Der Italiener Simeone Levi (1843-1913) hinterließ ein verschlüsseltes Buch. Ende der neunziger Jahre wurde es dechiffriert, doch einige Fragen bleiben offen.
Der italienische Ägyptologe Simeone Levi (1843-1913) ist die einzige mir bekannte Person, die verschlüsselte Memoiren geschrieben hat (verschlüsselte Tagebücher gibt es dagegen viele). In meiner Encrypted Book List stehen Levis Memoiren an Position 00019.
Es war im Jahr 1900, als Levi innerhalb von zwei Monaten seine Lebenserinnerungen zu Papier brachte. Sie füllten 355 Seiten und waren in einer von Levi selbst entwickelten Geheimschrift verfasst. Levi forderte seine Söhne auf, die Memoiren zu dechiffrieren. Das gelang diesen jedoch nicht. Levi nahm das Geheimnis mit in sein Grab.
1997 stieß Emanuele Viterbo, Nachfahre eines Bruders von Simeone Levi, auf das verschlüsselte Buch. Als Elektrotechniker und Telekommunikationsexperte kannte sich Viterbo etwas mit Kryptologie aus. Er versuchte, die Verschlüsselung zu lösen. Ihm fiel auf, dass das von Levi verwendete Alphabet deutlich umfangreicher war, als bei 26 Buchstaben zuzüglich Ziffern und Satzzeichen zu erwarten gewesen wäre. Außerdem waren die Wortlängen, die er ermittelte, für die italienische Sprache zu kurz.
Dennoch entdeckte Viterbo schnell einen Ansatzpunkt: Im Buch waren verschlüsselte Seitenzahlen zu erkennen. Dadurch konnte Viterbo auf jeder Seite eine Zahl identifizieren. Es zeigte sich: Levi hatte für jede Ziffer zwei Geheimzeichen (Homophone) vorgesehen, zwischen denen er abwechselte. Nun erkannte Viterbo, dass auf dem Titelblatt des Buchs die Zahlen 1843-1900 standen. 1843 war Levis Geburtsjahr und 1900 das Jahr in dem er die Memoiren geschrieben hatte.
Nun suchte Viterbo nach weiteren Zahlen im Text. Er fand vor allem Jahreszahlen und Datumsangaben, die er mit Ereignissen in Levis Leben in Übereinstimmung bringen konnte. So konnte Viterbo die ersten Wörter entschlüsseln. Dabei wurde ihm klar, wie Simeone Levi vorgegangen war. Er hatte für die gängigen Buchstaben im Italienischen jeweils mehrere Geheimzeichen (Homophone) verwendet. Auch für einige gängige Buchstabenpaare und verschiedene Satzzeichen gab es Geheimzeichen. Satzzeichen standen im Text stets allein und sahen dadurch wie Wörter mit nur einem Buchstaben aus. Damit war klar, warum die Wortlänge im Tagebuch für die italienische Sprache zu gering ausfiel.
Viterbo berichtete über seinen Dechiffrier-Erfolg in der Fachzeitschrift Cryptologia (The Ciphered Autobiography of an 19th Century Egyptologist, Cryptologia 3/1998). Eine weitere, von diesem Artikel unabhängige Informationsquelle zu Levis Memoiren gibt es meines Wissens nicht. Insbesondere wurden die 355 Seiten des verschlüsselten Buchs nie veröffentlicht. Lediglich eine Seite (die obige) ist im Artikel (in schlechter Qualität) abgebildet. Auch eine Klartextversion der Memoiren ist nicht verfügbar. Anscheinend hält Levis Familie diese Informationen unter Verschluss. Ähnliches ist leider auch bei anderen Büchern auf der Encrypted Book List der Fall.
Wie Viterbo in seinem Artikel berichtet, fand er in den Memoiren einen Satz, den er nicht verstand. Hier ist er:
“Ma pecuglie ri sifafanu cecumucela o queanru ytagno fu a pecutagno pecu nicagenu.”
Weiß jemand, was das bedeuten könnte? Oder welche Sprache hier vorliegt? Über Hinweise würde ich mich freuen.
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