Ein verschlüsselter Zweizeiler aus dem 17. Jahrhundert wartet auf seine Dechiffrierung. Wer findet die Lösung?

Zu den schönen Dingen in der Kryptologie-Geschichte gehört, dass man immer wieder Dinge lernt, die eigentlich gar nichts mit Kryptologie zu tun haben. Bis vor kurzem kannte ich beispielsweise die Zeitschrift Notes and Queries nicht. Diese erscheint seit 1850, hat also eine lange Geschichte. Wie der Name andeutet, veröffentlicht Notes and Queries kurze Artikel (Notes) und Leserfragen (Queries).

Der Blogleser Hans Jahr hat mich dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass Notes and Queries manchmal auch Fragen der Art “Kann jemand den folgenden verschlüsselten Text dechiffrieren?” veröffentlicht. Ein paar Beispiele hat mir Herr Jahr gleich mitgeliefert. Voraussichtlich werden sich mehrere Blogartikel daraus ergeben. In der Ausgabe vom 18. Februar 1899 fand Hans Jahr beispielsweise folgendes:

Urquhart-Cryptogram-2

Die Anfrage erwähnt einen gewissen Thomas Urquhart. Dieser Thomas Urquhart (1611-1660), so lernte ich nun, war ein schottischer Schriftsteller und Übersetzer. Fachleuten ist er vor allem als Übersetzer von Rabelais (wer das ist, musste ich auch erst einmal nachschlagen) in Erinnerung geblieben. 1899 veröffentlichte ein gewisser John Willcock ein Buch über Urqhart mit dem Titel Sir Thomas Urquhart of Cromartie. Auf der letzten Seite dieses Werks findet sich ein verschlüsselter Text, der als “Cyphral Distitch” (verschlüsseltes Distichon) bezeichnet wird. Ein Distichon (auch das habe ich bei der Gelegenheit gelernt) ist ein Verspaar bestehend aus einem Hexameter und einem Pentameter. Auf dieses verschlüsselte Distichon bezieht sich die Anfrage.

Hans Jahr hat gleich auch die Originalquelle (das Buch von Willcock) gefunden. Dort steht folgendes:

Urquhart-Cryptogram

Wenn ich es richtig verstehe, stammt das Kryptogramm von Urquhart und nicht etwa von Willcock. Hans Jahr ist keine Lösung bekannt. Schafft es ein Leser, das Kryptogramm zu knacken?

Zum Weiterlesen: Das ungelöste Rätsel um Urban von Wurmsknick auff Sturmdorff

Kommentare (7)

  1. #1 Svechak
    18. November 2014

    Eine Lösung habe ich nicht zu bieten aber eine Transkription:

    5.3.27.38.32.14.21.8.66.8.70.39.5.9.12.18.2.3.56.5.1.7.3.2.13.19.3.25.9.3.16.6.
    25.15.13.6.11.20.5.1.2.12.1.20.20.49.20.20.35.33.4.6.8.35.5.33.5.5.18.10.3.11.32.42.

  2. #2 helmut
    18. November 2014

    jeweils 32 zahlen pro reihe.
    erste zeile seitenzahl
    zweite zeile wort?
    oder umgekehrt?
    wär mir als erstes in den sinn gekommen.
    leider gerade keine zeit das nachzuschauen.

  3. #3 Joe
    Jena
    18. November 2014

    Für mich sieht das eher nach einer Buchstabenersetzung aus. Die 5 ist recht häufig, 3 und 20 auch.
    Allerdings sind es insgesamt 32 verschieden Zahlen. Großbuchstaben könnten andere Zahlen bekommen haben, als die entsprechenden Kleinbuchstaben.
    Vielleicht ist es auch eine homophone Verschlüsselung.

  4. #4 Jan
    19. November 2014

    Da es sich hier um ein Distichon handelt, vermute ich das ein Buchstabe eine Silbe verschlüsselt. Das Versmaß ist wenn ich das richtig verstanden habe
    b u u b u u b u u b u u b u u b x
    b u u b u u b b u u b u u b
    b=betonte und u=unbetonte Silbe; x=u oder u u.

    Wenn ich richtig gezählt habe müsste die letzte Zahl der ersten Reihe eigentlich die erste Zahl in der 2 Reihe sein.

    Die Lösung müsste eigentlich mit Hilfe des Buches zu finden sein (..who worthily will hear or read this book..)
    Könnte es evtl was mit den Namen der Vorfahren (S155ff bzw. S184ff) zu tun haben?

  5. #5 Lercherl
    19. November 2014

    @Jan

    Ich tippe eher auf Buchstaben als Ziffern. 32 Buchstaben für einen Hexameter sind eher wenig, aber im Bereich des Üblichen. Freundlicherweise ist auf derselben Seite ein Distichon abgedruckt, mit 40 Zeichen im Hexameter und 29 im Pentameter.

    Unklar ist auch, ob das Distichon lateinisch oder englisch abgefasst ist. Ich tippe eher auf Latein. Das lateinische Distichon auf der Seite hat eine englische Übersetzung, aber nicht als Distichon, sondern als doggerel.

    Eine simple Zeichenersetzung “substitution cipher” ist es wohl nicht — schon weil mehr als 26 Zahlen verwendet werden. Alle meine Versuche mit Häufigkeitsanalysen (englische und lateinische Quadgrams) sind bisher gescheitert. Am ehesten ist die Verschlüsselung eine Art substitution cipher mit einem zusätzlichen Schritt.

  6. #6 Kent
    1. April 2015

    There exists also a Cyphral Octastich (eight lines as opposed to just two) in a different book by Sir Thomas Urquhart called “The Jewel” from 1652. These works date to around the period of the English Civil War. I believe Urquhart was on the Royalist side so a Nomenklator of some kind, perhaps similar to those of Charles I could be a working hypothesis. We just solved one by Prince Maurice. The Octastich has substantally more text to work with and perhaps they may be from the same Nomenklator.

    I shall try to find the Octastich and either post the numbers here, or ask Klaus Schmeh if he wants to do a separate blog entry.