In der Bibel gibt es Interessantes zu entdecken: zum Beispiel einen Jargon-Code im ersten Buch Samuel und einen Zinken-Code im Buch Josua.
Wenn es um Kryptologie geht, ist die Bibel keine besonders ergiebige Quelle. Denn während die alten Griechen, Römer und Babylonier bereits das eine oder andere Verschlüsselungsverfahren kannten, war diese Kulturtechnik den Juden offenbar fremd. Daher findet man in der Bibel allenfalls ein paar Buchstabenspielereien, die man mit viel Wohlwollen als eine Vorform der Verschlüsselung betrachten kann. Mehr ist im Buch der Bücher zu diesem Thema nicht zu finden.
Etwas besser sieht es mit der Steganografie aus. Tatsächlich finden sich in der Bibel (mindestens) zwei Stellen, an denen die Anwendung versteckter Botschaften beschrieben wird. Meines Wissens wurden diese in der Fachliteratur noch nie beschrieben. Ich freue mich daher, im Folgenden eine Premiere bieten zu können.
1. Buch Samuel, 18-23: Ein Jargon-Code
Und Jonathan sprach zu ihm: Morgen ist der Neumond, so wird man nach dir fragen; denn man wird dich vermissen, wo du zu sitzen pflegst. Des dritten Tages aber komm bald hernieder und gehe an einen Ort, da du dich verbergest am Werktage, und setze dich an den Stein Asel. So will ich zu seiner Seite drei Pfeile schießen, als ob ich nach dem Ziel schösse. Und siehe, ich will den Knaben senden: Gehe hin, suche die Pfeile! Werde ich zu dem Knaben sagen: Siehe, die Pfeile liegen hierwärts hinter dir, hole sie! so komm, denn es ist Friede und hat keine Gefahr, so wahr der Herr lebt. Sage ich aber zum Jüngling: Siehe, die Pfeile liegen dortwärts vor dir! so gehe hin, denn der Herr hat dich lassen gehen. Was aber du und ich miteinander geredet haben, da ist der Herr zwischen mir und dir ewiglich.
Die hier beschriebene Methode ist ein Jargon-Code. Der Satz “Die Pfeile liegen hinter dir” steht für “Komm!”, der Satz “Die Pfeile liegen vor dir” steht für “Gehe!”. Weitere Jargon-Codes gibt es in meinem Buch Versteckte Botschaften, in dem die Geschichte der Steganografie erzählt wird.
Josua 2, 17-22: Ein Zinken-Code
Die Männer aber sprachen zu ihr: Wir wollen aber des Eides los sein, den du von uns genommen hast, wenn wir kommen ins Land und du nicht dies rote Seil in das Fenster knüpfst, womit du uns herniedergelassen hast, und zu dir ins Haus versammelst deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. Und wer zu Tür deines Hauses herausgeht, des Blut sei auf seinem Haupt, und wir unschuldig; aber aller, die in deinem Hause sind, so eine Hand an sie gelegt wird, so soll ihr Blut auf unserm Haupt sein. Und so du etwas von diesem unserm Geschäft wirst aussagen, so wollen wir des Eides los sein, den du von uns genommen hast. Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt, und ließ sie gehen. Und sie gingen hin. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster. Sie aber gingen hin und kamen aufs Gebirge und blieben drei Tage daselbst, bis daß die wiederkamen, die ihnen nachjagten. Denn sie hatten sie gesucht auf allen Straßen, und doch nicht gefunden.
Diese Geschichte kann man wie folgt zusammenfassen: Die Hure Rahab, die in Jericho lebt, versteckt zwei jüdische Spione (siehe Abbildung). Diese tragen ihr anschließend auf, ihr Fenster mit einem roten Seil zu markieren. Als die jüdischen Krieger später Jericho erobern und die Einwohnern niedermetzeln, wissen sie, welches Haus sie verschonen müssen. Hierbei handelt es sich um einen Zinken-Code, der ähnlich wie die heute noch gebräuchlichen Gaunerzinken funktioniert.
Kennt jemand weitere steganografische Methoden aus der Bibel? Falls ja, bitte melden.
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Zum Weiterlesen: Radiobeitrag über Steganografie zum Nachhören
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