Ein Südstaatensoldat wollte im Sezessionskrieg eine verschlüsselte Nachricht an die eingekesselten Kameraden in Vicksburg schicken. 150 Jahre später wurde der Code geknackt.
Vicksburg am Mississippi im Jahr 1863. Seit Wochen wird die Südstaaten-Stadt von den Nordstaaten belagert. Die Belagerten stehen auf verlorenem Posten. Ihre letzte Hoffnung ist, dass Ihnen General Joseph E. Johnston mit einem Entsatzangriff zu Hilfe kommt. Doch Johnstons Truppe ist zu schwach, um eine solche Attacke wagen zu können. Ausgerechnet am 4. Juli, dem US-Nationalfeiertag, muss Vicksburg kapitulieren.
Was bisher nicht in den Geschichtsbüchern steht: Ebenfalls am 4. Juli versuchte ein Südstaaten-Kommandant den Belagerten mitzuteilen, dass die Lage aussichtslos war und dass die erhoffte militärische Hilfe nicht organisiert werden konnte (beides war den Vicksburgern allerdings bereits bekannt). Zu diesem Zweck verfasste der Kommandant eine verschlüsselte Mitteilung, die er per Flaschenpost über den Mississippi in die belagerte Stadt schicken wollte (ob dieses Unterfangen überhaupt eine Chance auf Erfolg hatte, ist eine interessante Frage). Adressat des Schreibens war Generalleutnant John C. Pemberton, der Befehlshaber der eingeschlossenen Truppen.
Anscheinend schickte der Verfasser seine Flaschenpost jedoch nicht ab. Vermutlich hatte er im letzten Moment von der Kapitulation erfahren. So landete die verschlossene Flaschenpost im Museum of the Confederacy in Richmond (Virginia).
Dort kam man offensichtlich erst 2010 auf die Idee, die ungewöhnliche Sendung zu öffnen. Der Zettel in der Flasche, so stellte sich heraus, enthielt eine verschlüsselte Nachricht. Um diese kümmerte sich ein ehemaliger Kryptologe der CIA namens David Gaddy. Dieser hatte keine große Mühe damit. Kein Wunder, denn die Verschlüsselungsverfahren des Sezessionskriegs waren schwach, wie man beispielsweise in meinem Buch Codeknacker gegen Codemacher nachlesen kann.
Die Verschlüsselung, so fand Gaddy heraus, war eine Vigenère-Chiffre. Möglicherweise wurde diese mit folgender Chiffrierscheibe erstellt:
Am Ende ergab sich folgender Klartext:
Gen‘l Pemberton: You can expect no help from this side of the river. Let Gen‘l Johnston know, if possible, when you can attack the same point on the enemy‘s lines. Inform me also and I will endeavor to make a diversion. I have sent some caps (explosive devices). I subjoin a despatch from General Johnston.
Wer mehr über diese Geschichte wissen will, sollte den zugehörigen Artikel in der Online-Ausgabe der Daily Mail lesen. Dieser Artikel ist bereits drei Jahre alt. Dennoch hat in der Krypto-Geschichtsszene offenbar bisher niemand Notiz von dieser Begebenheit und Gaddys Dechiffrier-Erfolg genommen. Mir war die Geschichte nicht bekannt, bis ich vor ein paar Tagen beim Googeln zufällig darauf gestoßen bin. Schön, dass es immer wieder Neues zu entdecken gibt.
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Zum Weiterlesen: Von der NSA entschlüsselt: Zwei verschlüsselte Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg
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