1994 erschien eine Forschungsarbeit über angebliche versteckte Botschaften in der Bibel. Sie löste eine riesige Diskussion aus und machte einen US-Journalisten zum Millionär. 20 Jahre später redet kein Mensch mehr über die angebliche Weltsensation.

Ich gebe zu: Wenn ich an das Buch Der Bibel-Code von Michael Drosnin denke, werde ich immer ein bisschen neidisch. Dieses 1997 erschienene Machwerk war ein Welterfolg und tummelte sich 39 Wochen lang in der Spiegel-Bestsellerliste. Dabei enthält dieses “Sachbuch” nur Unfug und ist als geistige Umweltverschmutzung zu betrachten.

Die vermeintliche Weltsensation

Der Bibel-Code erzählt folgendes: Reiht man die Buchstaben des Alten Testaments in möglichst vielen unterschiedlichen Varianten aneinander und sucht darin nach sinnvollen Wörtern, dann findet man ab und zu welche (es wäre ja auch sehr ungewöhnlich, wenn in einer nahezu endlosen Folge von Buchstaben nicht ein paar Zufallstreffer enthalten wären). Drosnin pickte einige dieser Zufallstreffer heraus, fasste sie zu kleinen Gruppen zusammen und interpretierte irgendwelche Bedeutungen hinein. Unter anderem fand er auf diese Weise vermeintliche Aussagen über die Ermordung Jitzhak Rabins, den Zweiten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und zahlreiche andere Begebenheiten der Weltgeschichte – und das in einem Jahrtausende alten Text. Experten waren sich zwar schnell darüber einig, dass man mit Drosnins Methode in so ziemlich in jedem Text einen derartigen “Code” finden würde, doch das tat dem Erfolg des Buchs keinen Abbruch.

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Die Idee zu seinem Bibel-Code hatte sich Drosnin von drei israelischen Wissenschaftlern (darunter der Mathematiker Eliyahu Rips) geholt. Diese hatten – mit ähnlichen Methoden, aber wissenschaftlich deutlich plausibler – Hinweise auf prominente Juden in der Bibel gefunden, von denen die Bibel-Autoren seinerzeit noch nichts wissen konnten. Schon dieser 1994 veröffentlichte “Rips-Code” wäre eine Sensation ersten Ranges gewesen, doch Michael Drosnin setzte noch einen drauf und hatte großen Erfolg damit. Mehr Informationen gibt es in meinem Telepolis-Artikel über den Bibel-Code oder in folgendem Video (aus der Serie John Safran versus God):

Kein Hahn kräht mehr danach

15 Jahre dem Höhepunkt des Bibel-Code-Hypes ist vor allem eines festzustellen: Kein Hahn kräht mehr danach. Das Buch Der Bibel-Code 2, das 2002 Drosnin nachschob, war längst nicht so erfolgreich wie sein Vorgänger. Der darin angekündigte Weltuntergang blieb aus. Das 2010 erschienene dritte Buch von Drosnin zum Thema wollte offensichtlich überhaupt niemand mehr lesen. Bei Amazon finden sich 0 (in Worten: null) Rezensionen dazu. Eine Übersetzung dieses Ladenhüters ins Deutsche wollte sich bisher anscheinend kein Verlag antun. Weitere Bibel-Code-Bücher von anderen Autoren floppten ebenfalls.

Tora

Auch der Rips-Code, der ja etwas mehr Substanz hat, hat reichlich Staub angesetzt. Längst ist klar, wie er zustande gekommen ist: Rips und seine Kollegen haben (unbewusst?) die Parameter so gesetzt, dass ein möglichst spektakuläres Ergebnis herauskommt. Ein solches Vorgehen ist auch als “Cherry Picking” bekannt. Unter Wissenschaftlern löst der Bibel-Code schon lange kaum noch mehr als ein Gähnen aus. Von Autoren aus dem christlichen Lager, die dem Bibel-Code etwas abgewinnen konnten (etwa Werner Harke in seinem Buch “Was, wenn die Bibel wahr ist …?”), ist ebenfalls nichts mehr zu hören. Der NSA-Kryptologe Harold Gans, der sich als nahezu einziger Verschlüsselungsfachmann positiv über den Rips-Code äußerte und daher als eine Art Kronzeuge diente, verstummte schnell wieder.

2006 versuchte es Eliyahu Rips mit einem neuen Bibel-Code, der von seinen bisherigen Überlegungen deutlich abwich. Kaum jemand interessierte sich dafür

Fazit: Der Bibel-Code ist tot.

Ein Thema ohne Reiz

Für mich selbst hat der Bibel-Code ebenfalls längst seinen Reiz verloren. Ich habe mehrere kritische Artikel dazu geschrieben und ein paar Vorträge darüber gehalten. Die Resonanz war jedes Mal ziemlich bescheiden. In den letzten zehn Jahren habe ich niemanden getroffen, der sich ernsthaft für den Bibel-Code interessierte – weder als Befürworter noch als Gegner.

