Der Cyrillic Projector ist eine Skulptur, in die ein verschlüsselter Text eingearbeitet ist. Letztes Jahr hatte ich die Gelegenheit, mir dieses Kunstwerk im Original anzuschauen.
Hiermit oute ich mich als Kunstmuffel. Die Welt der Zahlen und der Verschlüsselung hatte für mich schon immer eine viel größere Ästhetik als irgendwelche Gemälde, Skulpturen oder Installationen. Es gibt allerdings Ausnahmen. Kunst finde ich vor allem dann spannend, wenn ein Künstler es schafft, Verschlüsselung in ein Kunstwerk einfließen zu lassen.
Das bekannteste Beispiel ist die Skulptur Kryptos, auf der eine verschlüsselte Nachricht angebracht ist. Diese Nachricht ist nach wie vor nicht vollständig gelöst, was die Popularität von Kryptos in den letzten Jahren enorm gesteigert hat. Ich habe Kryptos daher in meine Liste der 25 größten Verschlüsselungsrätsel aufgenommen.
Kryptos-Schöpfer Jim Sanborn hat bisher der Versuchung widerstanden, eine größere Zahl weiterer Verschlüsselungsskulpturen auf den Kunstmarkt zu schmeißen, um damit eine schnelle Mark (bzw. einen schnellen Dollar) zu machen. Genau genommen gibt es bisher nur drei weitere Verschlüsselungsskulpturen von Sanborn. Eine davon ist der Cyrillic Projector.
Der Cyrillic Projector (Baujahr 1993) steht auf dem Gelände der University of North Carolina in Charlotte (USA). Letztes Jahr hatte ich die Gelegenheit, dieses Kunstwerk zu besuchen. Der verschlüsselte Text auf dem Kunstwerk ist mit russischen (kyrillischen) Buchstaben geschrieben.
Ich besuchte den Cyrillic Projector zusammen mit ein paar anderen Kryptologie-Fans im Rahmen einer Konferenz. Im Vordergrund sieht man eine weitere Sanborn-Skulptur, die jedoch (wie die meisten Sanborn-Werke) nichts mit Verschlüsselung zu tun hat.
Unsere Reiseführerin war die beste, die man sich vorstellen konnte: Elonka Dunin, die weltweit führende Kryptos-Expertin. Elonka Dunins Initiative war es übrigens zu verdanken, dass der Cyrillic Projector 2003 entschlüsselt wurde. Sie machte die Skulptur über ihre Web-Seite bekannt, fertigte eine Transkription an und forderte über ein Diskussionsforum dazu auf, die Nachricht zu analysieren. Innerhalb kurzer Zeit fanden gleich zwei Leser die Lösung.
Der Klartext, so zeigte sich, setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem Text über ein psychologisches Thema und einem Zitat aus einer Propaganda-Schrift aus der Sowjetunion. Die Verschlüsselung entpuppte sich als eine Variante der Vigenère-Chiffre mit den Schlüsselwörtern TEHb und MEDUSA.
Besonders schön ist der Cyrillic Projector bei Nacht. Im Innern befindet sich eine Lichtquelle.
Zum Weiterlesen: Neuer Hinweis zur Kryptos-Skulptur: Die Spur führt zu einer Uhr in Berlin
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