikel gelesen? Schauen wir uns die Sache etwas näher an.

 

Tafel-Wette

Die Kandidaten: Die Klasse 7a aus dem Christian-Ernst Gymnasium in Erlangen trat mit ihrer Lateinlehrerin an.

Die Wette: Die Lehrerin schreibt verdeckt lateinische Wörter an die Tafel. Die Klasse versucht, diese an Hand der Schreibgeräusche zu erraten.

Der Verlauf: Fast mühelos erkennt die Klasse alle fünf Wörter. Es gibt nur einen kleinen Fehler: Statt IUDICARE hören die Schüler INDICARE. Trotzdem ist die Wette gewonnen.

So hätte der Betrug aussehen können: Es gab mehrere Möglichkeiten, Steganografie anzuwenden:

  • Theoretisch hätte die Lehrerin einen optischen Code verwenden können (z. B. über die Handhaltung, Kratzen am Kopf oder ähnliche Bewegungen). Dies wurde jedoch verhindert (siehe unten).
  • Eine Person im Saalpublikum konnte den Kindern ein optisches Signal geben. Bei einer ganzen Schulklasse ist kaum zu verhindern, dass der eine oder andere ins Publikum schaut.
  • Die Lehrerin konnte akustische Signale geben, z. B. Räuspern oder Setzen einer Pause. Ich habe jedoch nichts derartiges bemerkt.
  • Die Lehrerin konnte die Buchstaben in einer Weise schreiben, die besonders “hörfreundlich” war. Ich fand zum Beispiel den Haken am U recht ungewöhnlich – dieser machte das Erraten sicherlich leichter. Allerdings würde ich das noch nicht als Betrug bezeichnen.

Diese Gegenmaßnahmen traf das ZDF: Interessanterweise hat das ZDF einige Gegenmaßnahmen getroffen:

  • Die Lehrerin stand aus Sicht der Schüler hinter der Tafel. Unter der Tafel gab es eine Sichtblende. Dadurch konnte die Lehrerin keinen optischen Code (auch nicht mit den Beinen) anwenden.
  • Das Publikum in der Halle sah das jeweils geschriebene Wort nicht. Ein Zuschauer konnte also nicht ohne Weiteres ein Zeichen geben (allerdings war das jeweilige Wort für das Fendehpublikum zu sehen – über ein Handy konnte ein Komplize also einen Zeichengeber in der Halle informieren).

Wurde Wirklich betrogen? Vermutlich saß kein Komplize im Publikum, und vermutlich gab es keine akustischen Signale außer dem Schreibgeräusch. Es ist aber anzunehmen, dass die Lehrerin die einzelnen Buchstaben besonders deutlich und vielleicht sogar teilweise leicht abgewandelt schrieb, um das Erkennen zu erleichtern. Als Betrug würde ich das aber nicht bezeichnen.

 

Die ABBA-Knäckebrot-Wette

Die Kandidaten: Eine ABBA-Anhängerin tritt mit ihrem Ehemann an.

Die Wette:  Der Ehemann kaut Knäckebrot im Rhythmus eines ABBA-Lieds. Die Frau erkennt das jeweilige Lied an Hand des Kaugeräuschs.

Der Verlauf: Die Frau erkennt vier Lieder, wenn auch nicht immer sofort. Damit ist die Wette gewonnen.

So hätte der Betrug aussehen können: Bei einem Lied sagte der Mann nach missglücktem Start “sorry”. Mit solchen und ähnlichen “Hinweisen” war es sicherlich möglich, Zusatzinformationen zu übermitteln. Einen vollständigen Gehimcode beim Kauen hätte man aber wohl herausgehört.

Diese Gegenmaßnahmen traf das ZDF: Auch hier gab es interessanterweise Gegenmaßnahmen:

  • Die Frau hatte verbundene Augen, wodurch ein optischer Code ausgeschlossen war. Dabei hätte man die Wette durchaus auch ohne Augenbinde durchführen können.
  • Anders als bei solchen Wetten üblich, wurde der jeweilige Song-Titel den Fernsehzuschauern (und dem Publikum im Saal) nicht angezeigt. Dadurch konnte niemand im Publikum eine Hilfeleistung durch ein Geräusch (z. B. Husten) geben, sellbst wenn er per Handy mit einem Komplizen vor dem Fernseher in Verbindung stand. MEINES WISSENS IST DAS EINE ECHTE NEUERUNG BEI “WETTEN, DASS ..?”.

Wurde Wirklich betrogen? Das war vermutlich nicht notwendig. Ein echter Fan erkennt ein paar Dutzend Lieder seines Lieblingsinterpreten am Melodie-Rhythmus. Ex-ABBA-Mitglied Björn Ulvaeus, der als Gast daneben stand, erkannte die Lieder offensichtlich. Wenn überhaupt, dann hatte ein Code nur unterstützende Wirkung. So könnte der Ausruf “sorry” etwa “pass auf, jetzt kommt ein besonders schwieriges Lied” bedeutet haben.