Insgesamt finde ich die ganze Bibel-Code-Hystery im Nachhinein ziemlich bedauernswert. Es gibt so viele interessante Themen in der Kryptologie und der Steganografie, dass es völlig unnötig ist, sich mit so einem Unfug zu beschäftigen. Trotz allem sind mir noch ein paar positive Dinge zum Thema eingefallen:

  • Es gibt ein paar witzige Parodien auf den Bibel-Code – beispielsweise den Moby-Dick-Code, den Rotkäppchen-Code und den Microsoft-Pressemeldung-Code.
  • Das erwähnte Buch „Was, wenn die Bibel wahr ist …?“ wirkt dank der Ausführungen über den Bibel-Code noch lächerlicher als es ohnehin schon wäre. Kein Wunder: Ein Autor, der allen Ernstes vorrechnet, dass sich während der Sintflut etwa 10.800 Tiere auf der Arche Noah tummelten, tut sich ofensichtlich schwer, kryptologischen Unfug zu erkennen.
  • Ich durfte zum Bibel-Code ein nettes Interview im GWUP-Blog geben.

So hat eben alles seine Vor- und Nachteile.

Kommentare (10)

  1. #1 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/08/08/camel-jesus/
    10. August 2014

    Lustiges Video.

    Unerklärt bleibt, wie man etwa vor 9/11 diese Botschaft hätte finden sollen. Dass man sie nur nachträglich findet, wenn man schon weiß was man sucht (Osama bin Laden) ist ja voll öde. Dann findet man “it goes down twice” und bezieht das auf die Zwillingstürme? Was ist mit WTC5 oder war es 7?

    Außerdem ist “es wird 2x zu Boden gehen” etwas anderes als “2 werden zu Boden gehen”.

    Ja, ist sicher alles schon gesagt worden – ich könnt mich nur so aufregen!

  2. #2 Chemiker
    10. August 2014

    Den Bibel-Code habe ich nicht gelesen, aber eine andere fürch­ter­liche Schlangenöl-Publikation: Digital Fortress, das Erstlings­­werk eines jungen Autors namens Dan Brown.

    An diesem Roman stimmt einfach überhaupt nichts, obwohl der Autor gerne informiert tut und mit den Namen irgendwelcher kryptographischer Verfahren um sich wirft, praktisch immer an Stellen, wo es keinen Sinn ergibt.

    Das zentrale Plotelement ist, daß jemand ein angeblich revolutio­näres Ver­schlüs­selungs­verfahren ent­wickelt hat. Er stellt den Source­code seiner geheimen Im­plemen­tation dazu ins Netz, aller­dings mit genau diesem Verfahren ver­schlüsselt. Den Schlüssel will er ver­steigern, damit der Käufer damit — ja, was eigentlich tun kann?

    Der Gegenspieler will vor Ver­steigerungs­ende an den Schlüssel kommen, um exklusiven Zugang zum Code zu haben. Er plant, eine Hinter­tür einzubauen, die originale Version auf dem Web­server mit seiner gecrackten zu überschreiben und dann den Schlüssel zu veröffentlichen, so daß alle Welt ein unsicheres Ver­schlüs­selungs­verfahren verwendet — was die machen, die sich den verschlüsselten Code bereits vor der Manipulation runter­geladen haben, werden wir nie erfahren, weil der sinistre Plan helden­haft verhindert wird.

    Das ganze Buch hindurch reihen sich solche Blooper aneinander. Quanten­computer, sekunden­schnell rück­verfolgte Emails, blitz­artig gehackte Mail­boxen etc. sind in einem Buch oder Film vielleicht OK, aber niemand kann heute verhindern, daß ich mir gestern etwas downgeloadet habe. Nicht mal der Autor, der die Welt erschaffen hat.

    Das wirklich Schlimme ist jedoch, daß mir unbeleckte Freunde mehr­fach gesagt haben, sie fänden das Buch so toll, weil man beim Lesen so viel über Krypto­graphie lerne. Und Dan Brown sei ja über­haupt für seine super­tollen Recherchen bekannt. 🙁

    • #3 Klaus Schmeh
      12. August 2014

      Dan Browns Bücher sind zwar Romane, während der Bibel-Code ein Sachbuch sein soll. Trotzdem hat Brown mit seinen oberflächlichen Recherchen viel Unfug in die Welt gesetzt. Schade eigentlich, denn die Kryptologie ist so spannend, dass man auf den Bibel-Code, den Da-Vinic-Code und ähnlichen Unfug eigentlich verzichten kann.

  3. #4 KOzi
    10. August 2014

    Habe den Bibel-Code mal gelesen, oder zumindest fast zu ende gelesen. Glaube irgendwann kamen aliens in spiel. im grunde genommen habe ich den inhalt quasi vergessen 😉

  4. #5 Stefan
    Frankfurt am Main
    12. August 2014

    Hallo Klaus,

    du hast da ein Rechtschreibfehler in deinem Artikel:

    “Ein Thema ohne Reiz

    Für mich selbst hat der Bibel-Code ebenfalls längst seinen Reiz verloren. Ich habe mehre kritische”

    Finde den Fehler 🙂

    • #6 Klaus Schmeh
      12. August 2014

      Mit “mehre” kann ich meinen Ruhm an dieser Stelle wohl nicht mehren. Danke für den Hinweis.

  5. #7 Adent
    12. August 2014

    @Chemiker
    Dan Brown (würg kotz) ist mir sowieso eine der liebsten, dem seine “ultragute” Recherche möchte ich mal sehen, Illuminati war zum grausen, danach habe ich nichts mehr von ihm gelesen, scheint aber ja kein Einzelfall gewesen zu sein 😉

  6. #8 wahrheitsliebender
    13. August 2014

    Herr Schmeh,

    den Bibel-Code hat ja nie jemand ernst genommen. Die biblische Prophetie hingegen schon.

    Deshalb dürfte auch 2014 – 2016 spannend werden – warum?

    Vier Blutmond Tetraden stehen in 2014 und 2015 an, wie zur Zeit Jesu-Kreuzigung in 32 und 33 und sie alle fallen auf jüdische/biblische Feiertage. Im Laufe der letzten 5 Jahrhunderte vielen solche Tetraden 3 mal auf jüdisch-/biblische Feiertage, zwei davon im letzten Jahrhundert. 1949/50 kurz nach der Neugründung Israels im Unabhängigkeitskrieg und 1968/69 kurz nach der Rückeroberung Jerusalems im 6-Tage-Krieg.

    https://www.youtube.com/watch?v=EDWjuL33h3Y
    https://chodak.wix.com/die-warnung#!die-kommenden-4-blutmonde/c1sz5
    https://www.youtube.com/watch?v=6Yd6PncvST8

    Und “kleingekriegt” wird ja da unten auch schon wieder. Noch ist es nur das Radikalistennest Gazastreifen. Wann die anderen Islam-verrückten auf Israel losgehen werden (inkl. der Türkei), steht noch in den Sternen…

    Gruß!

    • #9 Klaus Schmeh
      27. August 2014

      >den Bibel-Code hat ja nie jemand ernst
      >genommen. Die biblische Prophetie hingegen schon.
      Ich nehme die biblische Prophetie nicht ernst. Meine Meinung dazu habe ich vor ein paar Jahren kund getan: https://www.heise.de/tp/artikel/23/23560/1.html

  7. #10 mn
    Hamburg
    8. Oktober 2020

    Ich habe mich sehr lange mit dem Bibelcode beschäftigt und finde es nach wie vor faszinierend…

    Erstaunt bin ich von der Tatsache, das im Allgemeinen sehr negativ berichtet wird. Dabei fällt auf, das auch hier Framing und Diffamierung praktiziert wird, meist von Menschen, die sich nicht wirklich mit der Thematik beschäftigt haben.

    So zum Beispiel ist mir nicht bekannt und auch das wurde schon erwähnt, dass als Gegentest mal jemand das bekannte Werk “Sofies Welt“ von Jostein Gaarder nimmt und damit die Grundlage einfach mal durchspielt…

    Wenn, wie behauptet, es nichts weiter braucht als einen vergleichsweise sehr langen Text als Textbandwurm und ein bisschen Wahrscheinlichkeit, mit den verwendeten TextMatrixen einen „Zufallstreffer“ zu finden, dessen Angaben sich dann auch noch explizit überprüfen lassen, wäre doch alles schick.

    Aber eine Unmöglichkeit zu beweisen ist halt auch mit Mathematik und Kryptologie einfacher als das Gegenteil. Oder hat schon jemand von den Skeptikern das Riemannsche Problem gelöst, welche auf der Riemannschen Vermutung basiert?

    Es ist doch immer schon so gewesen, das Informationen die nicht gewollt sind ins Lächerliche gezogen werden, anstatt die gleichen Anstrengungen zu unternehmen, den Code und ALLE seine bisherigen Aussagen in gleichem Zeitraum (Jahre) wie das Denunzieren praktiziert wird, immer und immer wieder zu Überprüfen und dann nach Jahren einen Konsens zu ziehen.

    Schade, so wird leider jede nicht passende Entdeckung lieber kritisch zerlegt, als ihr auf den Grund zu gehen…!