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Kommentare (17)

  1. #1 Paddy
    17. Dezember 2013

    Dass man auch immer gleich an Betrug denken muss… 😉

    Ich schaue Wetten, dass… schon lange nicht mehr, weil ich keine Talksendungen mag, die nur Belangloses enthalten.

    Den Schreibvorgang an einer Wandtafel könnte man aber durchaus TV-tauglich zeigen, indem die Kamera im 90°-Winkel zum Schreibenden filmt. Man sähe dann die Tafel und die Hand mit Kreide/Schreiber, die sich darauf bewegt, könnte aber durch den Winkel bedingt nicht lesen, was geschrieben steht. Man könnte also leicht vereinfacht mitraten.

  2. #2 Havok
    17. Dezember 2013

    “Die ABBA-Käckebrot-Wette”

    Da hat sich wohl ein etwas unappetitlicher Schreibfehler eingeschlichen. 😉

    btw.: Die Sendung läuft seit mehreren Jahrzehnten und sah sich schon desöfteren mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Ob Ihre Blogeinträge also der ausschlaggebende Punkt waren, dass dieses mal etwas besser gegen Steganografie vorgesorgt wurde, darf daher bezweifelt werden. Trotzdem: interessanter Artikel.

    • #3 Klaus Schmeh
      17. Dezember 2013

      Danke für den Hinweis, habe den Fehler korrigiert.

  3. #4 Rich SantaColoma
    https://proto57.wordpress.com/
    17. Dezember 2013

    Your article has made me wonder about some old American shows. I don’t know if you had the “Newlywed Game” in Europe, but it involved new married couples answering questions about each other, when their spouse is off screen. But the question is asked again, when both are looking right at each other.

    If we looked at these old shows, today, I wonder if we would find any cases of codes being used? Perhaps they were being watched closely for such cheating, but maybe something slipped by.

  4. #5 rolak
    17. Dezember 2013

    don’t know if you had

    Hi Rich, at least I remember (quite foggy) a show in which couples had to predict the results of their partner answering some questions later on. But I don’t know whether they had to be newlywed or not or married at all.
    And in that specific case the actually non-active one was isolated in sorta sound&sight-proof cage.

  5. #6 Crazee
    17. Dezember 2013

    Ich habe mmich neulich bei “The Taste” gewundert, dass zumindest in der letzten Folge die Coaches zielsicher ihren Schützlingen den goldenen Stern verabreicht haben. Am Anfang war das noch nicht so. Da Coaches und Teilnehmer kurz vor dem Kochen noch beisammen sind, könnte man sich ja im Vorwege schon auf eine spezielle zu verwendende Zutat geeinigt haben, die den Koch identifiziert.

    • #7 Klaus Schmeh
      18. Dezember 2013

      “The Taste” kannte ich noch nicht. Aber ein steganografischer Code im Essen wäre sicherlich möglich. Sollte dieser nur auf dem Geschmack basieren, dann wäre es sogar etwas ziemlich Außergewöhnliches.

  6. #8 MisterKnister
    17. Dezember 2013

    nein hat es nicht.

    • #9 Klaus Schmeh
      18. Dezember 2013

      Woher wissen Sie das?

  7. #10 Henning
    Hannover
    18. Dezember 2013

    Und wer hat die Begriffe und den Wortschatz zur Lateinwette ausgewählt?

    • #11 Klaus Schmeh
      18. Dezember 2013

      Die Wettkandidaten (Lehrerin + Klasse) haben 600 Wörter vorgegeben. Die fünf zu erratenden wurden per Zufall ausgewählt. Wenn sowohl INDICARE als auch IUDICARE unter den vorgegebenen Wörtern waren, war das sicherlich etwas unklug. Aber man muss eine solche Wette ja nicht ganz so perfektionistisch angehen.

  8. #12 Sim
    18. Dezember 2013

    Als ich die Tafel-Wette sah, musste ich auch gleich an diesen Blog hier denken. Obwohl ich nicht recht den Witz hinter einer anderen Form der Steganografie verstehe da die Geräusche durch Anschreiben und die Kaugeräusche doch eh eine Form der Steganografie darstellen mit denen man noch relativ verlässlich Informationen übertragen kann. Ich glaube es gab mal eine Wette, da behauptete einer CDs am Geschmack zu erkennen. Da war wohl eher Beschiss im Spiel.

  9. #13 Gabriele Kuen
    18. Dezember 2013

    Ich finde diese Seite sehr interessant, v.a. weil hier auch über unsere Wette diskutiert wird. Vielleicht kann ich etwas zur “Aufklärung” beitragen. Die “Auswahl” der Wörter ist keine wirkliche “Aus”wahl, sondern einfach der Wortschatz, den die Schüler bisher gelernt haben (Cursus B bis Kap. 25). Die Wette sollte nicht “perfektionistisch” sein, sondern diente tatsächlich dazu, dass die Schüler lernen, die lat. Wörter, die z.T. sehr ähnlich klingen, auseinander zu halten. Die Schüler können manche Buchstaben beim Hören schlichtweg nicht unterscheiden, z.B. T und X, F und H, P und D. Erst im Kontext mit anderen Buchstaben können sie die Unterscheidung treffen. Der Lerneffekt ist, dass sie den lat. Wortschatz sicher beherrschen müssen, um zu entscheiden, ob es der eine oder der andere Buchstabe ist. Leider versagt diese “Plausibilitätsprüfung” dann, wenn es – wie im Fall IUDICARE und INDICARE – beide Vokabeln gibt. Die Wette war also in gewisserweise ein “Nebenprodukt” einer Unterrichtsmethode, die das Vokabellernen erleichtern und interessanter machen sollte.

    • #14 Klaus Schmeh
      19. Dezember 2013

      Danke für den Beitrag. Es freut mich, dass mein Blog auch von Wettkandidaten gelesen wird.

      >Unterrichtsmethode, die das Vokabellernen erleichtern und interessanter machen sollte.
      Diese Methode gab es zu meiner Schulzeit noch nicht. Vieleicht habe ich deshalb so viele Latein-Vokabeln längst wieder vergessen 😉 Immerhin hat es dazu gereicht, ein Buch zu schreiben, in dem es auch um Latein geht (“Das trojanische Pferd. Klassische Mythen erklärt”).

  10. #15 definition
    19. Dezember 2013

    Also ich weiß jetzt nicht, inwieweit es vielleicht einfach nur Zufall war, dass manche Wetten etwas strenger kontrolliert werden als andere. Ich kann mich aber schwach erinnern, dass Augenbinden schon bei vielen Wetten eingesetzt wurden. Dass die Titel von Musikstücken nicht während des Erratens eingeblendet wurden, habe ich auch schonmal gesehen. Da fallen mir spontan die ‘Brustmuskelzucker’ ein. Das ist Jahre her. Da hat jemand die Songs erkannt, indem er auf die Brustmuskeln zweier Bekannter gesehen hat, die ihm am Tisch gegenüber saßen. Sie haben mit den Brustmuskeln synchron zur Melodie gezuckt. Dass die Muskelzuckungen mit Lied dazu erst später als Auflösung gezeigt wurde, hatte einen humorösen Effekt. Außerdem konnte so jeder Zuschauer selbst mitraten.

    Ich muss zugeben, dass ich “Wetten, dass ..?” nicht regelmäßig verfolge. Vielleicht sind die Standards über die Jahre auch unterschiedlich streng gewesen.

  11. #16 s.s.t.
    20. Dezember 2013

    Vielleicht ein kleiner Tipp für die kommenden Tage im Familien- und Freundeskreis, insbesondere falls ein wenig Langeweile aufkommen sollte:
    – Das ‘Medium’ wartet vor der Tür.
    – Das Publikum legt einen Gegenstand fest.
    – Der ‘Zweite im Bunde’ deutet nacheinander auf verschiedene Gegenstände, das ‘Medium’ errät stets den richtigen Gegenstand.

    Die Lösung ist natürlich simpel: Der gesuchte Gegenstand ist der Gegenstand nach dem Schlüssel. Als Schlüssel kann z.B. ein Material (Glas) oder eine Farbe (rot) verabredet werden. Deutet das Co-‘Medium’ also auf ein Glas (bzw. einen roten Gegenstand) weiß das Medium, dass der nächste Gegenstand der gesuchte Gegenstand ist.

    So simpel der Trick ist, so effektiv ist er in der Praxis. Als er mir vor langer Zeit zum ersten Mal vorgeführt wurde, kam niemand darauf. Auch als ich ihn später hin und wieder selbst verwendete, war das Ergebnis dasselbe; selbst bei einer Gruppe von knapp 50 Leuten erkannte niemand den Schlüssel. (Falls jemand wider Erwarten den Trick (er)kennen sollte, bezieht man ihn einfach in die “Show” mit ein.)

    Die Verblüffung der Zuschauer ist garantiert.

    Der Trick ist so simpel, dass es keine Vorbereitung braucht. Es dauert max. 1-2 Minuten dem zukünftigen ‘auserwählten Medium’ den Trick zu erklären und man kann loslegen.

    (Hinweis: Bei den Schlüsseldingen nur eindeutige verwenden, die auch möglichst oft in dem Raum vorhanden sind. Hat man z.B. “Rot” gewählt, sollte man u.a. braunrote und pinke Dinge meiden.)

    Man kann den Trick beliebig verkomplizieren, z.B. Wechsel des Schlüssels oder dass ggf. der allererste Gegenstand der gesuchte ist. Das ist aber i.d.R. nicht notwendig, selbst wenn man nicht ‘auffliegen’ will.

    (P.S.: Als ich dem Trick, wie gesagt vor vielen Jahren, erstmals begegnete, wurde mir klar, wie leicht es bereits einem Amateurzauberer ist, einen Laien hinter das Licht zu führen.)

    • #17 Klaus Schmeh
      20. Dezember 2013

      Interessant. Kannte ich noch nicht.